Internetrecht Redakteur von Bewertungsportal droht Beugehaft

Computer: Wie viel Verantwortung tragen Internet-Bewertungsportale?
Foto: FERDINAND OSTROP/ APHamburg - Beugehaft ist ein grobes Wort. Es klingt nach rabiaten Methoden. Entsprechend groß ist die Aufregung, die der Fall von Rasmus Meyer derzeit erzeugt. Meyer arbeitet für das Online-Portal MedizInfo, das im Netz unter der URL klinikbewertungen.de auch eine Plattform betreibt, auf der Patienten ihre Meinung zu Ärzten und Krankenhäusern äußern können.
Nun hat ein Duisburger Richter fünf Tage Beugehaft gegen Meyer verhängt, weil der Daten über einen Nutzer von klinikbewertungen.de nicht herausgibt. Es geht um einen Fall von übler Nachrede. Meyer findet, für ihn müsse das Zeugnisverweigerungsrecht gelten, das Journalisten für sich in Anspruch nehmen können. Er will den Fall vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe klären lassen.
Der betreffende Nutzer hatte in einem Kommentar zu einer Klinik Dinge über eine dort tätige Frau geschrieben, die das Gericht als üble Nachrede wertete. Er behauptete, die Frau unterhalte sexuelle Beziehungen zu Patienten. Meyer selbst entfernte den entsprechenden Eintrag seinen eigenen Angaben zufolge, nachdem er darauf hingewiesen worden war - das war schon im Sommer 2011.
Verfassungsbeschwerde erhoben
Die Daten, mit deren Hilfe man möglicherweise den Verfasser des Kommentars ermitteln könnte, wollte Meyer dem Anwalt der betroffenen Frau nicht herausgeben. Daraufhin wurde Meyer seinen Angaben zufolge von der Polizei, der Staatsanwaltschaft und schließlich dem Amtsgericht Duisburg als Zeuge vernommen. Er weigerte sich jeweils, die Daten des Nutzers herauszugeben und verwies auf das Zeugnisverweigerungsrecht. Das Amtsgericht verhängte daraufhin zunächst ein Ordnungsgeld in Höhe von 50 Euro. Dagegen legte sein Anwalt Beschwerde ein, gleichzeitig wurde in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde eingereicht. Schließlich zahlt Meyer.
Es gehe ihm darum, die Rechtslage zu klären, sagt Meyer. Die Verhängung von Beugehaft hält er für unverhältnismäßig, auch dagegen hat sein Anwalt beim Landgericht Duisburg Beschwerde eingelegt. Außerdem will Meyer nun gegen den betreffenden Richter vorgehen: "Wir haben Strafanzeige gegen den Richter wegen Rechtsbeugung erstattet", sagte Meyer SPIEGEL ONLINE.
"Hochgradig grundrechtsrelevant"
Letztlich geht es bei dem Fall um diese Frage: Genießt jemand, der ein Forum betreibt oder betreut, in das Nutzer Dinge hineinschreiben können, die gleichen Privilegien wie Journalisten? Kann er sich auf das Prinzip des Quellenschutzes berufen? Ist jemand, der ohne direkten Kontakt zu Redakteur oder Medium auf einer Plattform eine Meinung - oder eben üble Nachrede - platziert, tatsächlich mit einem Informanten gleichzusetzen?
Meyer sagt, das Angebot von klinikbewertungen.de unterscheide sich von einem normalen Webforum. Die Betreiber stünden dort für die Einträge der Nutzer gerade. Deshalb werden die Nutzer auch nach ihrem Namen und ihrer Anschrift gefragt, bevor sie einen Kommentar abgeben dürfen - eine Garantie, dass dort dann echte Daten stehen, gibt es natürlich nicht. Klinikbewertungen.de habe auch eine "Recherchepflicht" sagt Meyer weiter, wenn eine Klinik sich etwa über vermeintlich falsche Tatsachenbehauptungen in einer Bewertung beschwere, dann prüften die Plattformbetreiber das nach. Wenn die Behauptung belegt werden kann, bleibe sie stehen, wenn nicht, werde sie entfernt. "Da tragen wir die Verantwortung und nicht der Nutzer."
Reicht das, damit die Mitarbeiter der Plattform das gleiche Zeugnisverweigerungsrecht haben wie Journalisten im Bezug auf ihre Quellen? In einem anderen, ähnlichen Fall habe ein anderes Gericht dem Geschäftsführer von MedizInfo dieses Recht schon einmal zugestanden, nun werde es verweigert, sagt Meyer. Er wolle jetzt Rechtssicherheit erreichen, deshalb soll das Verfassungsgericht die Frage klären. Sein Anwalt Frank Markus Döring hält die Frage für "hochgradig grundrechtsrelevant" und verweist auf den Zusammenhang mit Meinungs- und Pressefreiheit. Dass das Bundesverfassungsgericht die Beschwerde annimmt, ist dennoch alles andere als sicher.
Den Amtsrichter in Duisburg kümmerte die Verfassungsbeschwerde nicht, er will die Herausgabe der Daten mit Beugehaft erzwingen. Früher oder später werde er wissen, ob er ins Gefängnis muss, sagt Meyer. Ob er die Haft antreten würde oder nicht, hat er noch nicht entschieden: "Ich habe noch den Glauben daran, dass es nicht soweit kommt."