Mobilfunkausbau Scheuers nächste Baustelle

Mit einer neuen GmbH will das Verkehrsministerium weiße Flecken im Handynetz bekämpfen. Das CSU-Prestigeprojekt ist ohnehin umstritten – interne Unterlagen zeigen nun: Der Aufbau verläuft schleppend und chaotisch.
»Kostenplanung für die kommenden acht Wochen notwendig«: Andreas Scheuer, Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur

»Kostenplanung für die kommenden acht Wochen notwendig«: Andreas Scheuer, Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur

Foto: CLEMENS BILAN/POOL/EPA-EFE/Shutterstock

Seit Jahren hinkt Deutschland beim Ausbau des Mobilfunknetzes hinterher. Die CSU hatte daher bereits im Januar 2019 eine »kraftvolle Ausbauoffensive« versprochen: weil kommerzielle Mobilfunkanbieter die Funklöcher nicht von sich aus schlössen, müsse sich nun eben der Staat um diese »weißen Flecken« kümmern. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ließ dafür eine bundeseigene GmbH mit dem sperrigen Namen »Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft« (MIG) auf den Weg bringen. Diese sollte eigentlich längst voll arbeitsfähig sein: »Unsere klare Erwartungshaltung ist, dass die Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft im Jahr 2020 startet und den Bau von neuen Masten organisiert«, betonte die CSU noch im Januar letzten Jahres .

Doch auch gut zwei Jahre nach ihrer Ankündigung brachte die Bundes-GmbH unter dem Dach des Mautbetreibers Toll Collect nicht mehr Mobilfunkmasten und stabilen Empfang in dünn besiedelte Gebieten – dafür sorgte das Vorhaben bereits für mehrere scharfe Rüffel vom Bundesrechnungshof und erheblichen Ärger im Haushaltsausschuss. Nach dem Mautfiasko und den Querelen um die Autobahn GmbH hat sich die MIG zu einer weiteren Großbaustelle des Verkehrsministeriums entwickelt.

Wie prekär die Situation ist, geht aus einem internen Zwischenbericht von Anfang Februar hervor, den der SPIEGEL einsehen konnte.

Danach ist der Aufbau der Gesellschaft weiter in allen wesentlichen Punkten erheblich im Verzug – nicht einmal eine gültige Steuernummer hatte das Unternehmen bis Anfang des Monats. Auch seine vertragliche Arbeitsgrundlage mit dem Ministerium musste demnach noch überarbeitet und finalisiert werden – unter anderem »wegen des Projektverzugs«. Das ist keine Petitesse, sondern hat erhebliche Konsequenzen. Zwischenzeitlich wurden den Unterlagen zufolge offenbar die eigenen finanziellen Mittel knapp und eine neue »Kostenplanung für die kommenden 8 Wochen notwendig« um die Liquidität sicherzustellen.

Verschoben, verzögert, kompliziert

Die wackelige Geschäftsgrundlage wirkt sich direkt auf die Arbeitsfähigkeit der Funklochfüller in spe aus: So könnte die Mobilfunk-GmbH neue Mitarbeiter erst einstellen, wenn der belastbare Vertrag vorliege, heißt es: »Verzögerung 3 Monate«.

Vorher hätte das Personal aber ohnehin keine Büroräume, denn auch der Aufbau der geplanten MIG-Zentrale im sachsen-anhaltischen Naumburg ging zuletzt nicht wie geplant voran. Zwar habe man eine geeignete Immobilie für den Firmensitz gefunden, ohne den Geschäftsbesorgungsvertrag könne man den Mietvertrag allerdings nicht unterzeichnen, heißt es in dem Statusbericht.

Insgesamt liest sich das Dokument wie eine einzige Mängelliste: Die Internetpräsenz komme »verzögert«, die Einberufung des angekündigten Beirats sei genauso »verschoben« wie die konstituierende Sitzung des Aufsichtsrats, Beschaffungen für die Gesellschaft liefen »langsam und kompliziert«. Als problematisch erweist sich offenbar auch, dass das Verkehrsministerium die Gesellschaft zu einem Tochterunternehmen von Toll Collect gemacht hat. Die Einkäufe über den Mautbetreiber seien »deutlich komplexer als erwartet« was zu einem »großen Backlog« bei der MIG führe, also einem großen Rückstand. Auch auf der menschlichen Ebene scheint die Zusammenarbeit noch ausbaufähig. Es gebe »Probleme bei der Teambildung«, heißt es in dem Aufbaubericht.

