Livestream ohne Sendelizenz Bild.de will kein Piratensender sein

Erbitterter Streit um Rundfunk-Lizenzen: In einem Blog wirft ein ZDF-Autor dem Springer-Verlag vor, für Live-Sendungen im Internet keine Genehmigung eingeholt zu haben. Doch ob es sich bei einmaligen Sendungen um Rundfunk handelt, ist umstritten.

Hamburg - Zur königlichen Hochzeit in Großbritannien hat sich der Springer-Verlag etwas besonderes ausgedacht: Auf der Website der "Bild"-Zeitung und der "Welt" konnten die Besucher Ende April das Geschehen live verfolgen, im Videostream direkt aus London. Auch SPIEGEL ONLINE berichtete per Livestream von der Zeremonie.

Nun fragt ein ZDF-Autor: Durfte die "Bild" das überhaupt? Ist dafür nicht eine Rundfunk-Sendelizenz erforderlich? Im Internet macht schon das Wort "Piratensender" die Runde. Aufgeworfen wird die Frage ausgerechnet von einem öffentlich-rechtlichen Rundfunksender: Das ZDF hat auf seiner Website einen Artikel des freien Journalisten Markus Hündgen veröffentlicht. Die implizite Antwort: Springer hat kein Lizenz , der Live-Stream war deshalb illegal.

Hintergrund: Der Rundfunkstaatsvertrag schreibt für Videoangebote eine Zulassung vor, wenn diese "linear gesendet" und "zeitgleich von mehr als 500 Nutzern" (eine willkürlich festgelegte Zahl) empfangbar sind.

Wer dagegen verstößt und einfach so sendet, kann mit einem Bußgeld belegt werden. Bis zu 500.000 Euro Strafe drohen. Gegen diese Vorschrift habe Bild" verstoßen, legt der ZDF-Autor zumindest nahe. In Bayern  kann so eine Zulassung für regionales Internet-TV zum Beispiel bis zu 2500 Euro kosten. In Rheinland-Pfalz  kostet ein Antrag für die Zulassung von bundesweit verbreitetem Rundfunk im "Internet" 1000 bis 10.000 Euro.

Doch ob es sich bei Live-Streams zu besonderen Anlässen schon um Rundfunk handelt, der reguliert werden muss, ist zumindest fragwürdig. Auch SPIEGEL ONLINE hatte für die einmalige Sendung zur Hochzeit keine Rundfunk-Lizenz. Für das Angebot SPIEGEL.TV  hingegen hat die SPIEGEL-Gruppe bei der zuständigen Medienaufsicht eine Lizenz beantragt. Die wurde für zehn Jahre erteilt. Auf SPIEGEL.TV läuft rund um die Uhr ein Programm, in das sich die Nutzer einklinken können.

"Obrigkeitsstaatliches Denken"

Auch Springer-Cheflobbyist Christoph Keese sieht seinen Verlag nicht in der Pflicht - und bloggt zurück:  "Bild.de bietet zwar hin- und wieder Livestreaming, aber gewiss keine fernsehtypische Sendefolge und auch kein lineares Bewegtbild-Programm." Auf der Website gibt es außerdem Fußballspiele der spanischen Liga und - gegen Bezahlung - die türkische Süper Liga. Sollte man in Zukunft doch einmal ein Fernsehprogramm im Internet anbieten, werde man eine Lizenz beantragen.

Die Genehmigungspflicht für Rundfunkprogramme ist ein Relikt aus der Zeit vor dem Internet. Für zusätzliche Programme gab es im Kabelnetz und auf den Funkfrequenzen schlicht keinen Platz - im Internet hingegen ist der Platz praktisch unbegrenzt. Damals fürchtete man, einzelne Unternehmen könnten die knappen Frequenzen dominieren.

Deswegen wacht die Kommission für Zulassung und Aufsicht der Landesmedienanstalten (ZAK) über Rundfunk-Lizenzen und die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) prüft die geballte Meinungsmacht der beteiligten Unternehmen.

Diese Institutionen sollen nicht überflüssig werden. Deswegen sollen auch Anbieter von Podcasts und kleinen Internet-Sendern eine Lizenz beantragen, so sieht es der dritte Rundfunkänderungsstaatsvertrag vor. Bei der Diskussion vor drei Jahren gab es scharfe Kritik: Das sei fachlich durch nichts zu rechtfertigen und habe mit einem liberalen Weltbild nichts zu tun, sagte damals Hans Mathias Kepplinger, zu der Zeit Leiter des Instituts für Publizistik der Universität Mainz. Der Professor ging noch einen Schritt weiter: "Obrigkeitsstaatliches Denken" warf er damals all denen vor, die eine Vorab-Genehmigung für erforderlich hielten.

Nun werden dem ZDF-Autor unlautere Motive unterstellt: Eine Kampagne wird gewittert (und getwittert), wollen doch die Verleger den Expansionsdrang des öffentlich-rechtlichen Rundfunk ins Internet begrenzen. Hündgen weist die Verschwörungstheorie auf einem Branchenportal zurück: "Ich bin freier Journalist und habe da keinen Auftrag für eine Kampagne." 

ore
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren