Spionage im Drogenkrieg Wie Mexikos Kartelle ganze Städte überwachen

Mexikanische Drogenkartelle haben sich mit Überwachungstechnologie hochgerüstet. Mit Videokameras, Spionagesoftware und Drohnen spähen sie Rivalen und Sicherheitskräfte aus - und beschäftigen eigene Teams von IT-Experten.
Ein Techniker überprüft eine Kameraanlage in der mexikanischen Grenzstadt Ciudad Juárez. Auch Drogenkartelle installieren eigene Kameras in Städten

Ein Techniker überprüft eine Kameraanlage in der mexikanischen Grenzstadt Ciudad Juárez. Auch Drogenkartelle installieren eigene Kameras in Städten

Foto: Jose Luis Gonzalez / REUTERS

Die Kameras waren in Ampelanlagen, in Stromkästen oder in falschen Straßenlaternen versteckt: Vergangenes Wochenende hat die Polizei in der mexikanischen Grenzstadt Reynosa im Bundesstaat Tamaulipas ein Netzwerk von 62 Überwachungskameras von Kriminellen zerschlagen, wie mexikanische Zeitungen berichteten .

Einige der beschlagnahmten Kameras waren in der Nähe der Grenzübergänge sowie der Autobahn von Reynosa nach Monterrey installiert, also an Knotenpunkten für den Schmuggel von Drogen, anderen illegalen Waren und Menschen.

Von Videokameras über Spionagesoftware bis hin zu Drohnen nutzen Mexikos Kartelle mittlerweile einiges an Technik, um ihre Rivalen und Sicherheitskräfte auszuspähen oder um Operationen oder Drogentransporte zu managen. Mitunter geht es auch darum, die Loyalität der eigenen Leute zu prüfen. Nicht nur menschliche Späher, sogenannte halcones, mit Handy oder Walkie-Talkie und Taxifahrer funken Informationen an Gangs und Kartelle. In Städten wie Reynosa unterstützen auch live übertragene Aufnahmen aus Überwachungskameras die kriminellen Geschäfte.

Eine Frage des Überlebens

Aufklärung und Spionageabwehr sei für die Drogenkartelle "eine Frage des Überlebens", sagt Vanda Felbab-Brown, Konfliktforscherin beim Washingtoner Thintank Brookings, dem SPIEGEL. "Sie sind relativ professionell und nutzen gute Systeme, auch wenn sie längst nicht so professionell wie etwa ein Geheimdienst oder das Militär sind", so die Sicherheitsexpertin. "Die Technik entwickelt sich, und die Kartelle bringen sich auf den neuesten Stand."

Immer wieder wurden in den vergangenen Jahren Überwachungsnetzwerke ausgehoben. Bereits 2015 waren in Reynosa zwei Männer aufgeflogen, als sie versuchten, versteckte Kameras anzubringen - sie führten die Polizei zu insgesamt 39 Kameras. Einige waren in der Nähe von Polizeiquartieren angebracht waren.

Auch Drohnen setzen die Kartelle für die Überwachung ein, häufig in den Grenzregionen. "Transnationale kriminelle Organisationen aus Mexiko nutzen Drohnen, um die Aktivitäten von amerikanischen Strafverfolgungsbehörden zu beobachten und Schwachstellen an der Grenze zu identifizieren", warnte etwa Paul E. Knierim, Deputy Chief of Operations der DEA, in einer Anhörung vor dem US-Senat im Dezember.

"Drohnen sind ein Basis-Tool, um Informationen zu sammeln und sich zu schützen", so auch der Sicherheitsexperte Edgardo Buscaglia . "Innerhalb von Mexiko setzen die Kartelle Drohnen ein, um alle Arten von Hindernissen zu identifizieren - zum Beispiel rivalisierende Kartelle."

Die großen Kartelle verfügen zudem über eigene Kommunikationssysteme: Bei einer Razzia in einem Operationszentrum des Zetas-Kartells in Torreón 2011 wurde ein Kommunikationsnetzwerk im Wert von etwa 300.000 Dollar  aufgedeckt, dazu wurden der Systemadministrator und drei Mitarbeiter festgenommen.

IT-Teams im Dienst der Kartelle

Mexikos Kartelle haben sich eigene Teams aufgebaut, die ihre Kommunikations- und Überwachungsnetzwerke aufbauen und warten. Dutzende Mitarbeiter von Telekommunikationsfirmen und IT-Experten  wurden in den vergangenen Jahren entführt. Allein zwischen 2008 und 2012 sind der mexikanischen Plattform "Animal Politico" zufolge 36 Telekommunikationsexperten verschwunden oder entführt worden. Es ist möglich, dass sie Zwangsarbeit für die Kartelle verrichten.

Die Kartelle werben zudem Fachkräfte aus der freien Wirtschaft oder ehemalige IT-Spezialisten von Polizei oder Militär an und lassen sie zu lukrativen Konditionen Kommunikations- und Überwachungsanlagen aufbauen oder Handys in mobile Spione verwandeln.

Auch der Prozess gegen Joaquin "El Chapo" Guzmán, Drogenboss beim Sinaloa-Kartell, lieferte Einblicke, wie Kartelle ihre Rivalen, aber auch eigene Mitglieder überwachen. 2008 hatte "El Chapo" den kolumbianischen IT-Experten Christian Rodriguez erstmals in sein Versteck in den Bergen einfliegen lassen, fortan entwickelte Rodriguez ein verschlüsseltes Kommunikationssystem für die Handys der Kartellmitglieder. Zudem verwanzte er im Auftrag von "El Chapo" Telefone und Computer.

Auch Geliebte wurden ausgespäht

Rund 50 mit der kommerziellen Spionagesoftware FlexiSPY präparierte Handys wurden unter anderem an Vertraute von "El Chapo" oder an dessen Geliebte ausgegeben. Der Drogenboss ließ so ihre Kommunikation und Standorte überwachen.

Im Fall von "El Chapo" konnten sich die Ermittler Zugriff auf den IT-Experten Rodriguez verschaffen, der ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen wurde. Rodriguez war es, der ihnen Zugang zu den abgehörten Handys der Kartellmitglieder verschaffte und somit wichtige Hinweise für die Festnahme von "El Chapo" lieferte.

In Städten wie Reynosa sind die Sicherheitskräfte weniger erfolgreich, was die Überwachung betrifft: Die Überwachungssysteme der mexikanischen Sicherheitskräfte werden regelmäßig außer Gefecht gesetzt. 2014 etwa wurden in Reynosa 472 neue Überwachungskameras installiert - ein Jahr später waren alle zerstört. Techniker, die prüfen, ob die offiziellen Kameras noch funktionieren, müssen von Soldaten eskortiert werden.

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