Ein Monat Datenschutz-Grundverordnung "Wir nennen uns nur noch Callcenter"

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Foto: Frank Rumpenhorst/ picture alliance / Frank Rumpenhorst/dpaAn diesem Montag endet der erste Monat mit der neuen europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Seit dem 25. Mai müssen sich viele Internetnutzer an die neuen Regeln halten.
Die ersten Wochen bescherten nicht nur zahlreichen Unternehmen viel Arbeit, sondern auch den zuständigen deutschen Behörden: Neben Beschwerden bekommen die Landes-Datenschützer auch viele Nachfragen von Unternehmen und Bürgern zum Umgang mit den neuen Regeln.
Eine befürchtete große Abmahnwelle ist noch nicht angerollt, auch wenn es erste Abmahnungen wegen Verstößen gab. Aber an vielen Stellen ist die neue Verordnung alles andere als eindeutig formuliert, zum Stichtag herrschte teils große Verunsicherung bei Vereinen, Privatleuten und Firmen:

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Jeden Tag 100 DSGVO-Anrufe
"Wir nennen uns nur noch Callcenter", sagte eine Sprecherin des hessischen Datenschutzbeauftragten Michael Ronellenfitsch. "Die Zahl der Anfragen ist extrem hoch. Vor allem bei Firmen, Kommunen und auch bei Vereinen herrschen große Unsicherheiten." Auch Privatleute wenden sich mit ihren Fragen an den Datenschutzbeauftragten und sein Team. Wie viele formale Beschwerden unter den Anfragen sind, konnte die Sprecherin nicht beziffern.
Auch die Datenschützer in Nordrhein-Westfalen geben an, in einer Flut von Anfragen zu versinken. "Die Telefone stehen nicht mehr still", sagte ein Sprecher. Täglich nehme der mit nur einer Person besetzte Empfang rund 100 Anrufe zum Thema DSGVO entgegen.
In den Tagen rund um den Start der neuen EU-Regeln am 25. Mai seien es sogar 140 Anrufe täglich gewesen. Seit Anfang des Jahres erreichten die NRW-Datenschützer 4700 schriftliche Eingaben - im gesamten Vorjahr waren es nur knapp 4000. Allerdings fallen darunter nicht nur Beschwerden, sondern auch Beratungsanfragen.
Viele Beschwerden gegen Lieferdienste und Onlinehandel
"An einem Tag gehen jetzt so viele Beschwerden ein wie vorher in zwei Wochen", sagte ein Sprecher der Berliner Datenschutzbehörde. Genaue Zahlen lägen noch nicht vor. Als Schwerpunkte kristallisierten sich Onlinehandel und Lieferdienste für Essen heraus.
Die Fälle werden nun geprüft und die Unternehmen um Stellungnahme gebeten. Viele Bürger seien im Zuge der Berichterstattung über die neuen Regeln stärker in Sachen Datenschutz sensibilisiert. "Sie haben davon erfahren, dass es Datenschutz überhaupt gibt, das war vorher bei vielen nicht bekannt."

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Mehr Mitsprache als Ziel
Die EU-Grundverordnung soll Bürgern mehr Mitsprache dabei geben, was mit ihren Daten in Unternehmen, Vereinen oder Behörden passiert. Dazu gehören Name, Adresse, E-Mail-Adresse, Ausweisnummer oder IP-Adresse. Besonders empfindliche Daten etwa zu Religion, Gesundheit oder Sexualleben dürfen nur in Ausnahmefällen verarbeitet werden. Daten, die für den ursprünglichen Speicherzweck nicht mehr benötigt werden, müssen gelöscht werden. Zudem haben Verbraucher ein Auskunftsrecht.
Beim Hamburger Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar gingen fast doppelt so viele Beschwerden wie zuvor ein. Insgesamt wandten sich im ersten DSGVO-Monat 460 Mal Bürger an die Behörde. 260 dieser Eingänge wurden bereits ausgewertet. In 60 Prozent der Fälle beschwerten sich die Bürger über Verstöße gegen die neue Datenschutz-Grundverordnung.
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In Schleswig-Holstein gingen rund 400 Beschwerden ein. Einige davon richteten sich gegen mehrere Verantwortliche, sagte die Landes-Datenschutzbeauftragte Marit Hansen. "Beispielsweise ging es in einer Beschwerde um mehr als 20 mutmaßliche Datenschutzverstöße." Manchmal reichten für denselben Fall mehrere Betroffene Beschwerde ein. In einem Fall habe es vier getrennte Beschwerden gegeben.
In Thüringen dagegen gab es nach Angaben des Datenschutzbeauftragten Lutz Hasse keinen signifikanten Anstieg von Beschwerden im Zusammenhang mit der Datenschutzgrundverordnung. "Allerdings haben sich die Eingangszahlen auf bis zu 500 pro Tag deshalb stark erhöht, weil sehr viele Fragen - auch von Unternehmen - zur DSGVO gestellt werden", erklärte Hasse. "Das ist sehr schön, drückt unsere Behörde aber kapazitätsmäßig ganz schön in die Knie."