Internet-Protestgruppe Britischer Geheimdienst griff Anonymous-Aktivisten an

Der britische Geheimdienst GCHQ ist gegen das Web-Kollektiv Anonymous vorgegangen. Laut NBC News zeigen Dokumente, dass die Agenten Chats von Demonstranten lahmgelegt haben. Mindestens zwei Hacker landeten im Gefängnis.
Anonymous-Protest (Archivbild): Loser Zusammenschluss von Aktivisten mit unterschiedlichen Zielen

Anonymous-Protest (Archivbild): Loser Zusammenschluss von Aktivisten mit unterschiedlichen Zielen

Foto: JEAN-PHILIPPE KSIAZEK/ AFP

Hamburg - Agenten des britischen Geheimdienstes GCHQ haben Chat-Räume von Anonymous-Aktivisten lahmgelegt und dabei geholfen, Hacker zu identifizieren. Das geht aus Dokumenten hervor, die Edward Snowden kopieren konnte. Der US-Nachrichtensender NBC News hat sie nun veröffentlicht. 

Die Präsentation aus dem Jahr 2012 zeigt, dass sich eine bisher unbekannte Einheit des britischen Geheimdienstes namens Joint Threat Research Intelligence Group für den Protest von Anonymous gegen Finanzdienstleister interessierte. Die Firmen hatten Zahlungen an WikiLeaks eingestellt und wurden zum Ziel von Online-Blockaden.

Zum einen spähte der Geheimdienst mehrere Hacker aus, die sich bei Anonymous-Protesten engagierten. Strafverfolger bekamen Tipps vom Geheimdienst, mindestens zwei Hacker (G-Zero und Topiary) landeten daraufhin im Gefängnis. G-Zero soll mit Hilfe von Trojanern persönliche Daten und Zugangscodes von Millionen von Nutzern ausgespäht haben.

"Donnergrollen" gegen Aktivisten

Topiary trat als Sprecher der Hackergruppe LulzSec auf, die Sicherheitslücken bei großen Unternehmen und Organisationen öffentlichkeitswirksam ausnutzte. Im Juli 2011 wurde der damals 18-Jährige festgenommen. Operation Wohlstand nannte der Geheimdienst sein Vorgehen gegen die meist jungen Hacktivisten.

Das Ausspionieren mutmaßlicher Krimineller war aber nur der Anfang - der Geheimdienst beließ es nicht dabei, Einzelne zu identifizieren. So legte der GCHQ Chat-Räume von Anonymous zeitweise komplett lahm, mit Hilfe von massenhaften Abfragen. Rolling Thunder, Donnergrollen, nennt der Geheimdienst seine Denial-of-Service-Attacke.

Offenbar war der staatliche Angriff erfolgreich: Die Agenten zeigen einen Chat-Auszug und Twitter-Nachrichten, in denen Anonymous-Anhänger von Problemen mit ihrem Chat-Netzwerk berichten. "irc anonops is tango down", ist eine der Nachrichten. Anonops bezeichnet einen der Treffpunkte des Web-Kollektivs, in dem man sich zu Protesten verabredet hatte.

"Unterlassen Sie das bitte"

Außerdem hat die geheime Joint Threat Research Intelligence Group laut den Folien  Kontakt mit Anonymous-Anhängern aufgenommen. Über Facebook, Twitter, E-Mail und Instant-Messenger verschickten die Agenten Botschaften: "DDoS und Hacken ist illegal, unterlassen Sie das bitte." 80 Prozent der so Angesprochenen sollen einen Monat später nicht mehr in den Chat-Räumen zu finden gewesen sein.

Nach der Enthüllung steht nun die Frage im Raum, ob ein Geheimdienst bei der Unterdrückung einer Internet-Protestbewegung helfen sollte. Die Anonymous-Forscherin Gabriella Coleman geht davon aus, dass neben ein oder zwei Dutzend mutmaßlichen Gesetzesbrechern mehrere tausend Aktivisten von den Geheimdienstoperationen betroffen waren. Gegenüber NBC News spricht Coleman von einem erschreckenden Beispiel für eine Überreaktion, um politischen Protest zu unterdrücken.

Anonymous-Anhänger protestieren unter anderem gegen Scientology und engagierten sich bei Occupy Wallstreet. Oftmals völlig legal, manchmal mit zivilem Ungehorsam, in einzelnen Fällen auch mit Hackerangriffen. Gegenüber NBC News fand ein ehemaliger Berater der Bush-Regierung in den USA, Jason Healey, ein einfaches Wort für das Vorgehen des mächtigen Geheimdienstes gegen jugendliche Hacker: "dumm".

ore
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