NetzDG Justizministerin stellt keine Kollateralschäden im Internet fest

Löschzentrum von Facebook in Berlin
Foto: Soeren Stache/ dpaDas Gesetz, das Internet-Plattformen zu einem härteren Vorgehen gegen strafbare Inhalte zwingt, hat nach Ansicht des Bundesjustizministeriums nicht zu dem von Kritikern befürchteten übermäßigen Löschen von Beiträgen geführt. "Wir sehen deutliche Verbesserungen beim Umgang der sozialen Netzwerke mit Nutzerbeschwerden über strafbare Inhalte. Gleichzeitig haben wir keine Anhaltspunkte für unerwünschte Nebenwirkungen wie Overblocking", sagte Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) am Mittwoch zur Vorstellung des 49-seitigen Evaluierungsberichts zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG).
Unter Overblocking versteht man das übervorsichtige Sperren von Inhalten. Zu dem von Kritikern befürchteten Durchwinken der Beschwerden und einer quasiautomatischen Entfernung der gemeldeten Inhalte sei es bisher nicht gekommen, heißt es in dem Bericht. Das Thema sei aber weiterhin ernst zu nehmen und zu beobachten.
Das seit Anfang 2018 in vollem Umfang geltende Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) verpflichtet Internet-Plattformen ab einer bestimmten Größe- darunter Facebook und Instagram, Twitter, YouTube, das mittlerweile eingestellte Google plus, TikTok und Reddit -, klar strafbare Inhalte binnen 24 Stunden zu löschen. Auf Nutzerbeschwerden soll nach spätestens 48 Stunden reagiert werden. Zudem müssen die Unternehmen alle sechs Monate einen Bericht über ihren Umgang mit Beschwerden veröffentlichen.
1462 Bußgeldverfahren, nur eines abgeschlossen
Die Evaluierung basiert auf einem juristischen Gutachten, Erkenntnissen des Bundesamtes für Justiz (BfJ), den Transparenzberichten der Plattformbetreiber sowie Daten des Statistischen Bundesamtes. Gelobt wird die insgesamt schnelle Reaktionszeit der Unternehmen auf Meldungen.
Kritisiert werden unter anderem die Unheitlichkeit der Transparenzberichte, die zum Beispiel von Twitter nur selten gewährten Anhörungen von Nutzern, deren Inhalte als strafbar gemeldet wurden, und die zum Beispiel bei Facebook komplexen Meldewege. Im Bericht heißt es: "Bei einzelnen Anbietern dürften jedoch noch Defizite in der Ausgestaltung der Meldewege für Nutzerinnen und Nutzer auf mobilen Endgeräten bestehen. Die betreffenden Anbieter zeigen jedoch Umsetzungsbemühungen, zumal das BfJ aktuell Bußgeldverfahren wegen dieser Aspekte führt."
Dem Bericht zufolge hat das BfJ bis zum 30. Juni 2020 insgesamt 1462 Bußgeldverfahren eingeleitet. Davon seien 1353 auf Meldungen von Nutzerinnen und Nutzern hin eröffnet worden, die beanstandet hatten, dass ein Inhalt trotz einer Beschwerde nicht gelöscht wurde. Beruht die Nichtentfernung auf einem systemischen Versagen der Unternehmen, wäre das eine Ordnungswidrigkeit. Das Ergebnis: "Von den insgesamt eingeleiteten Verfahren wurde bisher eines mit einem noch nicht rechtskräftigen Bußgeldbescheid abgeschlossen. 682 Verfahren wurden bisher eingestellt."
"Geringer gesetzgeberischer Handlungsbedarf"
Insgesamt ergebe das juristische Gutachten aber "ein überwiegend positives Bild", es bestehe "nur ein geringer gesetzgeberischer Handlungsbedarf".
Im Frühjahr hat das Kabinett bereits Änderungen des NetzDG beschlossen. Unter anderem sollen Nutzer leichter dagegen vorgehen können, wenn gemeldete Beiträge nicht gelöscht wurden.