
Eric Schmidt über soziale Netzwerke Googles private Meldestelle
- • Netzwelt-Ticker: Google+ schmeißt Nutzer wegen Pseudonym raus
- • Streit über Internet-Pseudonyme: Klarnamenzwang? Nein danke!
Warum hat Google diesen Eklat provoziert? Kurz nach dem Start des sozialen Netzwerks Google+ setzten die Verantwortlichen beim Onlinekonzern mit harter Hand die Echtnamen-Politik des Dienstes durch. Wer sich bei Google+ unter einem - wenn auch bekannten - Pseudonym registriert hatte, dem wurde das Profil, zum Teil auch der Zugriff auf andere Google-Dienste blockiert. Nun hat Googles Verwaltungsratschef Eric Schmidt eine interessante Erklärung dafür geliefert, warum dem Webriesen so sehr daran gelegen ist, die Klarname der Nutzer zu kennen.
Schmidt stellte sich am Wochenende den Fragen bei einer Konferenz in Edinburgh den Fragen des Publikums. Andy Carvin, Manager beim National Public Radio (NPR) fragte Schmidt nach den Hintergründen des Klarnamenzwangs bei Google+. Carvin paraphrasiert die Antwort Schmidts so: "Er sagte, dass Google+ in erster Linie als Identitätsdienst entwickelt wurde. Deshalb sei es unerlässlich, die echten Namen der Nutzer zu registrieren für den Fall, dass man in Zukunft darauf aufbauende Produkte entwickeln werde."
Schmidt: "Niemand zwingt Sie, Google+ zu nutzen"
Auf den Einwand, dass bestimmte Personen (Minderheiten, Oppositionelle in autoritären Staaten) berechtigte Interessen haben, unter Pseudonym zu publizieren, antwortete Schmidt laut Carvin, Google+ sei optional - niemand zwinge einen Nutzer dazu, den Dienst zu nutzen.
Wie freiwillig die Nutzung tatsächlich ist, erscheint fraglich, wenn alle Freunde und Bekannten große Teile ihrer Online-Kommunikation über ein Netzwerk mit Klarnamenzwang abwickeln. Google+ ist im Vergleich zu Facebook noch winzig. Facebook verlangt in seinen Nutzungsbedingungen auch, dass Kunden ihren "tatsächlichen Namen" angeben. Und mit knapp 21 Millionen in Deutschland registrierten Mitgliedern erreicht Facebook fast 50 Prozent der Internetnutzer hierzulande. Je höher dieser Anteil wird, desto größer wird der soziale Druck, den Dienst ebenfalls zu nutzen.
"Regierungen werden Namensdienste verlangen"
Eric Schmidts Bewertung von Google+ als Identitätsdienst ("identity service" sagte er laut Carvin) kann man als logische Konsequenz seiner früheren Äußerungen interpretieren. Im Sommer 2010 äußerte sich Schmidt schon einmal zu Identität im Netz. Bei der Techonomy-Konferenz sagte er im Hinblick auf Gefahren im Netz:
"Der einzige Weg, dem zu begegnen ist echte Transparenz und keine Anonymität. In einer Welt asynchroner Bedrohungen ist es zu gefährlich, auf eine Möglichkeit zu verzichten, Menschen zu identifizieren. Wir brauchen einen Namensdienst für Menschen. Regierungen werden das verlangen."
Mit dieser Prognose lag Eric Schmidt richtig: Im August forderte der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ein Ende der Anonymität im Internet, später milderte er die Äußerungen ab - ein Gesetz gegen Anonymität sei derzeit nicht geplant.
Randi Zuckerberg: "Anonymität im Internet muss verschwinden"
Das sieht nach einer großen Koalition der Pseudonym-Gegner aus: Politiker fordern ein "Vermummungsverbot" im Web, Polizeifunktionäre drängen auf einen "verlässlichen Identitätsnachweis im Netz", Facebook und Google verlangen bei bestimmten Diensten die richtigen Namen der Nutzer.
Und manchmal dienen sich die Online-Riesen in dem Zusammenhang der Gesellschaft auch als Helfer bei Problemen an, für die der Staat zuständig ist: Im Juli antwortete Facebook-Managerin Randi Zuckerberg - kurz bevor sie das Unternehmen verließ, um sich selbständig zu machen - auf die Frage, was man denn gegen die Schattenseiten des Webs unternehmen könne: "Anonymität im Internet muss verschwinden." Zuckerberg hob in dem Zusammenhang den Zwang zur Angabe richtiger Namen bei Facebook hervor.
Andy Carvin zitiert Eric Schmidt mit einer Aussage, die in dieselbe Richtung geht: "Einige Menschen sind einfach böse und wir müssen in der Lage sein, sie zu identifizieren und herunterzustufen."
