Digital Services Act EU-Kommission will US-Techkonzerne notfalls verbannen

EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton
Foto: POOL / REUTERSDie EU-Kommission will sich einen Werkzeugkasten zulegen, mit dem sie die großen US-Techkonzerne notfalls zerlegen oder ihnen die Geschäfte in der EU verbieten kann. EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton sagte am Montag in Berlin: "Wir wollen keine Regulierung gegen jemanden vorschlagen, wir wollen nur Klarheit für alle, unabhängig davon, ob sie in der EU, in den USA oder in China sitzen."
Breton zufolge soll die EU das Recht bekommen, Techkonzerne zum Verkauf oder zur Auflösung ihrer europäischen Ableger zu zwingen, falls ihre Marktdominanz eine Gefahr für Nutzerinnen und Nutzer oder kleinere Konkurrenten darstellt. Auch ein Verbot, in der EU zu operieren, sei in letzter Konsequenz vorgesehen. Am Sonntag hatte bereits die "Financial Times" über die Pläne berichtet .
Niedergeschrieben werden sollen die Befugnisse im Digital Services Act, dem Digitale-Dienste-Gesetz. Es soll die vor 20 Jahren verabschiedete E-Commerce-Richtlinie ersetzen. Voraussichtlich im Dezember will die Kommission einen ersten Entwurf vorlegen. Der muss dann noch durch das Europaparlament und den Ministerrat. Bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes kann es daher noch Jahre dauern.
"Too big to care"
Im September endete die öffentliche Konsultationsphase. Mehr als 3000 Eingaben habe man erhalten, sagte Breton, davon zwei Drittel aus Europa. Eine der Erkenntnisse daraus sei gewesen, dass die Konzerne bereits als "too big to care" angesehen würden - zu groß, um die Sorgen der Öffentlichkeit ernst zu nehmen.
Wohl auch deshalb schwebt Breton eine externe Aufsicht über die Branche vor: "Unabhängige Ratingagenturen zu haben, die genau hinschauen, wie sich ein Unternehmen benimmt, ist sehr hilfreich. Ich persönlich werde alles tun, was ich kann, um sicherzustellen, dass sich alle diese großen Plattformen gut benehmen, dass sie zum Beispiel Steuern zahlen oder illegale Inhalte löschen". Gemeint haben dürfte Breton unter anderem Google, Amazon, Facebook und Apple (GAFA), auch wenn er sie bewusst nicht namentlich erwähnte. Wer diese Ratings durchführen soll, sei aber noch unklar. "Wir haben ein paar Ideen", sagte Breton.
Unangetastet bleiben soll Breton zufolge hingegen das in der bisherigen Richtlinie verankerte Haftungsprivileg der Unternehmen. Die Konzerne sollen auch weiterhin illegale Inhalte erst dann von ihren Plattformen entfernen müssen, wenn sie davon Kenntnis erlangen. Eine Pflicht zur Vorabdurchsuchung schon beim Upload soll es nicht geben. Dieses Prinzip gilt als ein Grundpfeiler des World Wide Web, ohne den es soziale Netzwerke wie Facebook und Videoplattformen wie YouTube heute nicht in dieser Form und Größe gäbe.
"Wir lassen es so, wie es ist", sagte Breton am Montag. Das ist eine gute Nachricht für die Unternehmen wie auch für die Zivilgesellschaft, denn beide Seiten hatten im Vorfeld die Befürchtung geäußert, dass eine Abkehr von dem Prinzip zu einer Einschränkung der Meinungsfreiheit führen würde. Breton will aber klare Vorgaben für eine sorgfältige Prüfung der Plattformbetreiber einführen, damit sie bestimmte illegale Inhalte schnell löschen.