
SPIEGEL


Netzpolitische Feiertage Zu Weihnachten wünschen wir uns ein neues Internet

Liebe Leserin, lieber Leser,
diese Woche steht ganz im Zeichen der Netzpolitik, und ich möchte Sie über die wichtigsten Pläne informieren. Freuen Sie sich mit mir auf einen Haufen neuer Gesetze, die das Internet auf Jahre hinaus verändern und viele Leute sehr wütend machen werden. Letzteres hat sogar schon begonnen.
So richtig los geht es am Dienstag mit dem Digital Services Act und dem Digital Markets Act. Die EU-Kommission will digitale Dienste und digitale Märkte neu regeln, mit einem oder besser zwei Nachfolgern der mittlerweile 20 Jahre alten E-Commerce-Richtlinie.
Hier haben wir schon einmal umrissen, was wettbewerbsrechtlich auf die großen US-Konzerne Google, Amazon, Facebook und Apple (kurz: GAFA) zukommen dürfte und warum die Kommission das für nötig hält. Das Brüsseler Paket wird aber noch umfangreicher, denn auch neue Haftungsregeln für die Plattformen werden darin enthalten sein. Das bedeutet: Für welche Inhalte ihrer Nutzerinnen und Nutzer Facebook und Co. in Zukunft in welcher Form verantwortlich sind, will die Kommission ebenfalls anpassen.
Weil die Anti-Leaking-Strategie der Kommission beeindruckend gut funktioniert hat (sehr zum Ärger von Journalisten), bleibt bis Dienstag noch etwas Raum für Spekulationen. Wie bei einem Apple-Event.

Lieber, guter Weihnachtsmann, lass das Internet heile
Foto: Sparwelt.de / obsAm Mittwoch will dann das Bundeskabinett mehrere Gesetze verabschieden, die mehr oder weniger engen Bezug zum Internet haben. Auf der Tagesordnung stehen das IT-Sicherheitsgesetz 2.0, das ich Ihnen hier schon einmal in groben Zügen vorstelle, sowie die Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (TKG), auf die meine Kollegen Max Hoppenstedt und Marcel Rosenbach hier einen Vorgeschmack geben.
Beide Vorhaben eint, dass die Bundesregierung die Zivilgesellschaft schon im Vorfeld maximal getrollt hat. Wer kurz vor der Kabinettssitzung noch neue Entwürfe veröffentlicht und den Fachverbänden und Experten dann ganze zwei Tage (TKG) beziehungsweise 24 Stunden (IT-Sicherheitsgesetz) Zeit gibt, um dazu Stellung zu nehmen, legt vielleicht gar keinen so großen Wert auf zivilgesellschaftliche Beteiligung.
Ebenfalls für Mittwoch erwarten wir ein neues BND-Gesetz, weil die bisherige Form der Internetüberwachung verfassungswidrig ist, sowie ein »Telekommunikations-Telemedien-Datenschutz-Gesetz« (TTDSG). Letzteres soll unter anderem erstmals die EU-Vorgaben zu Cookies in nationales Recht überführen.
Nicht mehr auf der Tagesordnung steht hingegen die Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie. Nicht, dass die unwichtig wäre, trotzdem bin ich fast schon dankbar, dass wir uns damit erst 2021 befassen* müssen.
*im Sinne von herumärgern
Seltsame Digitalwelt: SMS an Schreibtisch
Meine Schwiegereltern brauchen ein neues Smartphone, also habe ich ihnen eines besorgt und versprochen, es so einzurichten, dass sie den Unterschied kaum merken. Dazu mussten sie mir ihr altes schicken, was sie nun auch getan haben. Um sie zu beruhigen, dass es angekommen ist, habe ich ihnen umgehend eine SMS geschrieben. Also an das Smartphone in dem Päckchen auf meinem Schreibtisch. Es hat etwa eine Stunde gedauert, bis ich verstand, warum sie anders als sonst nicht umgehend antworteten.
Es ist für mich halt sehr schwer vorstellbar, ein so wichtiges Gerät für mehrere Tage aus der Hand zu geben.
Fremdlinks: Drei Tipps aus anderen Medien
»Endangered Firefox: The state of Mozilla« (Englisch, vier Leseminuten)
Technikjournalismus-Urgestein Steven J. Vaughan-Nichols macht sich Sorgen um Mozilla. Der schwindende Marktanteil des Firefox-Browsers ist für ihn ein Alarmzeichen. Ein Blick in die nur auf den ersten Blick guten Geschäftszahlen macht es für ihn nicht besser.EU-Politiker als Harry-Potter-Ebenbilder (Bilderserie auf Twitter)
Bei Thierry Breton musste ich schon sehr lachen.»Japan to invest in AI matchmaking to boost plummeting birth rates« (Englisch, drei Leseminuten)
Die japanische Regierung will insgesamt rund 19 Millionen Dollar ausgeben, um staatliche (!) Dating-Angebote zu unterstützen und so letztlich den Bevölkerungsrückgang zu verlangsamen.
Ich wünsche Ihnen trotz allem eine möglichst stressfreie Woche
Patrick Beuth