Tödliche Unruhen in der Vergangenheit Facebook wegen Umgang mit Gewaltaufrufen in Indien unter Druck

Ein Anwohner steht vor verwüsteten Häusern und einem ausgebrannten Haus im Februar 2020 in New Delhi (Archivbild)
Foto: SAJJAD HUSSAIN/ AFPDer US-Internetriese Facebook steht wegen weiterer Enthüllungen zu seinem Umgang mit Gewaltaufrufen und Fake News im wichtigen Markt Indien unter Druck. Wie mehrere US-Medien am Wochenende unter Berufung auf unternehmensinterne Dokumente berichteten, hatte es der Konzern trotz Hinweisen eigener Analysten versäumt, Falschinformationen und Hassnachrichten in seinen indischen Plattformen einzudämmen. Facebook sei sich bewusst gewesen, dass die schwache Moderation seine Plattformen anfällig für Missbrauch ist.
Den Enthüllungen zufolge hatten Facebooks Analysten in Indien einen starken Anstieg von »Gerüchten und Aufrufen zur Gewalt« in den Monaten nach Dezember 2019 festgestellt. In diesem Zeitraum erschütterten religiöse Proteste Indien, die hetzerischen Inhalte stiegen einem Bericht des »Wall Street Journal« zufolge zeitweise um 300 Prozent über das vorherige Niveau an. Besonders schlimm sei es demnach auf dem Facebook-Nachrichtendienst WhatsApp im Februar 2020 zugegangen, als bei Zusammenstößen zwischen Hindus und Muslimen in Indien zahlreiche Menschen starben. Der Konzern habe daraufhin Forscher nach Indien geschickt, um mit Nutzern über ihre Erfahrungen mit dem Algorithmus der Plattformen zu sprechen.
Bereits im Februar 2019 hatten Wissenschaftler zudem ein fiktives Facebook-Profil einer 21-jährigen Nutzerin in Nordindien erstellt. Ohne das Zutun der Forscher wurde das Profil mit »Propaganda« für den hindunationalistisch Regierungschef Narendra Modi sowie »Hassreden gegen Muslime überflutet«, berichtete die »Washington Post« aus einem internen Memo. »Ich habe in den vergangenen drei Wochen mehr Bilder von Toten gesehen als in meinem ganzen Leben zuvor«, schrieb der Forscher, der das Experiment leitete, laut »New York Times«.
Facebook kündigt an, verstärkt gegen Hassbotschaften vorzugehen
Indien ist nach Nutzerzahlen der größte Markt für Facebook. Den Medienberichten zufolge ging aus internen Dokumenten jedoch hervor, dass der größte Teil des Budgets zur Bekämpfung von Desinformation für die USA bestimmt war, obwohl diese weniger als zehn Prozent der Nutzer ausmachen.
Ein Konzernsprecher erklärte, dass das Unternehmen seinen Kampf gegen Hassbotschaften in nicht-englischen Sprachen mittlerweile verstärkt habe. »Hassreden gegen Randgruppen, darunter auch Muslime, nehmen weltweit zu«, und Facebook »verbessert die Durchsetzung seiner Regeln«, um diesem Umstand Rechnung zu tragen, sagte der Sprecher.
Facebook wird bereits von der ehemaligen Produktmanagerin Frances Haugen beschuldigt, eigene Gewinne über die Sicherheit von Menschen zu stellen und dabei verheerende Folgen für Menschen, Demokratie und Gesellschaft in Kauf zu nehmen. Ein weiterer Informant legte vergangene Woche nach und berichtete laut »Washington Post« von internen Diskussionen, in denen die mutmaßliche Einmischung Russlands in die US-Präsidentschaftswahl 2016 über Facebooks Dienste heruntergespielt wurde.
Facebook hat die Vorwürfe entschieden zurückgewiesen. Die Enthüllungen haben aber die Rufe nach einer strengeren Regulierung von Facebook und Internetkonzernen insgesamt verstärkt.