Projekt mit intelligenten Kameras Rennen und Fallen sind in Mannheim bald verdächtig

Polizei-Lagezentrum mit Überwachungsbildern des Mannheimer Hauptbahnhofs im Hintergrund
Foto: Uwe Anspach/ picture alliance / Uwe Anspach/dpaDas Auge des Gesetzes ist fest montiert und sieht alles: Dieses Überwachungsszenario soll der Stadt Mannheim künftig mehr Sicherheit vor Kriminalität bringen. Das zumindest ist der Plan von Christian Specht.
Der Erste Bürgermeister und Sicherheitsdezernent der nordbadischen Stadt arbeitet zusammen mit Polizeipräsident Thomas Köber am Konzept "Mannheimer Weg 2.0". Dieser Weg umfasst ein "intelligentes Kamerasystem", das quasi selbstständig Straßenkriminalität erkennen und Polizisten alarmieren soll. Nach langer Planung steht der Start des Pilotprojekts bevor.
Mannheim wäre die erste Kommune Deutschlands mit einem solchen Programm, nach aktueller Kalkulation wird es die Stadt 1,1 Millionen Euro kosten. "Im Zeitalter der Digitalisierung müssen auch Optionen zur Verbesserung der Sicherheit im öffentlichen Raum mitgedacht werden", meint Specht.
Bringt Videoüberwachung wirklich mehr Sicherheit?
Die Überwachung mit Kameras sorgt bundesweit immer wieder für hitzige Diskussionen. Besonders seit dem Anschlag auf einem Berliner Weihnachtsmarkt vor gut einem Jahr mit zwölf Toten gibt es Rufe nach einer verstärkten Beobachtung öffentlicher Plätze. Gegner aber fürchten, dass der Staat unbescholtene Bürger bespitzeln und Bewegungsprofile erstellen könnte - und die Videoüberwachung zwar riesige Datenmengen produziert, aber dabei gar nicht für mehr Sicherheit sorgt.
In Berlin startete im vergangenen Sommer etwa ein kontrovers diskutiertes Pilotprojekt zur automatischen Gesichtserkennung durch Überwachungskameras am Bahnhof Südkreuz. Auch hier warnten Experten, das Projekt stelle den Einstieg in einen echten Überwachungsstaat dar. Wenn ein System künftig in Echtzeit die Gesichter aller Passanten erkennen kann und dieses System flächendeckend eingesetzt werden sollte, könne sich schließlich kein Deutscher mehr unbeobachtet bewegen.
71 Kameras an 28 Standorten
Und so soll der "Mannheimer Weg 2.0" funktionieren: 71 Kameras an 28 Standorten fangen Bilder ein und schicken sie verschlüsselt durch ein Glasfaserkabel zum Lagezentrum der Polizei. Dort wertet ein vom Fraunhofer-Institut in Karlsruhe entwickeltes Computerprogramm die Bilderströme elektronisch aus - und zwar mithilfe eines Algorithmus. Damit es möglichst wenige Fehlalarme gibt, wird versucht, der Software anhand von Echtmaterial beizubringen, welches Verhalten sie melden soll - und welches nicht.
Erkennt die Software im Idealfall hektische oder untypische Bewegungen, etwa ein Schlagen, Rennen oder Fallen, blinkt eine Lampe auf, und ein Polizist schaut sich die Szene am Bildschirm an. Dann soll eine Streife in gut zwei Minuten vor Ort sein, schwebt es den Verantwortlichen vor.
Keine Tonaufnahmen und keine Gesichtserkennung
"Wir haben die Öffentlichkeit von Anfang an informiert und werden absolut transparent arbeiten", sagt Politiker Specht. Aufnahmen sollen nach 72 Stunden gelöscht werden. Schilder würden auf die Überwachung hinweisen. "Es geht um das Erkennen von Bewegungsmustern", sagt Köber. Auch CDU-Politiker Specht betont: "Gesichtserkennung oder Tonaufnahmen finden definitiv nicht statt." Der Bürgermeister sagt: "Andere Kommunen schauen mit Spannung auf dieses Pilotprojekt."
Das Polizeigesetz erlaubt Videoüberwachung nur an nachgewiesenen Kriminalitätsbrennpunkten. In Mannheim ist dies zunächst der Bahnhofsvorplatz, der Paradeplatz, der Marktplatz, die Breite Straße und der Alte Messplatz. Polizeichef Köber sagt: "Wir haben Routine und reden nicht wie der Blinde von der Farbe." Die Kommune habe schließlich bestimmte Orte schon von 2001 bis 2007 videoüberwacht, damals noch mit analoger Technik.