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28C3: Hacker-Treffen in Berlin

Foto: Britta Pedersen/ dpa

Kongress 28C3 Hacker im Bällebad

Mitten in Berlin haben sie ein Rechenzentrum errichtet: Auf dem Jahreskongress des Chaos Computer Club fordern Hacker einen Stopp zunehmender Überwachung - und präsentieren neue Sicherheitslücken. Ein Besuch beim Nerd-Treffen, zwischen Bällebad und Hardware-Bastlern.

Rund tausend Hacker gucken sich im großen Saal des Berliner Congress Centers am Alexanderplatz Ausschnitte aus Hollywood-Filmen an. Oft brechen sie in schallendes Gelächter aus, wenn die Helden auf der Leinwand mal wieder in Sekundenschnelle an der Tastatur die Welt retten. Das ist immer verbunden mit mächtigen 3-D-Grafiken auf den Bildschirmen der Film-Hacker und Swoosh-Geräuschen. Mit anderen Worten: Es geht völlig an der Realität vorbei.

Die Realität sieht auf dem Hacker-Kongress 28C3 so aus: Im Untergeschoss des Kongresszentrums hocken Hunderte Hacker bei minimaler Beleuchtung vor ihren mitgebrachten Rechnern - Fotos sind unerwünscht, was genau dort über die Bildschirme flackert, soll in vielen Fällen nicht öffentlich werden.

Aber die Darstellung im Kino wandelt sich: Im Film "Tron: Legacy" zum Beispiel, der dieses Jahr in die Kinos kam, tippt ein Hacker einen Kill-Befehl in eine Eshell-Konsole - das kommt dem Hacker-Geschäft aus dem Untergeschoss schon sehr nahe. Der Medienwissenschaftler Caspar Clemens Mierau, der Hacker-Filmszenen analysiert, stellt fest: In älteren Filmen sind Hacker noch merkwürdige Freaks, mittlerweile immer öfter sympathische Filmhelden. Wenn dann auch noch die gezeigte Technik nicht völlig frei erfunden ist, gibt es Applaus vom 28C3-Publikum.

Hacker als Helden, es könnte kein passenderes Bild für den diesjährigen Kongress des Chaos Computer Club (CCC) geben. Rund hundert Vorträge zu Themen wie Überwachung, Data-Mining oder Sicherheitslücken, waren zu sehen und zu hören - vor Ort in Berlin, aber auch live im Netz.

Computer ausgeforscht

Die Hacker haben in diesem Jahr den sogenannten Staatstrojaner enttarnt, ein staatliches Schnüffelprogramm, mit dem Computer Verdächtiger ausgeforscht werden sollen. Die von einer privaten Firma bereitgestellte Software erwies sich in der Analyse des CCC nicht nur als unsicher, sie hielt auch Funktionen bereit, die es laut Grundgesetz gar nicht geben dürfte. Die Medien sprangen darauf an, die verantwortlichen Polizisten und Politiker waren blamiert.

Dieser Fall zeigt, wie wichtig die Expertise der Hacker ist, und dass die technische Entwicklung kritisch begleitet werden muss, weil sie Abgeordnete längst nicht mehr durchschauen. Als der CCC vor 30 Jahren gegründet wurde, waren die jungen Männer nicht gerade als Hüter von Grundrechten angesehen, sondern wurden als Kriminelle abgestempelt. Anfang der neunziger Jahre flog der Club fast auseinander, weil einige für den KGB gehackt hatten - doch das sind vergangene Zeiten.

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Begriffsfindung: Wer sind eigentlich Hacker?

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Mittlerweile findet der CCC Gehör, wenn er sich öffentlich zu Wort meldet, und er wird bombardiert mit Anfragen, soll Technik erklären und analysieren. Aus dem eingetragenen Hacker-Verein ist geradezu eine Kontrollinstanz entstanden. Selbstbewusst kann Frank Rieger, zusammen mit Constanze Kurz ehrenamtlicher Sprecher des Clubs, deshalb verkünden, dass man als Community zur gesellschaftlichen Entwicklung beitragen wolle. In diesem Jahr heißt das auf der 28C3 betitelten Veranstaltung vor allem: vor zunehmender Überwachung warnen.

"Keine totale Überwachung"

So erklären die Entwickler des Anonymisierungsdienstes Tor, Roger Dingledine und Jacob Appelbaum, mit welchen Methoden autoritäre Staaten wie Ägypten oder Libyen ihren Bürgern das Internet zensieren - nämlich auch mit Hilfe von Technik, die ursprünglich oftmals von großen Konzernen bei US-Firmen in Auftrag gegeben wurde. Dort sollte die Überwachungstechnik die Mitarbeiter schützen, in den falschen Händen wird die Software zu einem mächtigen Zensur- und Spionageinstrument. Ohne die Aufträge der Konzerne hätten Diktatoren kaum Zugang zu derart leistungsfähiger Schnüffeltechnik. "Wir brauchen keine totale Überwachung", ruft Appelbaum unter dem Applaus der Zuhörer.

Nebenan sitzen Mitglieder der Piratenpartei in einem Bällebad, natürlich mit Laptop. "Nutzt mehr Bandbreite", heißt es auf Postern an den Wänden, für den Kongress wurde eigens ein leistungsstarkes Netzwerk installiert. Miniaturhubschrauber düsen durch die Luft, diverse Hacker-Gruppen präsentieren ihre Projekte. Blinkenlights  etwa, ein Kunstprojekt, bei dem über Computer gesteuerte Lichter aus den Fenstern eines ganzen Hochhauses ein Display machen. Oder Open Street Map , eine freie Alternative zu den Kartendiensten von Google und Microsoft, aufgebaut von Freiwilligen.

Per SMS lässt sich ein Fernschreiber in Bewegung setzen, die Botschaften kleben an den Fenstern des Kongressbaus. Omnipräsent sind die Halbliterflaschen Mate-Brause, ansonsten zeigen viele Hacker eine Vorliebe für praktische Kleidung, gerne in schwarz oder schwarz. Auf den Herren-Toiletten bilden sich lange Schlangen, dazu läuft aus Internet-Memen bekannte Musik wie die "Nyan Cat" . Dabei ist der Frauenanteil keinesfalls katastrophal gering, eher auf dem Niveau einer Piratenveranstaltung: durchaus vorhanden.

Schutzlos ausgeliefert

Die richtig große Hacker-Überraschung gibt es in diesem Jahr nicht - vorgeführt werden weitere Sicherheitslücken beim Mobilfunk-Standard GSM, seit Jahren bekannte Probleme mit verbreiteten Web-Programmiersprachen und grundsätzliche Überlegung zur Sicherheit von Bahnanlagen - zum Teil werden die Daten der Stellwerke offenbar über öffentliche Netze übertragen, Technik in den Zügen sei oft veraltet und ohne Sicherheitsvorkehrungen. Konkrete Angriffsmöglichkeiten auf Stellwerke wurde nicht genannt.

Beim satirischen Jahresrückblick gab es Häme für Unternehmen wie Sony, in diesem Jahr Ziel von Hacker-Angriffen, und in den Augen der Hacker begriffsstutzige Politiker.

Der US-Autor Cory Doctorow bringt es in seinem Vortrag auf den Punkt: Es gibt keine Flugzeuge mehr, sondern nur noch fliegende Computer, keine Autos, sondern rollende Rechner - die Computer sind allgegenwärtig, und wer die Technik nicht versteht, ist denjenigen schutzlos ausgeliefert, die es tun. Für derlei staatstragende Gedanken wäre man vor einigen Jahren noch ausgelacht worden - doch es wird besser.

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