Diese Äußerung kommentiert Oke Göttlich, Manager des Musikdienstes Finetunes, bei Google+ so: "Es sind also nicht die Regierungen, die das Netz eines Tages kontrollieren, sondern Firmen, die Menschen identifizieren und bewerten können. Aber wo sind die Richter?"
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Eric Schmidt: Googles Aufsichtsratschef sagte während einer Fragerunde beim International Television Festival in Edinburgh, sein Unternehmen habe das soziale Netzwerk Google+ in erster Linie als Identitätsdienst entwickelt - wer das Web unter Pseudonym nutzen wolle, dürfte den Dienst eben nicht nutzen
Zehn-Dollar-Schein: Alexander Hamilton, einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten, veröffentlichte mit James Madison und John Jay unter dem Pseudonym Publius eine Reihe von Artikeln (die sogenannten "Federalist Papers"), um die Bevölkerung New Yorks von der US-Verfassung zu überzeugen.
Partnervermittlung Mawada: Weil der libysche Geheimdienst Facebook und Twitter überwacht, flüchteten sich Aufständische im Februar 2011 in unverdächtige Ecken des Internets. Über eine Online-Partnervermittlung tauschen sie unter Pseudonymen versteckte Botschaften aus. Weil die Site den Austausch zwischen Männern nicht erlaubt, haben sich andere Revolutionäre Medienberichten zufolge als Frauen ausgegeben - mit Pseudonymen wie "Süßer Schmetterling" oder "Das Mädchen aus der Wüste".
Internetcafé in Peking (2009): In den Anfangstagen des Web in China konnten die Nutzer unter Pseudonym in Foren noch ohne große Angst den Herrschenden die Meinung sagen. Der SPIEGEL berichtete 1999 über die Kommentare in einem Forum: Viele Teilnehmer erregen sich dort über bürokratische Hürden beim Schalten einer zweiten Telefonleitung, zürnen über Kader ("Sie fressen, saufen und ..."). Inzwischen schützt ein Pseudonym in China nicht mehr vor einer Entdeckung durch die Behörden - es ist schwierig, ohne Angabe des Klarnamens Zugriff auf das Internet zu bekommen. Schon 2006 verhafteten Beamte Journalisten, die unter Pseudonym "subversive E-Mails" verschickt hatten.
Bob Dylan: Mit bürgerlichem Namen heißt der Musiker Robert Zimmerman.
David Copperfield: Als Kind hieß der Sohn russischer Einwanderer David Kotkin.
Kirk Douglas (links): Ursprünglich hieß der Schauspieler Issur Danielovitch, dann nannte er sich Izzy Demsky und schließlich Kirk Douglas.
George Orwell: Der Schriftsteller hieß mit bürgerlichem Namen Eric Arthur Blair.
Klaus Kinski: Der Schauspieler kam 1926 als Nikolaus Karl Günther Nakszynski in Zoppot zur Welt.
Willy Brandt: Der Politiker wurde als Herbert Ernst Karl Frahm geboren, den Decknahmen Willy Brandt benutzte er von 1934 an. Im Wahlkampf 1961 attackierten CSU-Politiker Brandt wegen des Pseudonyms. Der SPIEGEL berichtete damals: "Bundestagsvizepräsident Richard Jaeger, Herold der Todesstrafe für Mord und Landesverrat, brachte in der Münchner 'Abendzeitung' den Tausch des Geburtsnamens Herbert Ernst Karl Frahm gegen den 'Kriegsnamen' Willy Brandt in Zusammenhang mit dem massenmordenden Führer Hitler alias Schicklgruber: 'Wenn es ihn (Brandt) wie weiland Adolf Hitler, dessen Familienname eigentlich Schicklgruber war, danach gelüstet, unter einem fremden Namen in die Weltgeschichte einzugehen, so ist dies das Geringste, was uns an seinem Vorhaben stören könnte.'
Internetcafé in Peking (2009): In den Anfangstagen des Web in China konnten die Nutzer unter Pseudonym in Foren noch ohne große Angst den Herrschenden die Meinung sagen. Der SPIEGEL berichtete 1999 über die Kommentare in einem Forum: Viele Teilnehmer erregen sich dort über bürokratische Hürden beim Schalten einer zweiten Telefonleitung, zürnen über Kader ("Sie fressen, saufen und ..."). Inzwischen schützt ein Pseudonym in China nicht mehr vor einer Entdeckung durch die Behörden - es ist schwierig, ohne Angabe des Klarnamens Zugriff auf das Internet zu bekommen. Schon 2006 verhafteten Beamte Journalisten, die unter Pseudonym "subversive E-Mails" verschickt hatten.
Foto: A2800 epa Diego Azubel/ dpaMelden Sie sich an und diskutieren Sie mit
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