"Commons" Lesebuch für linke Euphoriker

Mehr teilen, weniger herrschen: Der Sammelband "Commons" fächert die Idee von Gemeingütern auf, von neuen Internet-Lizenzen bis zu landwirtschaftlichen Kollektiven. Das Ergebnis ist durchwachsen.

Die Öko-Bewegung hat ein neues Buzzword: "Commons", wörtlich übersetzt Allmende. Unter diesem Schlagwort schreiben Aktivisten und Forscher seit einigen Jahren über Alternativen zu Markt und Staat - wozu freie Software-Projekte wie Linux gehören, Formen des Landbesitzes von Bauern in Lateinamerika oder die Vermittlung von Wissen durch die Wikipedia. The Commons heißt zunächst einmal nur: Allgemeingut. Dazu gehören öffentliche Parks ebenso wie die Atmosphäre unseres Planeten.

Für die den Grünen nahestehende Heinrich-Böll-Stiftung hat die Sprachlehrerin und Aktivistin Silke Helfrich einen Sammelband konzipiert, auf 528 Seiten befassen sich 95 Autoren mit "Commons". "Ein Commons ist weder Ort noch ein Ding, sondern ein Regelwerk zur Handhabe von Ressourcen", heißt es in einem der Aufsätze. Eine Gruppe von Menschen definiert Regeln, wie sie mit einer gemeinsam genutzten Ressource umgehen will - ohne zentrale Planungsbehörde.

Die Beiträge schwanken in ihrer Qualität, für einige davon muss man schon tief in der Szene verwurzelt sein. Manchmal wird es auch unfreiwillig komisch:

  • "Das Kaleidoskop der Commons ist bunt."
  • "Commoning versetzt die Menschen in die Lage, als kokreative kollektive Einheiten zu denken, zu fühlen und zu handeln."
  • "Die Rückeroberung der Kredit-Allmende - Auf dem Weg zur Schmetterlings-Gesellschaft."

Die sich ständig wiederholenden Definitionen von "Commons" und "Commoning" langweilen irgendwann. Eine stringente, schlüssige Einführung ins Thema kann und soll der Sammelband nicht liefern. Andererseits zeigen sie die leicht unterschiedlichen Standpunkte und Herangehensweisen der Autoren - und dass "Commons" letztlich ein recht simples Konzept ist.

Dann aber finden sich im Buch auch zahlreiche interessante konkrete Beispiele. Es geht unter anderem um Urban Gardening, also die landwirtschaftliche Umnutzung kleiner Freiflächen in Städten, um eine alternative Krankenversicherung, um Shared Space, also gemeinschaftlich genutzte Verkehrswege, im öffentlichen Raum und andere Grundbesitzformen in Brasilien. Ehrensache, dass der Sammelband unter einer Creative-Commons-Lizenz steht und beliebig vervielfältigt, bearbeitet und verbreitet werden darf.

Warum lesen? Um zu sehen, wie digitalen Netzbürgern bekannte Konzepte wie Wikipedia oder Linux auf so ziemlich alle gesellschaftlichen Bereiche angewandt werden können. Und um zu verstehen, was soziale Bewegungen und Teile der Grünen umtreibt.

Zweite Meinung: "Die Allmende-Fans dürften die Bedeutung dieser Produktionsweise" - gemeint ist das Wiki-Prinzip - "überschätzen - wie sie die klassischen Ökonomen unterschätzt haben." ("Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung")

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