Upload-Filter und Leistungsschutzrecht EU-Parlament stimmt für Feenstaub

Die Mehrheit der EU-Abgeordneten hat mit ihrer Zustimmung zur Urheberrechtsreform bewiesen, dass sie das Internet nicht versteht - und an magische Lösungen für technische Probleme glaubt.
Der zuständige Berichterstatter des EU-Parlaments, Axel Voss, feiert seinen Sieg.

Der zuständige Berichterstatter des EU-Parlaments, Axel Voss, feiert seinen Sieg.

Foto: VINCENT KESSLER/ REUTERS

Das einzig Gute an der heutigen Abstimmung im EU-Parlament zum Urheberrecht: Es war nicht die letzte. Das Parlament hat seinen Vertretern ein Mandat erteilt, um gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und der EU-Kommission im sogenannten Trilog eine endgültige Fassung der Reform auszuverhandeln. Über die muss wiederum das Plenum abstimmen. Das ist dann wirklich die finale Chance für die Abgeordneten, technischen Sachverstand zu beweisen.

Am heutigen Mittwoch haben sie das jedenfalls nicht getan, sondern stattdessen

  • die letzte Gelegenheit, Netzkultur durch ein Recht auf Remix oder die Festschreibung der Panoramafreiheit nutzerfreundlich zu gestalten, verstreichen lassen
  • beschlossen, dass Internetplattformen haftbar sind für Urheberrechtsverletzungen durch ihre Nutzer.

Der dritte Punkt ist der potenziell folgenschwerste. Plattformbetreiber dürfen demnach keine von Nutzern hochgeladenen, aber urheberrechtlich geschützten Texte, Fotos, Videos und Audiodateien für andere zugänglich machen. Sie sollen aber möglichst auch keine automatischen Filter einsetzen.

Denn die heftige Debatte um solche sogenannten Upload-Filter ist nicht folgenlos geblieben. Sie wurde nur zu früh beendet. Die Probleme dieser Filter, die alle von Nutzern hochgeladenen Dateien darauf überprüfen, ob sie urheberrechtlich geschützte Musik, Bilder oder Texte enthalten, sind bekannt: Sie unterscheiden nicht zuverlässig zwischen Original, Zitat und Parodie, und sie schlagen schon an, wenn im Video vom Neugeborenen im Hintergrund leise ein Lied zu hören ist.

Die Kommission und die Mitgliedstaaten, so heißt es im heute beschlossenen Änderungsantrag zu Artikel 13, sollen deshalb "so bald wie möglich nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie [...] Dialoge zwischen den Interessenträgern veranstalten, in deren Rahmen bewährte Verfahren festgelegt und harmonisiert werden". Und dabei solle "sichergestellt werden, dass [...…] Inhalte nicht automatisch gesperrt werden".

Nur: Wie denn sonst?

Wie soll zum Beispiel YouTube die mehr als 400 Stunden Videomaterial überprüfen, die dort pro Minute hochgeladen werden, damit sie "nicht zugänglich" für Dritte werden, wenn nicht mit seinem seit Jahren eingesetzten automatischen Erkennungssystem namens Content ID - einem Upload-Filter, dessen Entwicklung mindestens 60 Millionen Dollar gekostet  hat und der trotzdem haarsträubende Fehler macht ? Mit Feenstaub vielleicht?

Es scheint, als ob die Abgeordneten eine magische Lösung politisch erzwingen wollen, weil sie immerhin verstanden haben, dass die technische Lösung eine Gefahr für Meinungsfreiheit, Wettbewerb und Netzkultur darstellt.

Jetzt so zu tun, als sei das Thema Upload-Filter erledigt, ist pure Realitätsverweigerung. Bis zur finalen Abstimmung nach dem Trilog haben die Parlamentarier nun noch Zeit, den Weg aus ihrem Zauberreich zu finden.

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