»Dark Patterns« EU-Länder wollen Täuschungstechniken im Internet verbieten

Booking.com wurde von der EU-Kommission dazu verpflichtet, acht bestimmte »Dark-Pattern«-Praktiken zu unterlassen
Foto: Fabian Sommer / dpaEs kann und soll der nächste zentrale Pfeiler der Internetregulierung werden, mit Wirkung weit über Europa hinaus: Das Paket aus dem Digital Services Act (DSA) und dem Digital Markets Act (DMA) der EU zielt darauf ab, den Geschäftsmodellen großer Internetplattformen und -dienste vor allem aus den USA neue Grenzen zu setzen und den Verbraucherschutz zu stärken. Im DSA geht es unter anderem um illegale Inhalte und Empfehlungsalgorithmen von Onlineplattformen, im DMA um wettbewerbsrechtliche Aspekte.
Für EU-Verhältnisse geht das Gesetzgebungsverfahren derzeit recht schnell voran. Vertreter der Mitgliedstaaten einigten sich diese Woche auf ihre Position zum DSA und bereits vergangene Woche zum DMA, formell will der Ministerrat beides kommende Woche bestätigen. Das wäre immerhin weniger als ein Jahr, nachdem die EU-Kommission ihre Gesetzentwürfe vorgestellt hat.
Das EU-Parlament ist noch nicht ganz so weit, aber eine Einigung auf die Verhandlungspositionen zu den beiden geplanten Verordnungen könnte Anfang 2022 erfolgen. Danach würden Parlament, Rat und Kommission im sogenannten Trilog gemeinsam über die endgültigen Fassungen verhandeln.
Trilog könnte Anfang 2022 beginnen
Allerdings zeichnet sich ab, dass Rat und Parlament die Kommissionsentwürfe an verschiedenen Stellen nachbessern oder verschärfen wollen. Am Dienstag, also kurz vor der Einigung im Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten (Comité des représentants permanents, kurz: Coreper), veröffentlichten das französische Magazin Contexte und Netzpolitik.org ein vertrauliches Papier mit dessen Änderungswünschen zum DSA – und die haben es in sich.
Zum einen wollen die Mitgliedstaaten demnach die sogenannten Dark Patterns verbieten. Das sind Designtricks auf Websites, mit denen Nutzerinnen und Nutzer zu etwas bewegt werden, das sie eigentlich nicht wollen, wie etwa den Abschluss eines kostenpflichtigen Abonnements oder die Zustimmung zum Tracking. (Beispiele für solche Tricks haben wir hier und hier ausführlicher beschrieben.)
Im Coreper-Papier heißt es dazu, die Anbieter von Onlinemarktplätzen »dürfen ihre Benutzeroberflächen nicht in einer Weise gestalten, strukturieren oder organisieren«, die Nutzerinnen und Nutzer »entweder absichtlich oder tatsächlich täuscht oder manipuliert«, indem sie ihre freien Entscheidungen untergräbt. Wann hier eine Grenze überschritten wäre, wird in dem Papier nicht näher ausgeführt, ist aber wichtig, wenn der DSA an dieser Stelle über bereits geltendes Recht hinausgehen will.
Im deutschen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb etwa ist es bereits untersagt, einen Verbraucher »zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte«. Das gilt aber nur bei unwahren Behauptungen etwa zu vorübergehenden Preisvorteilen, Verfügbarkeit, Risiken oder der Zusammensetzung eines Produkts oder bei Verwechslungsgefahr mit anderen Waren und Dienstleistungen.
Zum anderen will der Rat die Pflicht zur schnellen Löschung illegaler Inhalte explizit auch »sehr großen Suchmaschinen« – das dürften in erster Linie Google und Microsofts Bing sein – sowie öffentlichen, potenziell unbegrenzt großen Gruppen auf Messenger-Plattformen auferlegen. Letzteres dürfte der Definition im Papier zufolge zum Beispiel Telegram-Kanäle betreffen, nicht aber Telegram-Gruppen, weil die nicht unbegrenzt groß sein können. Nicht betroffen sein sollen außerdem Cloud-Anbieter und Betreiber von Private-Messaging-Diensten oder E-Mail-Anbieter.
Was der Rat – anders als zumindest Teile des EU-Parlaments – jedoch nicht will, ist ein Verbot von gezielter Werbung mithilfe von Nutzertracking . Ein weiterer strittiger Punkt in den Trilog-Verhandlungen könnte zudem die Kompetenzverteilung bei der Aufsicht und Durchsetzung der neuen Regeln werden. Sollte es 2023 eine endgültige Einigung geben, wäre das immer noch schnell.