EU-Parlament Justizministerin will Acta-Abstimmung abwarten

Protest gegen Acta (am 4. Februar in Slowenien): Deutschland wartet auf die EU
Foto: SRDJAN ZIVULOVIC/ REUTERSHamburg - Die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten hat das umstrittene Acta-Abkommen zum Schutz geistigen Eigentums bereits unterschrieben, nun soll das internationale Abkommen in den Mitgliedstaaten und vom Europäischen Parlament ratifiziert werden. Doch nach Protesten hat Polen die Ratifizierung vorerst ausgesetzt, ebenso die Slowakei, Tschechien und Lettland.
In Deutschland, das den Acta-Vertrag bisher nur aus formalen Gründen nicht unterschrieben hat, ist das Justizministerium für die Ratifizierung zuständig. Die Ministerin, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), hat nun klargemacht, dass vor einer Entscheidung in Deutschland zuerst das EU-Parlament entscheiden soll. "Es ist gut, dass die Debatte um Acta öffentlich, on- wie offline so engagiert geführt wird", sagte die Justizministerin am Donnerstag.
"Jetzt muss die EU entscheiden, ob sie Acta braucht und will", sagte Leutheusser-Schnarrenberger. "Dazu muss das Europaparlament erst einmal zustimmen. Alle kontroversen Fragen werden auf europäischer Ebene diskutiert und müssen jetzt beantwortet werden." Sie betonte nochmals, dass sich für Deutschland keinerlei gesetzgeberischer Handlungsbedarf wegen Acta ergebe. Deshalb müsse "sich die EU den kritischen Fragen stellen, warum das Abkommen erforderlich ist", so Leutheusser-Schnarrenberger.
Mit anderen Worten: Bevor der Bundestag über Acta abstimmt, soll die Entscheidung der EU-Parlamentarier abgewartet werden.
"Provider werden keine Hilfssheriffs"
Die von Acta-Kritikern befürchteten Maßnahmen gegen Raubkopierer, wie etwa ein Three-Strikes-Modell, die im Acta-Vertragstext nicht aufgeführt sind, soll es demnach nicht geben. "Internetprovider werden keine Hilfssheriffs. Ich will gerade keine Überwachung der Kommunikation im Internet", so die Ministerin.
Genau das aber fürchten Acta-Kritiker wie der EU-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht von den Grünen. "Das Abkommen zielt darauf ab und bestärkt die unterzeichnenden Staaten darin, eine freiwillige Zusammenarbeit zwischen Internetzugangsanbietern und Rechteinhabern einzuführen", so Albrecht. Grüne, Linke und die Sozialdemokraten haben sich kritisch zu Acta positioniert, eine Mehrheit für Acta ist derzeit offenbar nicht sicher. "Das könnte kippen, auch einige Konservative sehen das jetzt kritisch", so Albrecht. Eine Abstimmung wird frühestens im Mai erwartet, womöglich sogar deutlich später.
Die Verhandlungen zu dem internationalen Abkommen waren allein von der EU-Kommission geführt worden. Während dieser Phase wurde das deutsche Wirtschaftsministerium über die Fortschritte informiert. Für die Ratifizierung ist nun allerdings das Justizministerium zuständig.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz twitterte am Donnerstag: "Was @sls_bmj gerade macht, ist Opportunismus pur. In Deutschland #ACTA durchwinken und jetzt Verantwortung auf EP abschieben." Gemeint ist die Justizministerin, das Bundeskabinett hatte Ende November beschlossen, das Acta-Abkommen zu unterzeichnen. Dies scheiterte Ende Januar nur, weil der Botschafter in Japan, wo das Vertragswerk von Vertretern vieler Nationen unterzeichnet wurde, nicht schnell genug autorisiert werden konnte - dies gilt aber nur noch als Formsache.
Am Samstag sollen in mehr als 50 deutschen Städten Proteste gegen das Acta-Abkommen stattfinden. Dazu rufen verschiedene Bündnisse auf, in Hamburg sind zum Beispiel der lokale Chaos Computer Club, die Grünen, die Piratenpartei und der Arbeitskreis gegen Vorratsdatenspeicherung dabei, in Berlin außerdem die Linkspartei und die Digitale Gesellschaft. Vorbild sind die Acta-Proteste in mehreren europäischen Ländern. Besonders heftig wurde in Polen gegen das internationale Handelsabkommen demonstriert.
Zum internationalen Protesttag am Samstag erwarten die Initiatoren Zehntausende Teilnehmer.