Googeln nach Politikern und Parteien Sehe ich andere Suchergebnisse als meine Nachbarn?

Produzieren Google-Suchergebnisse zur deutschen Politik eine Filterblase? Dieser Frage sind Forscher zur Bundestagswahl 2017 nachgegangen - mit der Hilfe von SPIEGEL-ONLINE-Lesern. Nun stehen die Ergebnisse fest.
Silhouetten vor Google-Logo

Silhouetten vor Google-Logo

Foto: Dado Ruvic/ REUTERS

Vor etwa einem Jahr gab es hier auf SPIEGEL ONLINE einen Aufruf: Forscher von AlgorithmWatch baten die Leser vor der Bundestagswahl um eine "Datenspende", um herauszufinden, inwieweit sich die Suchergebnisse auf Google in Bezug auf Politiker und Parteien von Nutzer zu Nutzer unterscheiden. Das Projekt wurde im Auftrag von acht Landesmedienanstalten durchgeführt. Nun liegen die Ergebnisse des Experiments vor, der Abschlussbericht ist hier einsehbar (PDF) .

Mehr als 1500 Freiwillige nahmen an dem Projekt teil. Sie luden sich eine entsprechende Browser-Erweiterung herunter und erlaubten ihr, alle vier Stunden automatisiert eine Suchanfrage an Google und Google News zu schicken. Gesucht wurde dabei sowohl nach Parteien (CDU, CSU, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und AfD) als auch nach einzelnen Politikern (Angela Merkel, Martin Schulz, Christian Lindner, Katrin Göring-Eckardt, Cem Özdemir, Sahra Wagenknecht, Dietmar Bartsch, Alice Weidel und Alexander Gauland).

Anhand der Suchergebnisse sollten Fragen beantwortet werden wie: Sehen die Benutzer unterschiedliche Dinge, wenn sie sich vor der Wahl über Politik informieren? Inwieweit sind die Suchergebnisse personalisiert? Bewegen wir uns schon bei der Suche womöglich in einer politischen Filterblase?

Etablierte Medien dominieren die Schlagzeilen

Die kurze Antwort: Nein. Zumindest, was die Gruppe angeht, die an dem Projekt teilgenommen hat. Für ihre Untersuchung konnten die Forscher einen bereinigten Datenbestand von acht Millionen Datensätzen auswerten. Zwar sind die Ergebnisse nicht repräsentativ, aber sie lassen Muster erkennen - und liefern keine Hinweise auf Filterblasen mit politischen Inhalten.

Bei der Suche nach Parteien führen die meisten Ergebnisse auf der ersten Google-Seite auf Webseiten, deren Inhalte die Parteien selbst kontrollieren, zum Beispiel die Web-Präsenzen der Parteien oder Profile in sozialen Medien. Dabei ist den Wissenschaftlern aufgefallen, dass die einzelnen Parteien "sehr unterschiedlich gut darin" sind, die von ihnen kontrollierten Inhalte auf die erste Ergebnisseite bei Google zu bringen. So führen bei den Grünen mehr als 80 Prozent der Treffer zu den Grünen selbst, etwa zu entsprechenden Social-Media-Profilen - oder aber zum Wikipedia-Eintrag der Partei. Auch bei der Linken führen stattliche 82 Prozent der Treffer zu Seiten, über deren Inhalt die Partei selbst bestimmen kann. Bei SPD und CDU sind es derweil je 52 Prozent, im Fall der AfD nur knapp 27 Prozent.

Die Schlagzeilen von Google sind nach den Erkenntnissen der Forscher dominiert von etablierten Medien: Mit großem Abstand (80 Prozent) finden sich dort Beiträge von Online-Ablegern klassischer deutscher Printmedien. Zwölf Prozent entfallen auf Medien, die es nur online gibt; Inhalte aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk machen demnach nur vier Prozent der Google-Schlagzeilen aus.

Nur eine bestimmte Nutzergruppe bekam andere Ergebnisse

Die Suchergebnisse, die Google unterschiedlichen Nutzern auf die Suchanfrage nach den Politikern ausspuckte, waren grundsätzlich sehr ähnlich. Etwas mehr Unterschiede gab es bei der Suche nach Parteien, was die Forscher allerdings auf die Regionalisierung zurückführen. So wurden beispielsweise Webseiten von Ortsverbänden der Parteien angezeigt. Überhaupt wurde der Standort eines Nutzers als wohl einer der wichtigsten Faktoren dafür ausgemacht, dass sich ein Suchergebnis von anderen unterschied.

Und noch eine Einstellung scheint ausschlaggebend zu sein: Fast täglich und zu fast jeder Tageszeit stießen die Forscher auf eine kleine Gruppe von Personen, die doch recht andere Suchergebnisse bekamen. Lange konnte sich AlgorithmWatch nicht erklären, woran das lag. Doch sie haben eine These: "Die wahrscheinlichste Erklärung dafür findet sich in einer vom Nutzer im Google-Account vorgenommenen Einstellung einer anderen Suchsprache", heißt es im Bericht, etwa Englisch oder Französisch.

Die vieldiskutierte Filterblase schon bei der Websuche ist also nach Ansicht der Forscher insgesamt viel kleiner als angenommen. Allerdings schreib Sigfried Schneider, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM), im Vorwort zum Bericht: "Die Studie war nur eine Momentaufnahme. Bereits morgen können die Ergebnisse anders aussehen."

juh
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