Ämter als Adresshändler Was bedeutet das neue Meldegesetz für mich?

Personalausweis: Ämter dürfen künftig Daten an Adresshändler und Werbefirmen verkaufen
Foto: dapdBerlin - Das neue Meldegesetz entzürnt Datenschützer und Opposition, und jetzt distanziert sich auch das erste Regierungsmitglied: "Nach dem Beschluss des Bundestags sehe ich hier noch Diskussionsbedarf", sagte Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) der "Berliner Zeitung". Das bereits verabschiedete Gesetz sieht vor, dass Meldebehörden die persönlichen Daten der Bürger an Firmen verkaufen dürfen - damit diese sie zu Werbezwecken nutzen können.
Konkret passt Aigner an dem Gesetz die Widerspruchslösung nicht. "Im Entwurf der Bundesregierung war aus guten Gründen eine Einwilligungslösung vorgesehen", sagte sie. Das bedeutet: Verbraucher sollten ausdrücklich zustimmen, dass Meldebehörden ihre persönlichen Daten zu Werbezwecken weitergeben dürfen. "Diese Einwilligungslösung halte ich nach wie vor für den besseren Weg." Beschlossen ist allerdings die Widerspruchslösung, das heißt: Künftig dürfen Daten nur dann nicht herausgegeben werden, wenn der Einzelne ausdrücklich widersprochen hat.
Auch der Deutsche Städtetag lehnt das neue Meldegesetz ab: "Unser Interesse geht nicht dahin, mit Adressen zu handeln", sagt der stellvertretende Städtetag-Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy in der Montagsausgabe der "Süddeutschen Zeitung", wie das Blatt vorab berichtet. Ein Entgegenkommen gegenüber Adresshändlern hält er für problematisch.
Am Samstag hatten bereits die SPD und Datenschützer das neue Gesetz heftig kritisiert: Es sei "gesetzlicher Wahnsinn", sagte Thilo Weichert, der Leiter des unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz in Schleswig-Holstein. Auch SPD-Parteichef Sigmar Gabriel findet den Verkauf staatlicher Daten nicht akzeptabel - und kündigte Widerspruch im Bundesrat an.
Nach bisherigem Plan tritt das Gesetz 2014 in Kraft. Aber was geschieht dann genau mit den Meldedaten der Bürger? Ein Überblick über die wichtigsten Fragen und Antworten:
- Wieso gibt es jetzt die Aufregung?
Die Frage ist: Unter welchen Bedingungen dürfen Ämter Daten nach draußen geben, wenn sie für Werbung oder den Handel mit Adressen verwendet werden sollen? Der ursprüngliche Gesetzentwurf vom vergangenen November sah eine verbraucherfreundliche Regelung vor: Ohne Einwilligung des Betroffenen hat niemand Zugriff auf die Daten - die Behörde hätte also beim Bürger nachfragen müssen. Doch im zuständigen Innenausschuss setzten CDU, CSU und FDP gegen die Oppositionsparteien eine Änderung durch, welche die Regelung quasi ins Gegenteil verkehrt. Diese neue Formulierung kritisiert nun pikanterweise auch die CSU-Ministerin Aigner.
- Was genau sieht der Gesetzentwurf jetzt vor?
In der neuen Fassung (Paragraf 44) heißt es, dass die Daten grundsätzlich weitergegeben werden dürfen - es sei denn, der Betroffene hat dem ausdrücklich widersprochen, zum Beispiel bei der Anmeldung auf dem Bürgeramt. Dazu wurde ein Passus eingefügt, der dieses Widerspruchsrecht sogar noch weiter einschränkt: "Dies gilt nicht, wenn die Daten ausschließlich zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten verwendet werden." Führt der Adresshändler die Person also bereits in seiner Datenbank und möchte jetzt wissen, ob die Angaben noch aktuell sind, erteilt das Amt Auskunft. Widerspruch zwecklos - zumindest beim Amt.
- Wieso gibt es ein neues Meldegesetz?
Bislang war das Meldewesen auf Länderebene geregelt, nach einem Rahmengesetz des Bundes (Melderechtsrahmengesetz, MRRG). Mit der Föderalismusreform im Jahr 2006 ist das Melderecht allerdings auf den Bund übergegangen. Das Gesetz soll nun die neuen Zuständigkeiten regeln.
- Wie war der Datenschutz bisher gefasst?
Auch heute schon können Unternehmen persönliche Daten beim Amt erfragen und abgleichen - solange der Betroffene dem nicht widersprochen hat. Die Meldeämter sind verpflichtet, die Bürger bei der Anmeldung auf ihr Widerspruchsrecht aufmerksam zu machen. Einen Vordruck für den Widerspruch kann man beim Amt bekommen.
- Welche Daten dürfen die Meldeämter überhaupt weitergeben?
Privatpersonen und nicht-öffentliche Einrichtungen dürfen Auskunft bekommen über: Familienname, Vorname, Doktortitel und aktuelle Anschrift. Auch über den Tod einer Person würden sie informiert werden. Beim Meldeamt liegen noch viele weitere Angaben vor, zum Beispiel das Geschlecht, der Familienstand, die Staatsangehörigkeit oder die Religion. Diese Daten sind gegen Weitergabe geschützt.
- Wie können sich Bürger gegen die Weitergabe wehren?
Nach der bisher gültigen Regelung können Betroffene gleich bei der Anmeldung eine Widerspruchserklärung ausfüllen. Außerdem sind die Meldeämter verpflichtet, den Bürgern darüber Auskunft zu erteilen, an wen welche Daten weitergegeben wurden. Beispielsweise bei den Verbraucherzentralen gibt es Musterbriefe, mit denen man direkt beim Unternehmen der Datenverwendung zu Werbezwecken widersprechen kann.
- Wie geht es nun weiter?
Im Herbst will der Bundesrat über den Gesetzentwurf beraten. Die Oppositionsparteien haben angekündigt, mit ihren Stimmen die Vorlage in der Länderkammer zu stoppen. Bei der Abstimmung im Bundestag Ende Juni war der Widerstand gering - zeitgleich lief das EM-Halbfinale Deutschland gegen Italien.