Social Media »Erschreckende Dimension«
SPIEGEL: Sie fordern als Justizminister, Hassbotschaften im Netz stärker zu bekämpfen. Warum ist das notwendig?
Eisenreich: Die Dimension von Hass im Internet ist erschreckend. Hatespeech vergiftet das gesellschaftliche Klima in unserem Land und gefährdet die Demokratie. Und: Sie schränkt die Meinungsfreiheit ein.

Unser Geschäft mit dem Bösen
Deutschland hat sich dem chinesischen Unrechtsregime ausgeliefert wie kaum ein anderes Land. Nach den Enthüllungen über Internierungslager und Folter in Xinjiang stellt sich die Frage, wie weit es sich aus dieser wirtschaftlichen Abhängigkeit befreien kann.
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SPIEGEL: Inwiefern?
Eisenreich: Manche Betroffene haben Angst davor, sich in sozialen Netzwerken frei zu äußern, weil sie hasserfüllte Kommentare fürchten. Es gab Fälle, in denen solche Äußerungen zu Gewalt führten. Jeder kann Ziel werden, aber besonders trifft es etwa Kommunalpolitiker, Journalisten, Migranten oder Jüdinnen und Juden.
SPIEGEL: Warum gelingt es der Politik bisher nicht, exponierte Gruppen zu schützen?
Eisenreich: Es wurde schon viel getan. In Bayern haben wir Spezialisten für solche Delikte bei jeder Staatsanwaltschaft, dazu einen zentralen Hatespeech-Beauftragten bei der Generalstaatsanwaltschaft München. Anzeigen und Prüfbitten können online gemeldet werden. Auf Bundesebene gibt es das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, in der EU künftig den Digital Services Act. Es gibt aber auch Probleme.
SPIEGEL: Warum?
Eisenreich: Weil beispielsweise Betreiber von Onlineplattformen Auskunftsverlangen der Staatsanwaltschaften zum Teil nicht oder zu spät beantworten. Wenn es nicht gelingt, die Urheber von Hassbotschaften zu ermitteln, dann müssen die Strafverfolger die Ermittlungen einstellen.
SPIEGEL: Welche Firmen haben Sie im Blick?
Eisenreich: Ein Unternehmen ist Facebook, das seiner gesellschaftlichen Verantwortung nicht gerecht wird. Facebook verdient auch in Deutschland viel Geld. Wir brauchen hier Ansprechpartner, die entscheiden können und Anfragen der Staatsanwaltschaften verlässlich beantworten.
SPIEGEL: Wie soll die Politik reagieren?
Eisenreich: Wir müssen den Druck weiter erhöhen. Wichtig wäre, dass Betreibern, die gefährliche Äußerungen wie Todesdrohungen oder Terrorankündigungen trotz Kenntnis nicht löschen oder zeitnah sperren, selbst strafrechtliche Konsequenzen drohen. Bayern wird dazu auf der Justizministerkonferenz einen Antrag einbringen. Es kann nicht sein, dass die Gewinne privatisiert, aber Probleme für Demokratie und Rechtsstaat sozialisiert werden.