Sascha Lobo

Trump und Nordkorea Der verbale Erstschlag ist erfolgt

In der Realität läuft es für Donald Trump nicht gut - in einer künstlich erschaffenen Trugwirklichkeit dagegen schon. Trifft die Trumprealität wie jetzt auf Nordkoreas Kimrealität, wird es gefährlich.
Donald Trump auf einem TV-Bildschirm, den Passanten in Südkorea anschauen

Donald Trump auf einem TV-Bildschirm, den Passanten in Südkorea anschauen

Foto: JUNG YEON-JE/ AFP

"Sie lachen über uns!" Das ist der wichtigste Satz, den Donald Trump sagt. Und zwar in einem Video von 1999 , in dem er seine Bereitschaft erklärt, als Präsident einen Erstschlag gegen Nordkorea auszuführen. Im Jahr 1999 war eine Trump-Präsidentschaft ein böser Zukunftstraum aus "Zurück in die Zukunft", heute ist sie Realität.

Gleichzeitig arbeitet das Weiße Haus zum Beispiel mithilfe neuer Sprachregeln  - Trumpical Correctness - daran, eine mediale Parallelrealität herzustellen, in der selbst ein atomarer Erstschlag ein Erfolg von Donald Trump wäre.

Der Aufbau dieser Trumprealität basiert auf sozialen Medien, aber zielt auf die Wechselwirkung mit redaktionellen Medien. Zwei Zielgruppen lassen sich dabei erkennen. Die erweiterte Zielgruppe sind Trump-Unterstützer, die durch den Aufbau der Trumprealität immunisiert werden sollen gegen jeden Fake-News-Zweifel. Die Kernzielgruppe aber besteht aus einer einzigen Person: Donald Trump.

Anthony Scaramucci, fast vergessener Ex-Kommunikationschef des Weißen Hauses, hat nach seinem zehntägigen, erfolglosen Kampf gegen Leaks selbst ein Leak hinterlassen: sein Kommunikationskonzept . Auch wenn es nicht mehr maßgeblich sein dürfte, ist es sehr aufschlussreich. Denn neben einer enormen Unbeholfenheit und einem mittelgroßen Maß an Irrwitz verdichtet das Konzept die entscheidenden Zutaten der Trumprealität.

Darin finden sich fast ausschließlich Sätze, die Trump beim Lesen in Egoekstase versetzen. Das Gefühl also, nach dem Trump süchtig ist. So süchtig, dass sich die widerspenstige Realität gefälligst der Trumprealität zu beugen hat. Donald Trump bekommt "Vice" zufolge - ernsthaft! - jeden Tag zweimal einen Aktenordner voller positiver Nachrichten  über ihn selbst. Das ist pathologisch, und das Scaramucci-Papier spiegelt diese Haltung, ergänzt durch klassisch despotisch-dynastische Egomanie.

"Der größte TV-Star der Geschichte"

Die Kommunikationsabteilung des Weißen Hauses solle als "PR-Abteilung für den Präsidenten und seine Familie dienen", steht im Kommunikationskonzept. "Alle Aktivitäten und Entscheidungen müssen bewertet werden nach einem und nur einem Zweck: Hilft das dem Präsidenten?".

Am deutlichsten wird die neue Dimension dieser Strategie in folgendem Zitat: "Präsident Trump ist der größte TV-Star der Geschichte. Wir sollten die 'President Donald J. Trump-Show' produzieren." Als geschehe genau das nicht längst.

Seit dem 6. August ist die erste Folge von etwas online, das als Vorbote einer solchen Show begriffen werden kann. "News of the Week"  heißt das Format auf Facebook. Mit einer ehemaligen CNN-Mitarbeiterin, inzwischen Sprecherin der Republikanischen Partei, imitiert das Video visuell und inhaltlich TV-Nachrichten - die Selbstbezeichnung des Formats lautet "Real News" , also der Gegenpol zu "Fake News".

Die konkreten Inhalte sind egal, es geht um die Anmutung und den Sound: Nachrichten sind gelernt als Abbildung der Realität, und in dieser Realität gelingt Trump alles, er wird von allen geliebt oder gefürchtet. Vor allem aber lacht niemand über ihn.

Dabei wäre die eigene Propaganda-Nachrichtenshow für weniger anerkennungsfixierte Zielgruppen als Trump unnötig: Mit Murdochs Fox News gibt es ja bereits einen Nachrichtenkanal, der weitab jeden journalistischen Anspruchs den Aufbau der Trumprealität tatkräftig unterstützt. Zum Beispiel, indem dort führende Mitarbeiter des Weißen Hauses erklären : "Präsident Trump ist der begabteste Politiker unserer Zeit, und er ist der beste Redner im Weißen Haus seit Generationen." Das Gruselige daran ist, dass solche Statements von Leuten kommen, die wissen, dass das nicht stimmt.

