Französischer Vorstoß EU-Kommission zieht "Google-Steuer" in Zweifel

Die Europäische Kommission behält sich vor, eine etwaige "Google-Steuer" auf Online-Werbeeinahmen zu prüfen. Es müsse sichergestellt werden, dass dadurch Wettbewerb nicht gestört werde. Eine gefährliche Marktdominanz des Suchmaschinenkonzerns kann man bei der EU nicht erkennen.
Google: Ärger aus Frankreich, Rückendeckung aus Brüssel

Google: Ärger aus Frankreich, Rückendeckung aus Brüssel

Foto: AFP

Brüssel - In der Debatte über eine Besteuerung des US-Konzerns Google sieht die EU-Kommission keinen Anlass zu handeln. "Ein Unternehmen darf durchaus eine dominante Position auf dem Markt haben - es gibt erst dann ein Problem, wenn es diese dominante Position missbraucht", sagte ein Kommissionssprecher am Freitag in Brüssel. Die französische Regierung habe die EU-Kommission über ihre Pläne für eine "Google-Steuer" bislang nicht informiert. Die Brüsseler Behörde wacht über den freien Wettbewerb in Europa. Ein EU-Sprecher sagte, man würde eine solche Abgabe, sollte sie tatsächlich gesetzlich verankert werden, zuvor prüfen, und zwar unter dem Gesichtspunkt staatlicher Hilfen für bestimmte Branchen.

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hatte sich am Vortag dafür ausgesprochen, die Wettbewerbshüter einzuschalten, um die dominante Stellung von Google auf dem Online-Werbemarkt zu überprüfen. Zudem sprach er sich für die Einführung einer "Google-Steuer" bei Werbung auf Suchmaschinen und Internetportalen aus, um von den Einnahmen bei Online-Werbung zu profitieren: "Derzeit müssen diese Unternehmen in den Ländern Steuern zahlen, in dem sie ihren Hauptsitz haben, obwohl sie einen großen Teil unseres Werbemarktes bilden." Ein französischer Sprecher von Google hielt dem entgegen, Online-Werbung mache insgesamt nur etwa zehn Prozent des gesamten französischen Werbemarktes aus.

Google   kassiert mehr als 40 Prozent aller weltweit erzielten Online-Werbeeinnahmen (siehe Tabelle unten), vor allem mit Textanzeigen auf der Suchseite selbst und mit dem Anzeigenprogramm AdSense, mit dem auch andere Seitenbetreiber, etwa Blogger, ihre Seiten einfach mit Werbung bestücken können.

"Bereicherung ohne Grenzen oder Gegenleistung"

Frankreich hatte jüngst beschlossen, Internetangebote mit millionenschweren Subventionen zu fördern. Dabei sind neben Hilfen für die Web-Auftritte von Presse- und Medienhäusern auch Unterstützungen für Anbieter von online vertriebener Musik und Filmen sowie elektronischen Büchern geplant - diese Ausgaben sollen möglicherweise mit der "Google-Steuer" querfinanziert werden. In diesem Jahr braucht das Ministerium dafür rund 50 Millionen Euro, für 2011 und 2012 sind jeweils 35 bis 40 Millionen Euro vorgesehen. Allein die französischen Online-Medien sollen insgesamt 60 Millionen Euro bekommen. Die gesamte französische Presse kann in diesem Jahr mit Hilfszahlungen von 900 Millionen Euro rechnen.

Wie die von einer Kommission vorgeschlagene Steuer konkret aussehen soll, war bislang nicht zu erfahren. Es geht aber offenbar um eine Abgabe für Unternehmen, die mit Online-Werbung Geld verdienen. Den Plänen zufolge würde die neue Steuer Firmen auch dann betreffen, wenn sie in Frankreich keine Niederlassung unterhalten. Laut der Zeitung "Liberation" käme es ausschließlich darauf an, dass "der Benutzer, der auf eine Bannerwerbung oder eine Textanzeige klickt, sich in Frankreich befindet".

Von der nun erwogenen Steuer wäre nicht nur der Marktführer betroffen, sondern auch Konkurrenten wie Microsoft   und Yahoo  . Unklar ist, ob außer Suchmaschinen auch andere Firmen, die im Netz Werbung zeigen, zahlen sollen, etwa Verlagsangebote. Das Einziehen von Werbesteuern von allen in Frankreich verfügbaren werbefinanzierten Internetangeboten wäre jedenfalls eine Herkulesaufgabe.

Die Tageszeitung "Liberation" zitiert einen der Autoren des Vorschlags mit den Worten, die Regelung könne der "Bereicherung ohne Grenzen oder Gegenleistung" durch die Web-Konzerne ein Ende setzen. Gesagt haben soll das Guillaume Cerutti, der Chef des französischen Ablegers des Auktionshauses Sothebys und ein Mitglied der von der Regierung eingesetzten Kommission. Neben ihm sitzen auch Jacques Toubon, ein ehemaliger Minister, und Patrick Zelnik, ehemals Manager in der Musikbranche in dem Gremium. Zelnik hat Reuters zufolge unter anderem die Musik der Präsidentengattin Carla Bruni-Sarkozy produziert.

Sarkozy, Frankreichs starker Mann im Internet?

Betreibern von Suchmaschinen und Aggregatoren wird immer wieder vorgeworfen, sie profitierten von den Inhalten, die andere Unternehmen erstellten. Das Gegenargument lautet stets: Die Suchmaschine bringt Internetangeboten ja neue Kundschaft - und der kann man dann Werbung zeigen oder sie gar zum Geldausgeben überreden.

Frankreich hat sich in den vergangenen Monaten immer wieder durch ungewöhnliche Ansätze hervorgetan, um den Problemen zu begegnen, die diversen Branchen durch das Internet entstehen. Ein neues Gesetz gegen illegale Musik- und Film-Downloads sieht vor, dass Nutzer, die wiederholt dabei erwischt werden, mit dem Entzug ihres Internetzugangs bestraft werden. Präsident Sarkozy gibt sich gern als Verteidiger der kulturellen Identität seines Landes in Zeiten der digitalen Globalisierung. Erst kürzlich rief er dazu auf, Konkurrenzprojekte zu Googles Online-Bibliothek Google Books zu unterstützen.

In diesem Punkt ist sich Sarkozy mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einig. Die Bundesregierung hat kürzlich erst bekräftigt, man brauche eine deutsche Digitalbibliothek - die ganz explizit eine Alternative zu Google Books sein soll.

Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag auch Maßnahmen angekündigt, um der deutschen Medienlandschaft in Zeiten des Medienwandels zu helfen. Ein sogenanntes Leistungsschutzrecht für Verlage soll es ermöglichen, einfacher und möglicherweise auch auf völlig neue Weise Kompensation für die Nutzung von Inhalten im Netz zu erlangen. Gedacht ist das Leistungsschutzrecht als Basis für eine Art Online-Gema - die dann für die Benutzung von Texten oder anderen Inhalten im Netz auf ähnliche Weise Gebühren erheben könnte wie die Gema das für im Radio oder live gespielte Songs tut. Die würden dann allerdings nicht vom Staat eingezogen, sondern von einer noch zu gründenden Verwertungsgesellschaft.

cis/dpa/AFP/Reuters
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