Web-Überwachung durch die NSA 29-jähriger Techniker verriet Spähprogramm Prism

Whistleblower Snowden: "Ich glaube nicht, dass ich mein Zuhause jemals wiedersehen werde."
Foto: REUTERS/ Ewen MacAskill/ The GuardianLondon - "Ich will nicht in einer Gesellschaft leben, die so etwas macht", sagt Edward Snowden. "So etwas", damit meint er das geheime Ausspähen von Internetdiensten, wie es die National Security Agency (NSA) seit 2007 getan hat. Snowden war die vergangenen vier Jahre als Mitarbeiter externer Unternehmen wie Dell in dem US-Geheimdienst tätig - jetzt hat ihn die britische Zeitung "Guardian" als Quelle hinter den Berichten über die Internet-Überwachung präsentiert. Auch die "Washington Post" benannte Snowden als Quelle.
Die Identität des 29-jährigen Technikers werde auf dessen Bitten preisgegeben, so der "Guardian". Laut den von Snowden enthüllten Dokumenten vom April diesen Jahres sammelt der US-Geheimdienst in großem Stil Daten bei Internet-Diensten wie Google, Facebook, Microsoft, Yahoo und Apple.
"Ich will nicht in einer Welt leben, in der alles was ich mache und sage aufgenommen wird", fuhr Snowden fort. "Sie haben keine Ahnung, was alles möglich ist."
Die "Washington Post" und der "Guardian" hatten mehrere Seiten mit Grafiken aus einer internen Präsentation veröffentlicht, die den Fluss von Informationen an die NSA im Rahmen von Prism zeigen. Aus der Präsentation geht hervor, dass die Datensammlung Schritt für Schritt auf immer mehr Internetunternehmen ausgeweitet wurde. Die Konzerne bestreiten aber, den Behörden im Rahmen des Programms einen direkten Zugang zu ihren Systemen zu gewähren.
Die "New York Times" berichtete an Samstag von Systemen für diese Datenübergabe durch Prism. So sei zumindest mit Google und Facebook über "separate, sichere Portale" dafür verhandelt worden, zum Teil auf Servern der Unternehmen. Der Bericht ließ offen, ob diese Ideen umgesetzt wurden.
"Ich kann ihre Mails, Passwörter, Gesprächsdaten bekommen"
Snowden beschrieb im "Guardian" eine noch größere Dimension der Datensammlung, als die von ihm enthüllten Dokumente andeuten: "Die NSA hat eine Infrastruktur aufgebaut, die ihr erlaubt, fast alles abzufangen." Damit werde der Großteil der menschlichen Kommunikation automatisch aufgesaugt. "Wenn ich in ihre E-Mails oder in das Telefon ihrer Frau hineinsehen wollte, müsste ich nur die abgefangenen Daten aufrufen. Ich kann ihre E-Mails, Passwörter, Gesprächsdaten, Kreditkarteninformationen bekommen."
Snowden ist mit den Dokumenten nach Hongkong geflohen und sprach dort mit der britischen Zeitung. Er ist sich über die Konsequenzen seines Handelns bewusst. "Nichts Gutes", lautete seine Antwort auf die Frage, was mit ihm weiter passieren werde. Er gehe davon aus, dass er nie wieder mit seiner Familie oder seinen Freunden Kontakt aufnehmen könne. Seine Hoffnung sei, dass ihn die Regierung von Hongkong nicht ausliefern werde, auch wenn ihm das Risiko einer Gefängnisstrafe von Anfang an bewusst gewesen sei. "Ich glaube nicht, dass ich mein Zuhause jemals wiedersehen werde."
NSA-Chef: Enthüllungen waren "leichtfertig"
James Clapper, der oberste Geheimdienstchef der USA, hatte am Sonntag die Enthüllungen in den Medien um Prism als "leichtfertig" und durchsetzt mit "bedeutenden Fehldarstellungen" kritisiert. Das Programm sei legal, nicht gegen US-Bürger gerichtet und habe die USA vor Bedrohungen geschützt, betonte Clapper. Die Medien hätten wichtige Informationen außer Acht gelassen, etwa die Intensität, mit der die Überwachungsprogramme von allen drei Staatsgewalten beaufsichtigt würden. "Prism ist kein geheimes Programm zum Sammeln oder Aufsaugen von Daten", so Clapper. "Es ist ein internes Computersystem der Regierung."
Aufgrund der Geheimhaltung könne er nicht alle Ungenauigkeiten in der Berichterstattung korrigieren, meinte Clapper weiter. Er habe aber einige Informationen freigegeben, um manche verbreiteten "Mythen" zerstören zu können. Das dreiseitige Dokument schildert unter anderem, dass mit Prism keine Daten erfasst worden seien, ohne dass es die beteiligten Unternehmen gewusst hätten.
Auch die Chefs von Google und Facebook wiesen mit Nachdruck den Vorwurf zurück, dem US-Geheimdienst uneingeschränkten Zugang zu Nutzerdaten zu gewähren. "Wir sind keinem Programm beigetreten, das der US-Regierung oder jeder anderer Regierung direkten Zugang zu unseren Servern gewähren würde", schrieb Google-Mitgründer Larry Page in einem Blogeintrag. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg äußerte sich ähnlich und versicherte, dass sein Online-Netzwerk sich gegen jede Anfrage nach freiem Daten-Zugang "aggressiv" gewehrt hätte.
Der Fall Prism erinnert an die Enthüllungen durch WikiLeaks und deren Gründer Julian Assange. Die Plattform hatte unter anderem geheime Daten zu den Kriegen in Afghanistan, Irak und diplomatischen Schriftverkehr der USA publik gemacht. Assange hält sich wegen eines Verfahrens in Schweden wegen sexueller Belästigung in der ecuadorianischen Botschaft in London auf. Dem WikiLeaks-Informanten Bradley Manning wird derzeit vor einem US-Militärgericht der Prozess gemacht. Er soll mit der Weitergabe von hunderttausenden Dokumenten Feinden der USA geholfen haben. Ihm droht lebenslange Haft.
Die angebliche Zusammenarbeit britischer Geheimdienste bei der Internet-Überwachung im Prism-Programm der USA zieht auch in Großbritannien Kreise. Außenminister William Hague will dazu am Montag eine Stellungnahme im Parlament abgeben. Britische Presseberichte, wonach der GCHQ (Government Communications Headquarters) seit Juni 2010 Zugriff auf das US-Programm gehabt habe, haben in Großbritannien einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.