Modernisierung Juristen fordern neue Internetgesetze

Der Deutsche Juristentag fordert ein an das Internetzeitalter angepasstes Straf-, IT- und Kommunikationsrecht. Kritiker sehen in den Beschlüssen bürgerrechts- und internetfeindliche Tendenzen.
Deutscher Juristentag: Forderung nach Anpassung des Strafrechts ans Internet

Deutscher Juristentag: Forderung nach Anpassung des Strafrechts ans Internet

Foto: Peter Kneffel/ dpa

Der Abschlussbericht  des zweijährlich stattfindenden Juristentags enthält etliche Forderungen, das Strafrecht an das Internet-Zeitalter anzupassen. Unter anderem sprechen sich die Juristen für eine Vorratsdatenspeicherung, für begrenzte Onlinedurchsuchungen, für das Abhören von Internettelefonaten über eingeschleuste Schnüffeltrojaner ("Quellen-TKÜ") und für einen neuen Straftatbestand "Datenhehlerei" aus.

Außerdem fordern sie völkerrechtliche Verträge, die Ermittlungen auf fremden Boden ermöglichen, sowie eine verbesserte internationale Zusammenarbeit durch ein Harmonisierung der Rechtsprechung. Eine Überprüfung jeder Online-Überwachung und Quellen-TKÜ durch einen Datenschutzbeauftragten lehnen die Juristen ab, ebenso ein neues "Grundrecht der freien Internetnutzung"; dieses sei bereits durch bestehende Gesetze gewährleistet.

Forderung nach dem Ende der Anonymität im Netz

Die Juristen fordern, dass Internet-Dienste den Klarnamen und die Internetverbindung der Nutzer registrieren sollen, und sprechen sich somit für ein Ende der Anonymität aus. Sobald der Nutzer im Netz aktiv wird, müsse er eindeutig identifizierbar sein, auch wenn er mit einem Pseudonym unterwegs sei. Ein Recht auf anonyme Internetnutzung sei nicht anzuerkennen.

Kritiker wie Internetanwalt Thomas Stadler, erkennen in einzelnen Beschlüssen "bürgerrechts- und internetfeindliche Tendenzen". Im Forum von Stadlers Website äußerten sich Kommentatoren zwar positiv über die "ausgewogene und spannende Diskussion ", aber es wurde kritisiert, dass vor allem der Nutzen und nicht die Risiken technologischer Überwachung betont worden seien. Die Diskussion soll demnächst im Wortlaut veröffentlicht werden.

Dabei sind auch durchaus surferfreundlichere Positionen in dem Papier zu finden: Die Juristen sprechen Surfern ein generelles "Recht auf Vergessen" zu. Daten sollen dann gelöscht werden können, wenn sie von der betreffenden Person selbst ins Netz gestellt wurden oder aber diese Löschung nicht gegen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit verstößt. Warentests auf Bewertungsportalen sollten nicht nach den "Grundsätze[n] der Neutralität, Sachkunde und Objektivität" beurteilt werden. Die in der Offline-Welt gängige Unterscheidung von Intim-, Privat-, Sozial- und Öffentlichkeitssphäre solle auch im Netz gelten.

Erst nachhaken, dann abmahnen

Vor allem aber sollten Internetanbieter und -Dienstleister nicht für die Daten ihrer Nutzer haften, solange sie fremde Daten nur veröffentlichen. Suchmaschinenbetreiber sollen "von einer Haftung für Persönlichkeitsrechtsverletzungen, die von Suchergebnissen ausgelöst werden können", sogar insgesamt ausgenommen werden.

Wer sich etwa durch einen Blog-Eintrag in seinen Persönlichkeitsrechten angegriffen fühlt, müsse künftig gemäß eines "'Notice-and-take-down'-Verfahrens" dem mutmaßlichen Rechteverletzter einen Hinweis zukommen lassen. In einem ersten Schritt solle also nachgehakt werden. Der Autor habe einen Zeitrahmen, innerhalb dessen er Stellung nehmen könne. Tue er dies nicht, so soll seine Äußerung entfernt werden, "andernfalls findet die rechtliche Auseinandersetzung zwischen Äußerndem und Verletztem statt". Ist der Autor hingegen anonym, soll sein Beitrag umgehend gelöscht werden.

Datenschutzrechte sollten nicht vom Sitz des verarbeitenden Unternehmens abhängen, sondern - gemäß dem Entwurf der europäischen Datenschutzverordnung - davon, "auf welche Märkte Diensteanbieter ihr Angebot ausrichten". Sprich: Deutsches Datenschutzrecht für deutsche Kunden. Als besonders schützenswerte personenbezogene Daten sollen künftig alle Daten gelten, "bei denen im Sinne eines abstrakten Gefährdungspotentials, selbst auf Grund theoretisch möglicher Verknüpfungen, ein - auch nur entfernter - Personenbezug hergestellt werden kann". Ob tatsächlich solche Verknüpfungen hergestellt werden, soll dabei keine Rolle spielen.

Sachverständige sollen Gesetze anpassen

Grundsätzlich hielten die Juristen fest, dass das "auf materielle Güter zugeschnittene strafrechtliche und strafprozessuale System" an die Erfordernisse immaterieller Daten angepasst werden müsse. Der Gesetzgeber solle "wegen der Komplexität der Materie, der schnellen technischen Entwicklungen, der vielfältigen internationalen Verflechtungen sowie des unerlässlichen kriminologischen Forschungsbedarfs" durch eine interdisziplinär besetzte Sachverständigenkommission beraten werden.

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