Gesetz gegen Hassrede So will Maas Facebook und Co. büßen lassen

Heiko Maas
Foto: Sean Gallup/ Getty ImagesJetzt sind sie alle dagegen. Die Bürgerrechtler, die Netzaktivisten, und die Tech-Giganten aus dem Silicon Valley sowieso. Seit Montag erheben nun auch die mächtigen Lobby-Verbände der Medienbranche den Zeigefinger. Der Zeitschriftenverband VDZ warnt, das von Bundesjustizminister Heiko Maas geplante Gesetz gegen Hassrede sei nichts weniger als die "staatliche Einsetzung privater Meinungspolizei".
Selbst die Amadeu-Antonio-Stiftung, die ihrerseits gegen Hassrede im Internet vorgeht und von rechter Seite selbst als Meinungspolizei verunglimpft wird, warnt vor "einer faktischen Einschränkung der Meinungsfreiheit". Manche ziehen schon Parallelen zu den großen Protestbewegungen der Netz-Szene, Stichworte: "Zensursula", Acta.
Es geht also mit vereinten Kräften gegen ein Vorhaben, das offiziell Netzwerkdurchsetzungsgesetz heißt und mit dem SPD-Minister Maas Plattformen wie Facebook, YouTube und Twitter dazu bringen will, illegale Inhalte schnell und gründlich zu entfernen. Seine Hebel: Die Konzerne sollen verpflichtet werden, "offensichtlich" rechtswidrige Inhalte binnen 24 Stunden zu löschen, Kopien illegaler Inhalte zu entfernen, Zahlen zum Umgang mit Nutzerbeschwerden herauszurücken - ansonsten drohen Bußgelder in Höhe von bis zu 50 Millionen Euro.
Im Eiltempo durch den Bundestag
Am Mittwochvormittag hat das Bundeskabinett die Vorlage beschlossen: Dann geht sie im Eiltempo in den Bundestag, damit das Gesetz doch noch irgendwie vor Sommerpause und Wahlkampf beschlossen werden kann.
Die Hauptkritik an dem Gesetz, die insbesondere in den letzten Tagen laut wird, zielt auf eine mögliche Beschneidung der Meinungsfreiheit im Internet. Die Argumentation der Kritiker: Die Entscheidung über legal und illegal werde in die Hände der Plattformbetreiber gelegt und daher könnte womöglich viel zu viel gelöscht werden, nicht nur das, was wirklich illegal ist.
"Hohe Belastung für die Plattformen"
Diese Sorge formuliert etwa Google ganz ausdrücklich, der Konzern spricht von der Gefahr des "overblocking". Als YouTube-Chefin Susan Wojcicki vergangene Woche in Berlin war, nannte sie die geplanten Bußgelder "eine hohe Belastung für die Plattformen". Aus Angst davor könnte das Gesetz dazu führen, "dass zu viel zensiert wird, dass Plattformen Inhalte entfernen, die nicht entfernt werden sollten".
Im Ministerium hält man das für Panikmache. Man verweist darauf, dass das Gesetz vor allem bestehende Löschpflichten konkreter formuliert, und keine neue Pflichten schafft. Tatsächlich sind Plattformen schon jetzt verpflichtet, Inhalte zu löschen, die in Deutschland illegal sind - wenn sie darauf hingewiesen werden. Nur bleibt ein Versäumnis ihrerseits bislang meist ohne Folgen.
Nach SPIEGEL-Informationen hat Maas' Ministerium auf die massive Kritik der vergangenen Tage doch noch reagiert - und einen entscheidenden Passus für den Beschluss im Kabinett abgeändert.
Keine Bußgelder für Fehlentscheidungen
In der Kabinettsvorlage, die dem SPIEGEL vorliegt, stellt man klar, dass der Tatbestand für Bußgelder "in der Regel nicht bereits durch einen einmaligen Verstoß" gegen die Pflicht erfüllt ist, offensichtlich rechtswidrige Inhalte innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde oder andere rechtswidrige Inhalte innerhalb von 7 Tagen zu sperren. Denn "bei einem einmaligen Verstoß kann regelmäßig noch nicht davon ausgegangen werden, dass kein wirksames Verfahren für den Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte" bestehe, heißt es.
Weiter heißt es in der Vorlage, dass in Fällen, in denen ein soziales Netzwerk einen illegalen Inhalt nicht als rechtswidrig einschätzt, "zum Schutz der Meinungsfreiheit ein behutsames Vorgehen der Bußgeldbehörde angezeigt" ist. Wenn eine Plattform den Wahrheitsgehalt einer Äußerung innerhalb der Frist nicht klären konnte, soll kein Bußgeldverfahren eingeleitet werden.
Im Klartext heißt dies, dass es dem Justizministerium mehr um ein generell funktionierendes System geht, mit Nutzerbeschwerden umzugehen, als um die Nachverfolgung von Entscheidungen im Einzelfall. Insbesondere bei Facebook und Twitter gibt es Zweifel, dass ihr System funktioniert. Dazu macht das Gesetz Vorgaben, etwa zur Schulung und Betreuung des Personals.
Ärger um Auskunftspflichten
Mit der Änderung will das Ministerium auf den letzten Metern die heftige Kritik ein wenig abfedern. Im eigentlich vorbereiteten Entwurf - der auch vergangene Woche zur Kenntnisnahme an die EU geschickt wurde - hatte es in der Begründung zu Bußgeldern noch geheißen, der Tatbestand "kann bereits durch einen einmaligen Verstoß gegen die (Lösch-)Pflicht" erfüllt sein. Das ist durch die neue Formulierung ersetzt worden. Schon zuletzt hatte Maas im Stillen einige Korrekturen vorgenommen.
Viel Kritik hat Maas auch für seinen Plan geerntet, die Auskunftspflichten der Anbieter von Internetdiensten auszuweiten. Wer seine Persönlichkeitsrechte durch anonyme Nutzer verletzt sieht, soll die Möglichkeit erhalten, bei den Betreibern Informationen über die Identität des Verfassers zu erhalten. Kritiker sehen darin eine Bedrohung der Anonymität im Netz. Noch ist allerdings unklar, ob es für einen Auskunftsanspruch einer gerichtlichen Anordnung bedarf. Gut möglich, dass die Regierungsfraktionen im Bundestag noch darauf drängen werden.
Union und SPD hatten Maas zuletzt zur Vorlage des Gesetzes gedrängt. Die Fraktionen wollen das Gesetz jedenfalls, trotz der vielen Einwände aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft, weiter nach engem Zeitplan im Bundestag beschließen - die letzte Lesung ist direkt vor der Sommerpause angesetzt.