"Internet und digitale Gesellschaft" Bundestag beschließt Web-Enquete

Sitz des Bundestags in Berlin: Politiker werden oft als Internet-Ausdrucker verlacht
Foto: Robert Schlesinger/ dpaBerlin - Der Bundestag lernt Internet: Am Donnerstag stimmten die Abgeordneten für eine Enquete-Kommission, die zwei Jahre lang den Einfluss des Internets auf Gesellschaft und Politik untersuchen soll. Dem neuen Gremium gehören 14 männliche und drei weibliche Abgeordnete an, hinzu kommen 17 Sachverständige. Bis zur Sommerpause 2012 sollen sie ihre Ergebnisse und Empfehlungen vorlegen.
In dem gemeinsamen Antrag von Union, SPD, FDP und Grüne ( PDF-Datei ) heißt es, das Internet sei nicht länger eine technische Plattform, sondern unverzichtbarer Bestandteil des Lebens vieler Menschen. Gesellschaftliche Veränderungen fänden maßgeblich im und mit dem Internet statt. Daher müssten die soziologischen und politischen Auswirkungen gründlich beleuchtet werden.
Der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Michael Kretschmer erklärte, sein Ziel sei eine breite Bürgerbeteiligung in Blogs, Foren und sozialen Netzwerken. Auch ein offenes Wiki soll zum Einsatz kommen. "Das Internet ist Teil unseres Alltagslebens und unseres Rechtssystems, und es gilt sicherzustellen, dass alle Bürger gleichermaßen die Möglichkeit haben, an der digitalen Entwicklung teilzuhaben", sagte er. Die Kommission solle Fragen der Medienkompetenz und Medienerziehung klären, sowie die Bereiche Kultur, Recht, Innovation, Verbraucherschutz und Wirtschaft untersuchen.
Die FDP hat parallel eine eigene Website gestartet. Auf open-enquete.de wollen die FDP-Mitglieder von ihrer Arbeit berichten und bitten die Netzgemeinde um Beteiligung.
Piraten wollen außerparlamentarische Enquete
Die Piratenpartei kritisiert die Enquete-Kommission als "Alibi-Veranstaltung" - noch bevor diese ihre Arbeit überhaupt aufgenommen hat. Deutschland habe keinen Bedarf nach weiteren "Schwatzrunden" zum Thema Internet, sondern netzpolitischen Handlungsbedarf, poltert Nico Kern, Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Die Internetkommission sei überflüssig, sie dürfe sich weder mit heißen "Interneteisen" wie dem Abmahnwesen, noch mit dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag beschäftigen.
In diese Kerbe schlägt auch die SPD-Fraktion: Auf ihrer Website ätzt die Oppositionspartei , dass es der Union nicht besonders ernst sei mit der Enquete-Kommission und es sich dabei "vor allem um einen symbolischen Akt handelt, um die Internetcommunity zu beschwichtigen". So würden die entscheidenden Fragen ohnehin in den zuständigen Ausschüssen des Bundestags verhandelt - und nicht in der heute eingesetzten Enquete.
Die Piratenpartei, offenbar reichlich beschwingt von ihrem Zwei-Prozent-Achtungserfolg bei der Bundestagswahl, will nun gemeinsam mit anderen Netzaktivisten den Bundestag mit Initiativen von außen "auf den richtigen Weg" bringen. Außerdem wollen sie eine alternative Enquete-Kommission gründen - müssen sich allerdings auf einen harten Wettbewerb gefasst machen. Denn auch die Parteien buhlen um profilierte Netzexperten.
Mindestens eine Netzaktivistin hat sich bereits entschieden: Constanze Kurz vom Chaos Computer Club steht als Sachverständige für die Linke fest, berichtet politik-digital.de .