Ein Akt der Unterwerfung

Das ist das Geheimnis der Trumprealität: An ihr teilzunehmen, ist ein Akt der Unterwerfung, an der Trump selbst das einzige Kriterium misst, das ihm bei Untergebenen wichtig ist: Loyalität. Trumprealität dient auch als Instrument dafür, ob man bereit ist, die Wirklichkeit zu verleugnen. Die tagesaktuelle Losung der Trumprealität geschieht via Trumps Twitterkanal und besteht vor allem aus Selbstanpreisung und der Delegitimierung jeder Kritik als Fake News.

Aber angesichts bröckelnder Unterstützung und ernsthafter Bedrohungen der Trumppräsidentschaft durch die Untersuchungen von Ex-FBI-Chef Robert Mueller droht die Trumprealität nun einen Putsch gegen die Wirklichkeit zu unternehmen.

Anlass dafür ist Nordkorea mit Kim Jong Uns staatgewordener Kimrealität. Denn natürlich steht die Trumprealität trotz ihrer neuen Social-Media-Verankerung in der alten Tradition des Despotenwahns, in der Nordkorea seit Generationen gefangen ist.

Kein Versprecher, sondern ein Versprechen

Deshalb ist die kaum verborgene Drohung mit einem Atomschlag gegen Nordkorea via Fernsehen und Twitter das Gefährlichste, was Trump bisher unternommen hat: Zuerst die Twitter-Ansage, man müsse "endlich den Gefahren von Nordkorea begegnen ", und zwar "hart und entschlossen". Dann die Präzisierung per Pressekonferenz: "Nordkorea sollte keine Drohungen mehr gegen die Vereinigten Staaten unternehmen. Sie werden beantwortet werden mit Feuer und Zorn , wie es die Welt noch nie zuvor gesehen hat."

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Dass Trump die nächste verbale Drohung mit konkreter Vergeltung beantworten will, ist kein Versprecher, sondern ein Versprechen. Nordkoreanische Drohungen - auch wenn sie eine neue Intensität erreicht haben mögen - sind seit Jahrzehnten Alltag, was ja seinerseits jeweils aus der Parallelrealität eines einzigen Mannes entspringt.

Das bedeutet, dass sich die Nordkorea-Gefahr nach Bedarf hochskalieren und anheizen lässt. Nicht ausgeschlossen, dass Trump einen nordkoreanischen Angriff auf die US-Basis in Guam herbeitwittern möchte. Und dass es ihm gelingen könnte.

Wahr ist nur, was in den Kram passt

Wie sich im geleakten Telefonat mit dem australischen Premierminister  erkennen ließ, bewertet Trump jede politische Aktion ausschließlich danach, ob sie ihm gute Schlagzeilen bringen könnte. Ob er "damit gut aussieht". Ob also die klassischen Medien zumindest temporär zu einem Teil der Trumprealität werden könnten. Denn Fake News aus dem Mund von Trump heißt nicht, dass alles in den Medien gelogen sei - sondern nur das Schlechte.

Das Label "Fake News" ist wie "Lügenpresse" nichts anderes als ein Mechanismus, mit dem man die eigene selektive Wahrnehmung rechtfertigen kann: Wahr ist nur, was mir in den Kram passt, alles andere sind Fake News.

Daher die Hassliebe zu den Nachrichten-Medien. Nichts würde Trump lieber sehen als sein Foto auf der Titelseite der New York Times und der Überschrift: "Großartig gemacht, President Trump!". Denn das würde ihm als Beweis taugen, dass der Putsch der Trumprealität gegen die Wirklichkeit erfolgreich wäre.

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Und jetzt glaubt der wahnsinnige Egofaschist im Weißen Haus angesichts seiner Probleme von der Russland-Connection bis zur Gesundheitsreform, dass ein angezettelter Krieg mit einer Atommacht endlich dafür sorgen kann, dass sich alle hinter ihm versammeln, endlich auf seine Twitter-Trumprealität einschwenken.

Trumps "Sie lachen über uns" von 1999 heißt heute "Sie lachen über mich", denn die Präsidentschaft dient Trump als Beweis, dass sein Ego und die USA identisch sind. Wenn er sich nicht ernst genommen fühlt, rechtfertigt das einen Angriff.

Denn die Trumprealität besteht nicht aus der messbaren Wirklichkeit, sondern nur aus Worten - und innerhalb einer künstlich erschaffenen Trugwirklichkeit können Worte so bedrohlich sein wie Handlungen. Der verbale Erstschlag ist erfolgt.

Im Video: Die Spirale der Drohungen

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