EU-Verordnung Friedrich will Datenschutzregeln wieder ändern

Als Kämpfer für Grundrechte fiel Innenminister Friedrich bisher nicht auf - umso überraschender ist sein jüngster Vorstoß: Er will die Datenschutzregeln ändern, die der zuständige Ausschuss im EU-Parlament gerade erst beschlossen hat. Der CSU-Mann fordert "Nachbesserungen". Welche das sein sollen, sagt er nicht.
Innenminister Friedrich: "Deutschland war treibende Kraft"

Innenminister Friedrich: "Deutschland war treibende Kraft"

Foto: Adam Berry/ Getty Images

Berlin - Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich ist mit den im EU-Parlament verabschiedeten Datenschutzregeln nicht zufrieden. Der CSU-Politiker sagte der "Welt", es sei noch "viel handwerkliche Arbeit nötig". Friedrichs Äußerungen lassen Interpretationsspielraum. Man kann die Äußerung als Kritik an zu harten oder an zu laxen EU-Regeln verstehen - Friedrich bleibt sehr vage.

Wörtlich sagte der Innenmister der "Welt", man müsse nachbessern, damit die EU-Verordnung "die hohen deutschen Datenschutzstandards widerspiegelt, praxistauglich ist und zugleich auf die Herausforderungen des Internetzeitalters vernünftige Antworten gibt".

Was Friedrich konkret verändern will, sagte er nicht. Seine bisherige Haltung und das Handeln der Bundesregierung in der NSA-Affäre zeugen allerdings nicht von einem besonderen Engagement für Datenschutz und Bürgerrechte:

  • Zu einer Konsultation der EU-Innenminister über die geplante Datenschutzreform Anfang Oktober in Luxemburg reiste Friedrich nicht einmal an. Verärgert mahnte EU-Justizkommissarin Viviane Reding damals: "An die deutsche Regierung ist die Botschaft ganz einfach: Die Menschen vor Ort warten darauf, dass ihre persönlichen Daten richtig geschützt werden."
  • Die Bundesregierung hat sich auf EU-Ebene nie für eine Neuverhandlung des sogenannten Safe-Harbor-Abkommens eingesetzt. Mit diesem Vertrag könnte man US-Onlineriesen dazu zwingen, europäische Datenschutzstandards zu achten. Doch die Bundesregierung lehnte es ab, aktiv zu werden.
  • In der NSA-Affäre hat Friedrichs Innenministerium bislang Aufklärung verhindert. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar beklagte im September, dass Friedrichs Ministerium seine Fragen nicht beantworte. Schaar hatte Auskünfte zur Überwachung von Kommunikation im Auftrag ausländischer Geheimdienste in Deutschland verlangt.
  • Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder kritisieren die Untätigkeit der Bundesregierung in der NSA-Affäre. Sie fordern Kontrolle der Geheimdienste, Druck auf die USA auf EU-Ebene und eine grundrechtsfreundliche Infrastruktur. Die Bundesregierung ignoriert die ganz konkreten Vorschläge der Datenschützer seit September.

Streitpunkt Anti-Fisa-Klausel

Der vom Libe-Ausschuss (Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres) des EU-Parlaments am Montagabend beschlossene Entwurf der Datenschutzverordnung enthält Regeln, die der US-Regierung und Internetkonzernen überhaupt nicht gefallen. Die EU-Kommission hatte auf Druck der US-Regierung und der Lobby von Onlinekonzernen den Entwurf aufgeweicht. Eine Schlüsselstelle zur Datenweitergabe an Drittstaaten wurde sogar ganz gestrichen. Doch der Libe-Ausschuss hat parteiübergreifend diese umstrittene Anti-Fisa-Klausel wieder aufgenommen und die Sanktionen verschärft.

Die Anti-Fisa-Klausel besagt, dass Internet- oder Telekommunikationsunternehmen private Daten von EU-Bürgern nur dann an Drittstaaten (sprich: die USA) weitergeben dürfen, wenn es hierfür eine eindeutige gesetzliche Grundlage in Europa gibt. Das könnten etwa EU-Verordnungen sowie Verträge oder Rechtshilfeabkommen zwischen der EU oder ihren Mitgliedstaaten mit der US-Regierung sein. Zusätzlich soll die für das Unternehmen zuständige Datenschutzbehörde jeden Einzelfall genehmigen.

Wenn diese Klausel in Kraft tritt, könnten Konzerne wie Facebook und Google Probleme bekommen, wenn sie US-Geheimdiensten Zugriff auf die Daten von EU-Bürgern gewähren. Nach US-Recht (nämlich dem Spionagegesetz Fisa) müssen sie das vielleicht, nach EU-Recht dürften sie dann aber nicht so vorgehen.

Wie geht es nun weiter?

Die Bundesregierung kann die Datenschutzverordnung durchaus noch beeinflussen. Denn nun muss sich das EU-Parlament mit dem Ministerrat einigen - darin sitzen Vertreter der Mitgliedstaaten, die Bundesregierung ist dort einflussreich. Die EU-Innenminister sind nicht so datenschutzfreundlich wie die EU-Parlamentarier. Viele dürften einen Konflikt mit der US-Regierung und amerikanischen Geheimdiensten fürchten.

Für Innenminister Friedrich war die NSA-Affäre bereits Mitte August beendet. Damals sagte er der "Rheinischen Post": "Alle Verdächtigungen, die erhoben wurden, sind ausgeräumt." Seitdem ist unter anderem herausgekommen, dass der britische Geheimdienst GCHQ die belgische Telefongesellschaft Belgacom hackte und dass die NSA weltweit Computernetze mit eigenen Trojanern infiziert, darunter staatliche Systeme.

Mitarbeit: Claus Hecking; mit Material von dpa und AFP
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