Google-Konkurrent "Sputnik" Kreml entwickelt eigene Suchmaschine

Kreml in Moskau: Eigene Suchmaschine für Putins Regierung?
Foto: Ivan Sekretarev/ APAn die Versuche der Konkurrenz, die besten Programmierer abzuwerben, haben sie sich bei Yandex gewöhnt, Russlands größtem Suchmaschinenbetreiber. Yandex erreicht in Russland einen Marktanteil von rund 60 Prozent und hat bislang alle Angriffe von Google (derzeit 26 Prozent) abgewehrt. Die Headhunter aber, die seit geraumer Zeit Yandex-Mitarbeiter und Absolventen der Yandex-Schule für Datenanalyse ansprechen, werden nicht von der US-Konkurrenz bezahlt. Ihre Auftraggeber sitzen, so berichtet die angesehene Moskauer Tageszeitung "Wedomosti", im Kreml.
Die staatseigene Telefongesellschaft Rostelekom hat ein Team zusammengestellt, das ab dem kommenden Jahr Yandex und Google in Russland Marktanteile abjagen soll. "Sputnik" soll die staatlich betriebene Suchmaschine heißen, benannt nach dem ersten Satelliten, den die Sowjets 1957 ins Weltall schossen und damit die USA demütigten. "Sputnik" könnte womöglich staatliche Starthilfe bekommen und auf den Rechnern von Millionen Staatsbediensteten installiert werden.
Der Kreml will verhindern, dass Yandex in ausländische Hände fällt
Russlands Suchmaschinen-Markt ist finanziell attraktiv. Yandex machte im vergangenen Jahr rund eine Milliarde Dollar Umsatz, 44 Prozent mehr als 2011. Der Gewinn lag - vor Abzug von Zinsen und Steuern - bei sagenhaften 400 Millionen Dollar. Die Branche ist aber nicht nur wirtschaftlich interessant, sondern wegen der wachsenden Reichweiten politisch sensibel. Über 70 Millionen Russen nutzen das Internet, mehr als in jedem anderen europäischen Land. Mit seiner Startseite yandex.ru, auf der auch Nachrichten präsentiert werden, erreicht die Suchmaschine inzwischen Tag für Tag ähnlich viele Menschen wie der TV Sender Erster Kanal. Anders als die Internetfirma aber sind die großen TV-Stationen allesamt in der Hand des Kreml.
Die Sputnik-Pläne schüren in Moskau Befürchtungen, Russlands Führung wolle so womöglich Yandex' Einfluss beschneiden und das Runet - das russische Segment im Internet - stärker kontrollieren. Russland hat im vergangenen Jahr umfassende Kontrollen im Internet eingeführt. Um die Kontrolle des sozialen Netzwerks VK.com ist ein Machtkampf zwischen dem Gründer und einem geheimnisvollen Großinvestor mit Verbindungen zum Kreml entbrannt.
Yandex wird von seinem Gründer Arkadij Wolosch kontrolliert, die größten Aktienpakete gehören den Mitarbeitern und mehreren Investmentfonds. Das staatliche Geldhaus Sberbank besitzt eine goldene Aktie. Sie berechtigt, den Verkauf von mehr als 25 Prozent der Firma zu blockieren. Der Kreml will damit verhindern, dass Yandex in ausländische Hände fällt. Die Firma sei von "strategischer Bedeutung", hat Yandex-Chef Wolosch dem SPIEGEL gesagt, ähnlich wie Gazprom, Pipeline-Betreiber oder Telefongesellschaften.
Experten zweifeln an einem schnellen Erfolg
Im operativen Geschäft aber pflegt Yandex eine gewisse Dissidenz. Das Unternehmen protestierte öffentlich, als der Kreml im vergangenen Jahr im Eiltempo ein Gesetz zur Sperrung von Webseiten durch das Parlament paukte. Das Gesetz richtet sich gegen Kinderpornos und "Drogenpropaganda" im Internet, "kann aber missbraucht werden", hieß es von Yandex.
Das war nicht das einzige Mal, dass Yandex mit der Staatsmacht über Kreuz lag. Als Putin-Anhänger Oppositionsführer Alexej Nawalnij mit fingierten Kontoauszügen des elektronischen Zahlungssystems Yandex Money in Misskredit bringen wollten, entlarvte die Firma die Dokumente als Fälschungen. Der im Sommer verstorbene Yandex-Mitbegründer Ilja Segalowitsch engagierte sich für die Opposition.
Völlig neu sind die "Sputnik"-Pläne nicht. Die Kreml-Verwaltung arbeitet seit Jahren am Konzept für eine staatliche Suchmaschine. Der Abgeordnete und Oppositionspolitiker Ilja Ponomarjow glaubt, dass die Idee nach dem August-Krieg gegen Georgien 2008 geboren wurde - weil damals viele Artikel auf den Nachrichtenseiten von Google und Yandex der Linie des Kreml und des Staatsfernsehens widersprachen.
Moskauer Internet-Experten zweifeln allerdings an einem schnellen Erfolg von "Sputnik". Die Investitionssumme von 20 Millionen Dollar sei viel zu gering, um Yandex mit seinen mehr als 3500 Mitarbeitern den Rang abzulaufen. Zumal die Kriegskassen des Marktführers gut gefüllt sind. Der Börsengang in New York hat Yandex 1,3 Milliarden Dollar eingebracht.