
Abhöraffäre: Darüber stritt Schröder mit den USA
US-Geheimdienst NSA hörte auch Gerhard Schröders Handy ab
Berlin/München - Edward Snowden hatte es beinahe angekündigt. In einem jüngst gezeigten NDR-Interview mit dem NSA-Whistleblower sagte dieser unter anderem: "Ich würde sagen, es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass jemand, der sich um Absichten der deutschen Regierung sorgt, nur Merkel überwacht und nicht ihre Berater, keine anderen bekannten Regierungsmitglieder, keine Minister oder sogar Angehörige kommunaler Regierungen."
Nun scheint sich herauszustellen: Auch vor Angela Merkels Kanzlerschaft wurde schon ein deutscher Bundeskanzler von US-Geheimdiensten abgehört - Gerhard Schröder (SPD). Das ergeben Recherchen der "Süddeutschen Zeitung " und des NDR . Demnach sei Schröder seit spätestens 2002 mit der Nummer 388 auf einer sogenannten National Sigint Requirement List geführt worden, einer Übersicht, auf der Personen und Institutionen genannt wurden, deren Telekommunikation überwacht werden sollte.
Demnach haben nicht näher benannte US-Regierungskreise und NSA-Insider angegeben, Schröder sei damals wegen seiner kritischen Haltung gegenüber den Vorbereitungen der USA für einen Irak-Krieg zum Überwachungsziel erklärt worden. Eine Person mit Kenntnis der Aktion wird mit der Aussage zitiert: "Wir hatten Grund zur Annahme, dass (Schröder) nicht zum Erfolg der Allianz beitrug."
Zum Fall des deutschen Altkanzlers wollte sich Caitlin Hayden, die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats des US-Präsidenten, am Dienstagabend nicht im Detail äußern: Man werde nicht jede angebliche Geheimdienstaktivität öffentlich kommentieren. "Die US-Regierung hat klargestellt, dass die Vereinigten Staaten im Ausland Informationen jener Art sammeln, wie sie von allen Nationen gesammelt werden", sagte Hayden SPIEGEL ONLINE.

Überwachte Regierungschefs: Spionage beim Freund
Als der SPIEGEL im Oktober 2013 berichtete, dass das Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel vermutlich von der NSA angezapft worden war, und zwar schon seit 2002, war die Empörung in Berlin groß. Kurz darauf zeigten weitere Veröffentlichungen, dass der US-Geheimdienst auch zahlreiche andere Staatschefs abgehört hatte. In einer Rede zum NSA-Skandal hatte Obama Mitte Januar versprochen, künftig würden keine befreundeten Regierungschefs mehr abgehört. Allerdings versah er diese Zusicherung mit einer Reihe von Einschränkungen, die seinen Geheimdiensten weiterhin viel Spielraum lassen.
Die "Bild am Sonntag" hatte schon kurz nach Bekanntwerden der Affäre um das Merkel-Handy unter Berufung auf ungenannte Quellen berichtet, auch Gerhard Schröder sei seit 2002 abgehört worden. Schröder sei aber ohnehin stets davon ausgegangen, von US-Geheimdienst abgehört zu werden, hieß es damals. Jetzt sagte der Ex-Bundeskanzler der "Süddeutschen Zeitung", er hätte damals nicht damit gerechnet, von den Amerikanern abgehört zu werden, sei nun aber nicht mehr überrascht, dass es offenbar doch so war.
Nach Angaben der "SZ" und des NDR habe die NSA den Auftrag gehabt, nicht nur Metadaten, also Angaben darüber, wann und mit wem das jeweilige Ziel telefoniert hat, zu sammeln. Es seien auch die Telefonate selbst sowie SMS-Nachrichten mitgeschnitten worden.
So werden Handys abgehört
Wie man ein normales Handy abhört, ist bekannt. Mit Hilfe einer Mobilfunk-Basisstation, die sich gewissermaßen als Handy-Funkmast ausgibt, wird dem jeweiligen Mobiltelefon vorgegaukelt, es sei direkt mit dem Netz des jeweiligen Mobilfunkbetreibers verbunden. Tatsächlich aber wird jede Kommunikation über den gefälschten Funkturm geleitet, der alles mitschneiden kann und die Verbindung dann erst unbemerkt an das eigentliche Mobilfunknetz weiterreicht. Der Lauschposten platziert sich gewissermaßen zwischen Ziel-Handy und Funknetz.
Dass die US-Geheimdienste solche Geräte selbst herstellen, ist bekannt. DER SPIEGEL und SPIEGEL ONLINE veröffentlichten Ende Dezember 2013 einen ganzen Katalog mit den Späh- und Lauschwerkzeugen der NSA. Im Falle des Merkel-Handys geht man inzwischen davon aus, dass etwa vom obersten Stockwerk der US-Botschaft in Berlin aus gehorcht wurde.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Schröder selbst offenbar ein gespanntes Verhältnis zu Mobiltelefonen hatte. Zwar nutzte er in seiner Zeit vor der Kanzlerschaft ein Klapphandy, in dessen Deckel sogar der Name Gerhard Schröder eingraviert war, doch während seiner Regierungszeit besaß Schröder eigenen Angaben zufolge gar kein eigenes Handy.
Bei einer Bürgerveranstaltung im Jahr 2005, organisiert von der "Bild am Sonntag", sagte Schröder auf die Frage einer Teilnehmerin, welchen Klingelton er nutze: "Ich besitze gar kein Handy. Meine Frau und meine Tochter haben eins, aber ich glaube, ohne Klingeltöne. Wenn mich jemand auf dem Handy erreichen will, ruft er meine BKA-Beamten oder einen Mitarbeiter an, der mich begleitet. Die geben das Handy dann weiter, wenn es nötig ist."
Für den Rest der Deutschen wünschte Schröder sich allerdings andere Verhältnisse. Im November 2004 sagte er bei einer Veranstaltung der Initiative D21: "Über die Hälfte nutzt das Internet, 80 Prozent haben ein Mobiltelefon, das ist zu wenig."