Anzeigengeschäft EU-Kommission nimmt sich Googles Geldmaschine vor

Google-Büro in Brüssel
Foto: GEORGES GOBET/ AFPEs wäre nicht das erste Mal, dass Google mit der EU-Kommission aneinandergerät. Die Brüsseler Wettbewerbskommissarin Margrete Vestager hat den Internetkonzern bereits wegen dessen Shopping-Angeboten und zuletzt wegen des Mobil-Betriebssystems Android ins Visier genommen. Jetzt aber geht es ums Eingemachte: Vestager will sich offenbar Googles Anzeigengeschäft vornehmen - und das ist für rund 90 Prozent der Gewinne des Unternehmens verantwortlich.
Wie SPIEGEL ONLINE von Brancheninsidern erfuhr, hat die Kommission mehrere Beschwerdeführer gebeten, ihre Vorwürfe gegen Google zu untermauern. Diese hatten der Kommission bisher Dokumente mit geschwärzten Passagen zur Verfügung gestellt, um Geschäftsgeheimnisse zu schützen. In einer E-Mail vom 20. Juni hat die Kommission einen Verband nun darum gebeten, Schwärzungen zu entfernen, um das Vorgehen gegen Google zu erleichtern. Die Frist ist am 27. Juni abgelaufen.
"Angst vor Repressalien"
In der Branche gilt das als sicheres Zeichen, dass die Kommission schon bald gegen Google losschlagen wird - "vermutlich schon Anfang Juli", wie der Vertreter eines Verbandes meint. Er vertritt Firmen, die sich von Google unfair behandelt fühlen und sich bei der Kommission beschwert haben - "weil sie aus Angst vor Repressalien nicht selbst gegen Google vorgehen wollen".
Andere Unternehmen scheren sich nicht um Geheimhaltung. So teilte Kate Sutton, Chefin des britischen Kartendienstes StreetMap, am Montag über ihren Facebook-Account mit, dass die Kommission sie um Erlaubnis gefragt habe, E-Mails und den Inhalt eines Telefonats vom Oktober 2015 zu nutzen. "Will ich Vertraulichkeit?", schrieb Sutton. "Die einfache Antwort lautet: Nein!" StreetMap wirft Google schon seit Jahren vor, seinen eigenen Kartendienst in den Suchergebnissen zu bevorzugen.
Die Kommission wollte die Vorgänge am Dienstag nicht kommentieren. Die Brüsseler Wettbewerbshüter beäugen Googles Werbegeschäft mit Diensten wie AdWords und AdSense aber schon seit Jahren kritisch. Für den Konzern sind die Anzeigen im Umfeld von Suchanfragen die bei weitem größte Geldquelle. Allein im letzten Quartal 2015 brachten sie nach Angaben des Branchendienstes "Advertising Age" rund 19 Milliarden Dollar ein, was rund 90 Prozent von Googles Gesamteinnahmen ausmache.
Sollte die EU-Kommission zu dem Ergebnis kommen, dass Google mit seinen Anzeigen EU-Wettbewerbsrecht verletzt hat, drohen dem Konzern Strafen in Höhe von bis zu zehn Prozent seines Jahresumsatzes. Er lag 2015 bei 74,5 Milliarden Dollar.