Spitzelsoftware-Hersteller "Des einen Terrorist ist des anderen Aktivist"

Die italienische Firma Hacking Team ist umstritten: Sie beliefert Strafverfolger und Behörden weltweit mit Spitzel-Software. Erstmals stellte sich jetzt ein Mitarbeiter der Diskussion mit Internetaktivisten - vor allem einer hatte auf diese Gelegenheit gewartet.
Eric Rabe (links): "Wir maßen uns nicht an, zu entscheiden"

Eric Rabe (links): "Wir maßen uns nicht an, zu entscheiden"

Foto: Uli Ries

San Francisco - Eines muss man Eric Rabe lassen: Der amerikanische Politikberater hatte den Mut, sich einer offenen Diskussion mit Jacob Appelbaum  zu stellen. Rabe ist nämlich als Berater für das in Mailand ansässige Unternehmen Hacking Team, das Spitzel-Software herstellt. Appelbaum ist ein für seine scharfe Zunge berüchtigter Internetaktivist. Auf der RSA Conference, einer IT-Sicherheitskonferenz, trafen die beiden bei einem Panel aufeinander - und bestritten weite Teile des Gesprächs allein.

Appelbaum machte den Zuhörern gleich zu Beginn klar, in welchen Niederungen er Hacking Team verortet - mit Hilfe von drastischen Fotos: Die Bilder zeigten misshandelte Regimegegner aus Ägypten und Marokko. In beiden Staaten sollen unliebsame Kritiker mit Hilfe von Behörden-Trojanern ausgeforscht worden sein. "Diese Leute wurden gefoltert, einige sogar ermordet", sagte der Aktivist, "das Endergebnis der Dinge, über die wie hier reden, ist eine Frage von Leben und Tod".

Entsprechend hart ging er Rabe an. Die marokkanischen Bürgerjournalisten vom Projekt mamfakinch.com  seien mit Hilfe der Software Remote Control System (RCS) von Hacking Team ausspioniert worden, wie etwa das Web-Magazin "Slate" berichtete . Rabe reagierte auf die Vorwürfe in ruhigem und fast provozierend sachlichem Ton. Er wollte weder bestätigen noch verneinen, dass marokkanische Strafverfolger zum eigenen Kundenkreis gehören. Der Berater tat die Hinweise auf den Zusammenhang zwischen Hacking Team und Marokko mit der Bemerkung ab, hierfür seien keine belastbaren Beweise aufgetaucht. Alle Analysen stützten sich auf indirekte Beweise - zu wenig, um Hacking Team etwas anhängen zu können. Ein hartes Dementi war das nicht.

Hintertür für den Fall, dass Menschenrechtsverstöße ruchbar werden?

Appelbaum kritisierte, Hacking Team habe nach dem Verkauf seiner Software keinerlei Kontrolle darüber, was mit dem Spitzelwerkzeug in der Praxis passiere. Ob es etwa für Menschenrechtsverletzungen missbraucht werde. Rabe reagierte mit einer überraschenden Enthüllung: Hacking Team könne in begrenztem Umfang nachvollziehen, was die Kunden mit der eigenen Software anstellten. Appelbaum sprach daraufhin von einer "Hintertür in der Hintertür". Als Backdoor (Hintertür) werden versteckte Zugänge zu Rechnern bezeichnet, die unbemerkt vom PC-Besitzer installiert werden. Dieser Spitze widersprach der so Angegriffene erst später über Twitter.

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Begriffsfindung: Wer sind eigentlich Hacker?

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Rabe erklärte, die Software RCS stehe in einem ständigen, nicht näher beschriebenen Kontakt zu ihren Schöpfern. Kämen dem Unternehmen Menschenrechtsverstöße im Zusammenhang mit RCS zu Ohren, könne man diese Verbindung auf Basis des Lizenzvertrags kappen und die Software damit quasi zur Nutzlosigkeit verdammen. Der Berater wollte allerdings nicht sagen, ob es schon einmal einen solchen Fall gegeben hat.

"Wir maßen uns nicht an zu entscheiden, ob eine Überwachung gerechtfertigt ist", so Rabe, "des einen Terrorist ist des anderen Aktivist." Man verlasse sich hier auf die Gesetzestreue der Kunden. Gleichzeitig habe man aber auch ein Auge auf die Presse oder Internetveröffentlichungen von Aktivisten, um auf mögliche Missbrauchsfälle aufmerksam zu werden.

Vor einiger Zeit sind im Netz technische Analysen des Digital-Spitzels aufgetaucht, was Rabe auf der Bühne scharf verurteilte: "Wer eingehende Untersuchungen der Software von Hacking Team frei zugänglich ins Netz stellt, der hilft damit Terroristen." Schließlich könnten solche Analysen unter Umständen Aufschluss über gerade laufende Überwachungsaktionen geben.

"Diese Programme sind Waffen"

In diesem Zusammenhang betonte der Berater, dass Behörden weltweit die Software RCS ganz legitim zum Überwachen von verdächtigen Kriminellen oder potentiellen Terroristen einsetzen. Beispiele für erfolgreiche, legale Aktionen blieb Rabe jedoch schuldig - einmal mehr mit dem Verweis auf Vereinbarungen zur Geheimhaltung.

Verkauft werde die Software nur an Staaten, die nicht auf einer schwarzen Liste stünden. Für Menschenrechtsverteidiger dürfte diese Einteilung allerdings zu holzschnittartig sein, denn nicht zwangsläufig stehen alle Staaten auf diesen Listen, aus denen Verstöße gegen Menschenrechte bekannt sind. Auch Appelbaum wollte sein Gegenüber nicht so leicht davonkommen lassen und hakte nach, doch Rabe kommentierte nur trocken: Mit Bestimmtheit ausschließen könne er nur Nordkorea.

Einmal auf die PCs der Verdächtigen eingeschleust, erfasst die Spitzelsoftware jegliche Kommunikation und schickt die Mitschnitte an die jeweils verantwortliche Behörde. Ganz egal, ob der Austausch per E-Mail oder über verschlüsselte Skype-Telefonate stattfindet. Der Verschlüsselungsguru Adi Shamir , Miterfinder des Kryptoverfahrens RSA, sagte gegenüber SPIEGEL ONLINE: "Diese Programme sind Waffen. Es darf an sich keinen freien Verkauf geben."

Appelbaum hingegen sagt, er wäre schon zufrieden, wenn Programme wie Remote Control System nicht an Behörden verkauft würden, die direkt oder indirekt für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind. Appelbaum nimmt hier allerdings eine extreme Position ein: Dazu zählt er auch einige staatliche Stellen seines Heimatlandes, der USA.

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