Zeitplan für das Portal »hochgradig gefährdet«

Angesichts dieses Stolperstarts ist es kaum verwunderlich, dass die MIG bei ihren eigentlichen Aufgaben hinterherhinkt – etwa beim Aufbau eines »Geoinformationsportals«, das unter anderem bei der Standortsuche für neue Mobilfunkmasten helfen soll. Bei der MIG fehle dafür bislang die notwendige Datenbasis und die IT-Infrastruktur, die für den 30. Juni geplante Veröffentlichung sei »hochgradig gefährdet«.

Die Probleme mit der Gesellschaft sind so alt wie das Vorhaben selbst. Nicht nur die Berliner Oppositionsparteien, auch Vertreter von Telekommunikationskonzernen bezweifelten ihre Notwendigkeit. Der Bundesrechnungshof sah die weitere GmbH des Bundes, in der mindestens 97,5 Mitarbeiterstellen eingerichtet werden sollen und für die bis 2026 ein Budget von einer Viertelmilliarde Euro vorgesehen ist, ebenfalls von Beginn an äußerst kritisch. Immerhin darf der Bund Organisationen in privater Rechtsform wie die MIG laut Haushaltsordnung nur dann einsetzen, wenn sich ihr Zweck »nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erreichen lässt«.

Nach Ansicht des Bundesrechnungshofs hat das Scheuer-Ministerium schon im Vorfeld getrickst, um das CSU-Versprechen realisieren zu können: so erhielten die Prüfer die ersten Unterlagen ausgesprochen spät, was die Ministerialen mit einem »Büroversehen« zu entschuldigen versuchten . Man habe die Arbeit des Rechnungshofs nicht »bewusst und aktiv behindert«, versicherten sie auf dessen Vorhaltungen. An der sparsamen Informationspolitik des Verkehrsministeriums gegenüber dem Rechnungshof änderte der erste Rüffel offenbar nichts. Eine angeforderte, genauere Erläuterung der Ziele und Wirtschaftlichkeit der MIG erreichte die Prüfer erst Mitte Dezember und nur drei Tage vor Eintrag der Gesellschaft ins Handelsregister. Man sehe sich dadurch erneut in der Wahrnehmung der eigenen »prüferischen und beratenden Aufgaben behindert«, schrieben die Prüfer in einem neuen Bericht von Mitte Januar erkennbar genervt.

Man sei »uneingeschränkt handlungsfähig«, so das Ministerium

Als die MIG-Mitarbeiter ihren alarmierenden Zwischenstand rund um den bundeseigenen Betrieb aufschrieben, stand ein wichtiger Termin unmittelbar bevor: Am 10. Februar hat sich der Haushaltsausschuss mal wieder mit dem umstrittenen Vorhaben befasst. Abgeordnete der Linken, der Grünen und der FDP wollten die Mittel dafür am liebsten einfrieren. In der Präsentation werden solche Szenarien unter »Risiken« thematisiert. Zum Stichwort »Finanzierung der MIG kann nicht sichergestellt werden« heißt es als einzuleitende Maßnahme knapp: »Abwicklung der MIG«. Doch die Haushälter der Großen Koalition setzten sich durch und formulierten nur äußerst milde Auflagen: So soll die Bundesregierung dem Ausschuss vom kommenden Januar an einmal jährlich berichten, ob die MIG ihre Ziele erreicht hat.

Beim Verkehrsministerium heißt es auf Anfrage, die MIG sei »uneingeschränkt handlungsfähig«. Aktuell stünden rund fünf Millionen Euro für den Aufbau bereit. Um das vollständige Jahresbudget von insgesamt rund 40 Millionen Euro sowie die komplette Finanzierung bis 2025 freigezeichnet zu bekommen, bedürfe es nun »lediglich der Zustimmung des Bundesfinanzministeriums«. Derzeit werde der Aufbau über einen »Aufbaustab« aus Ministeriumspersonal sowie Mitarbeitenden von Toll Collect und einen Geschäftsführer vorangetrieben. Der Mietvertrag über die Büroräume in Naumburg solle »in Kürze abgeschlossen werden«.

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