Abmahnung im Web Juristen stoppen "Porno-Pranger"

Porno im Web: Kaum eine wirkungsvolle Werbung
Foto: CorbisHamburg - Ob am Samstag tatsächlich ein sogenannter Porno-Pranger für Filesharer im Internet aufgetaucht wäre, wird man nie erfahren. Auch nicht, ob das Vorhaben nur eine geschickte PR-Masche war. Der Plan der Regensburger Kanzlei Urmann + Collegen (U+C), auf deren Webseite der Pranger veröffentlicht werden sollte, wurde vorerst gestoppt. Eine Anordnung des Bayerischen Landesamts für Datenschutz untersagt die Veröffentlichung, wie es jetzt auf deren Webseite heißt.
Der "Porno-Pranger" hatte zuvor im Web für Empörung gesorgt. Nicht nur mit Hilfe der Datenschützer hatten sich Betroffene gewehrt. Auf die Ankündigung der Kanzlei, eine Liste der - bisher erfolglos - Abgemahnten zu publizieren, wurde der Schwarm online und offline aktiv und schaffte es, dass aus der für alle einsehbaren Übersicht erst mal nichts wird.
Was war passiert? Die Kanzlei aus Süddeutschland ist spezialisiert auf Abmahnungen wegen illegalen Filesharings und hatte angekündigt, voraussichtlich zum 1. September eine Liste zu veröffentlichen, mit einer "Auswahl der Gegner aus offenen und anhängigen Mandatsverhältnissen, gegen die uns Mandat erteilt wurde oder Mandat erteilt ist zur außergerichtlichen oder gerichtlichen Tätigkeit."
Das kann man so übersetzen: Menschen, die eine Abmahnung bekommen und nicht gezahlt haben, landen auf der Liste. Den Titel "Porno-Pranger" erhielt die Idee im Netz und in den Medien, weil die Kanzlei zum großen Teil Kunden aus der Erotikbranche vertritt.
Über Nacht von Dortmund nach Regensburg
Das ließ die Leute aufhorchen: Eine Liste sollte es geben mit Namen von Menschen, von deren Internetanschlüssen illegal Pornos heruntergeladen wurden? Ganz egal, ob sie es selbst waren oder nicht?
In Blogs und Foren hagelte es Protest. Das sei nicht nur ein Eingriff in die Intimsphäre und eine öffentliche Bloßstellung, sondern auch rechtlich bedenklich, schrieb zum Beispiel Rechtsanwalt Thomas Stadler . Zwar berief sich die Kanzlei auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, nach dem sie eine Gegnerliste veröffentlichen dürfe, um so für ihre Leistungen zu werben. Allerdings ging es damals um Firmen und nicht um Privatpersonen.
Genau an diesem Punkt setzte zeitgleich der Dortmunder Rechtsanwalt Hendrik Peters an. Er vertritt eine Mandantin, die womöglich auf der gefürchteten Liste gelandet wäre. Um das zu verhindern, hat Peters nach eigenen Angaben seinerseits erst einmal eine Abmahnung nach Regensburg geschickt. Als die Frist ungenutzt verstrichen war, beantragte er eine einstweilige Verfügung. Die Zeit drängte: Von Montag bis Freitag musste die Sache abgewickelt sein, damit am Samstag zumindest der Name der Mandantin nicht auf die Liste erscheinen konnte. Dieser Beschluss musste dann noch per Expressbrief über Nacht von Dortmund nach Regensburg, um am Freitag pünktlich zugestellt zu werden.
Es hat geklappt. Am Donnerstagabend fiel die Entscheidung des Landgerichts Essen (LG Essen 4 O 263/12), die SPIEGEL ONLINE in Kopie vorliegt. Zwar betrifft der Beschluss allein die Mandantin des Dortmunder Anwalts. Aber die Entscheidung bietet eine Basis für andere möglicherweise Betroffene, die sich wehren wollen. Und sie hat Signalwirkung, denn in der Begründung geht es um Dinge, die für alle gelten: "Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin ist rechtswidrig, da dieses bei einer Abwägung mit den grundrechtlich geschützten Rechten der Antragsgegner überwiegt." Man könnte es auch so ausdrücken: Das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen steht hier über dem Recht der Kanzlei, mit einer Liste ihrer Gegner für sich zu werben.
Anwalt Peters ist zufrieden. "Das Gericht hat sich Mühe gegeben", sagt er SPIEGEL ONLINE, sowohl mit dem Tempo als auch mit der Formulierung. "Mit dem Beschluss könnte jeder andere jetzt auch sagen, dass sein Name nicht auf der Liste auftauchen soll." Die Abgemahnten könnten also theoretisch auch die Abmahner abmahnen - sofern diese denn eine solche Veröffentlichung ankündigen. Das tut die Kanzlei aber derzeit nicht mehr.
Zahlen eignen sich besser als Namen
Es gibt Zweifel, ob eine Namensliste in so einem Fall überhaupt die beste Werbung ist. Es würde völlig ausreichen, schrieb Anwalt Udo Vetter damals in seinem Lawblog , die Zahl der Gegner zu nennen: "Ob eine Kanzlei 10.000 oder 200.000 Bürger abgemahnt hat, mag für ihre potentielle Kundschaft durchaus eine interessante Information sein."
Tatsächlich dürfte es kaum eine wirkungsvolle Werbung sein, zu nennen, wen man denn nun genau angeschrieben hat. Zudem wird dadurch klar, in wie vielen Fällen die Sache mit der Abmahnung eben nicht geklappt hat. In Foren - auch in dem von SPIEGEL ONLINE - wurde deshalb spekuliert, ob das Ganze nicht ohnehin nur auf ein großes Medienecho angelegt war, damit aufgeschreckte Betroffene doch noch schnell zahlten, um nicht auf der Liste zu erscheinen.
Ob geplant oder ungeplant - die ganze Aktion traf auf ein so großes Presseecho, dass auf der Website der Kanzlei eine vorgefertigte Stellungnahme für die Presse zu finden war, sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch. Jetzt steht an dieser Stelle eine Stellungnahme zu der Anordnung des Bayerischen Landesamts für Datenschutz: "U+C wurde keinerlei rechtliches Gehör in dem Verfahren gewährt. Das Landesamt hat seine Informationen und Schlussfolgerungen offensichtlich alleinig aus der Presse entnommen", heißt es auf der Seite der Kanzlei, und: "Die Ausführungen der Anordnung teilen wir nicht und halten sie für tatsächlich und rechtlich falsch."
Die Kanzlei werde "keine derartige Beschneidung von Grundrechten hinnehmen. Wir werden daher den rechtsstaatlichen Weg einhalten und gegen diese Anordnung mit einer Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht antworten", heißt es da. Aber immerhin auch das Wichtigste: Bis zum Abschluss des Verfahrens werde es keine Gegnerliste geben.