Dorothee Bär Beinahe Ministerin

Die CSU-Politikerin Dorothee Bär bekommt einen neu geschaffenen Posten und kümmert sich um Netzpolitik. Um etwas zu bewegen, braucht sie aber Macht - und die müssen ihr andere erst abgeben.
Dorothee Bär

Dorothee Bär

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Der Titel ist schon einmal klangvoll: Dorothee Bär wird die erste Staatsministerin im Kanzleramt für Digitalisierung. Doch die Position ist zuallererst das Ergebnis von Kompetenzgerangel in der Union, weniger von ernsthaftem politischen Willen, das Querschnittsthema endlich zu bündeln. Es wird noch mehr Gerangel brauchen, bis klar ist, wie viel Bär von dort aus im Digitalen bewegen kann.

Seit Ende 2013 ist die direkt gewählte Bundestagabgeordnete des Wahlkreises Bad Kissingen eine Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Nun ändern sich zwar Titel und Arbeitsplatz. Die Macht und Ressourcen eines Ministeramts wird Bär aber auch im neuen Job nicht bekommen, denn formal bleibt sie Parlamentarische Staatssekretärin, nur eben bei Kanzleramtsminister Helge Braun von der CDU. Der Titel ist klangvoll, aber eben auch ein wenig irreführend.

Digitalisierung: Verteilt auf 244 Teams in 14 Ministerien

Sie selbst sagte im ZDF-Interview , sie glaube, "die nötige Beinfreiheit" zu bekommen, um durchzusetzen, was ihr wichtig ist. Im Interview mit der "Bild"-Zeitung aber sagte sie auch, der "Infrastrukturausbau liegt weiter beim Verkehrsministerium" und ihr Parteifreund Andreas Scheuer werde das als künftiger Minister "ganz hervorragend" machen.

Dieser Logik nach bliebe digitale Bildung im Zuständigkeitsbereich des Bildungsministeriums und der Länder, die Start-up Förderung im Wirtschaftsministerium, IT-Sicherheit und E-Government im Innenministerium und die Digitalisierung insgesamt in 244 Teams in 76 Abteilungen in 14 Ministerien . Wie viel Beinfreiheit Bär bekommt, wird davon abhängen, wie viel Beinfreiheit die echten Minister abzugeben bereit sind.

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Dass eine ausgewiesene Netzpolitikerin mit am Kabinettstisch sitzt, könnte deshalb schlimmstenfalls reine Symbolpolitik sein. Bestenfalls aber holt sich die Bundeskanzlerin nicht nur eine dringend benötigte Koordinatorin, sondern auch eine Mini-Opposition ins Haus - und damit ein wenig Leben ins Kabinett.

Bär ist beispielsweise eine Gegnerin des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG), zumindest in seiner jetzigen Form. Die besagt unter anderem, dass Unternehmen wie Facebook nur 24 Stunden Zeit haben, "offensichtlich rechtswidrige" Inhalte zu löschen, wenn sie darauf hingewiesen werden. Das Gesetz, das Kritiker als Angriff auf die Meinungsfreiheit verstehen, weil die Unternehmen lieber zu viel löschen würden, als Bußgeldzahlungen in Kauf zu nehmen, ist ein Projekt der bisherigen Großen Koalition und insbesondere des SPD-geführten Justizministeriums.

Sie wolle das Gesetz überprüfen lassen und "eventuell"  komplett neu fassen, teilte Bär Ende Januar mit, als die Verhandlungen mit der SPD zur Neuauflage der Koalition noch liefen. "Dass sich autokratische Staatschefs das Gesetz interessiert angeschaut haben, ist ja nicht gerade eine Empfehlung". Bei der SPD wird sie damit nicht gerade auf Begeisterung gestoßen sein. Im Koalitionsvertrag ist jetzt auch nur von einer möglichen "Weiterentwicklung" des NetzDG die Rede, nicht von der "Totalrevision", die Bär ins Spiel gebracht hatte.

Aber auch der eigenen Parteilinie widersetzt sich Bär hin und wieder. Im Bundestag hat sie 2013 gegen das von der damaligen schwarz-gelben Koalition gewollte Leistungsschutzrecht für Presseverleger gestimmt. Das Vorhaben, von dem deutsche Verlage profitieren sollten, indem sie Lizenzgebühren von Google für die Verlinkung ihrer Inhalte verlangen, hat sich als exakt so dysfunktional herausgestellt, wie Kritiker von Anfang an befürchtet hatten - es gilt als netzpolitischer Rohrkrepierer.

Wenn ihr das Thema noch wichtig sein sollte, könnte sie nun die seinerzeit von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) verschleppte Evaluierung des Gesetzes  öffentlich einfordern. Die Antwort darauf wäre ein Zeichen dafür, wie viel Beinfreiheit Dorothee Bär zu erwarten hat.

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