Geplante US-Neuregelung zu Netzneutralität Mehr Tempo gegen Geld

Amazon-TV-Angebot: Schneller beim Kunden
Foto: Amazon/ dpa"USA bereiten Zwei-Klassen-Internet vor", "Amerika beerdigt die Netzneutralität ", "Sei bereit, mehr für den Kram zu bezahlen, den du online magst ": Seit Mittwochabend tobt wieder die Diskussion um die Zukunft des freien Internets, in den USA und in Europa.
Anlass ist das Vorhaben der amerikanischen Telekommunikationsaufsicht Federal Communications Commission (FCC), ihre Regeln zur Netzneutralität neu festzuschreiben. Im Zuge dieser Anpassung soll es Konzernen künftig möglich sein, bestimmte Internetinhalte gegen Aufpreis schneller durch die Netze zu leiten - eine Veränderung, die Netzaktivisten und Bürgerrechtler als Gefahr für ein offenes Internet sehen.
1. Was hat die FCC vor?
Noch sind die FCC-Pläne gar nicht vollständig bekannt. Nach jetzigem Stand werden sie erst am 15. Mai der Öffentlichkeit vorgestellt, an jenem Tag, an dem sie die Kommission formell verabschiedet. Sicher ist bislang, dass die FCC ihren Vorschlag schon diesen Donnerstag an verschiedene Gremien verteilt, die Änderungen vorschlagen können.
US-Medien berichten bislang übereinstimmend, dass die neuen FCC-Regeln den Internetprovidern verbieten, bestimmte Angebote zu blockieren oder deren Datentransfers bewusst zu bremsen. Diese Punkte stehen im Einklang mit dem Prinzip der Netzneutralität, für das sich Bürgerrechtsorganisationen wie die Electronic Frontier Foundation (EFF) engagieren.
Für Empörung sorgt, dass Inhalteanbieter wie Disney, Netflix oder Google künftig die Möglichkeit haben sollen, Providern Geld zu bezahlen, damit ihre Inhalte schneller zum Kunden kommen. Durch die Zahlungen könnte zum Beispiel sichergestellt werden, dass Videos ruckelfrei übertragen werden. Deswegen ist häufig von einer "Überholspur auf der Datenautobahn" die Rede.
Die aktuellen FCC-Pläne beziehen sich nur auf die sogenannte letzte Meile, die Verbindung vom Provider zum Kunden. Im "Wall Street Journal " gibt sich ein hochrangiger Manager eines Kabelnetzbetreibers sehr zufrieden mit dem FCC-Vorschlag: Schließlich würden Firmen wie Google die Betreiber der Internet-Backbones bereits jetzt für eine bevorzugte Behandlung bezahlen. Kürzlich hatten zum Beispiel Netflix und Comcast eine Zusammenarbeit vereinbart. Zwischen Inhalte- und Internetanbietern ist die Netzneutralität schon jetzt aufgeweicht.
2. Warum ändert die FCC jetzt ihren Kurs?
Die FCC ringt seit Jahren mit den US-Netzbetreibern um eine Regelung zur Netzneutralität. Gegen den ersten Vorschlag ging 2010 der größte US-Internetanbieter, Comcast, erfolgreich vor. Ein weiterer Vorstoß der FCC wurde Anfang 2014 von Verizon per Gerichtsbeschluss gestoppt. Ein voller Erfolg für die Provider war das Urteil aber nicht. Der Internetanbieter hatte durchsetzen wollen, dass die FCC überhaupt keine Regulierungsgewalt über Breitbandanbieter habe. Stattdessen gab das Gericht der Kommission quasi den Auftrag, jenen neuen Vorschlag auszuarbeiten, der jetzt bekannt wurde.
Von den Reaktionen auf ihre Ankündigung gibt sich die FCC jetzt überrascht. In einer kurzen Stellungnahme des Vorsitzenden Tom Wheeler heißt es, die Berichte, dass die FCC die Netzneutralität aufheben würde, seien "völlig falsch". Der neue Entwurf werde das Konzept der Netzneutralität wiederherstellen, jedoch in Einklang mit der Gerichtsentscheidung aus dem Januar. Wheelers Ansicht nach gibt es keine Kehrtwende beim Kurs der Behörde.
3. Was bedeutet das für Deutschland?
Bürgerrechtler und Netzaktivisten in Deutschland haben erst kürzlich einen Etappensieg im Kampf um ein offenes Netz gefeiert. Anfang April hatte das Europa-Parlament die Netzneutralität festgeschrieben, als über das sogenannte Telekom-Paket entschieden wurde.
Beim Branchenverband Eco geht man bislang nicht davon aus, dass sich das FCC-Vorhaben in der nun skizzierten Form unmittelbar auf den deutschen Markt auswirkt. "Für uns sind die EU-Regeln wichtig", sagt Klaus Landefeld. Nick Kriegeskotte vom Branchenverband Bitkom findet, dass der FCC-Vorschlag kein Grund für Hysterie ist: "Im Gegenteil: Wir würden es begrüßen, wenn der Vorschlag auch in die europäische Diskussion einfließt. Was im Mutterland des Internets passiert, ist auch für europäische und deutsche Unternehmen und Gesetzgeber wichtig."
Kritisch sieht den FCC-Vorschlag Alexander Sander vom Verein Digitale Gesellschaft: "Die Netzneutralität wird da ihr Ende finden", sagt er. Sander befürchtet drastische Auswirkungen für Firmen und deren Kunden: "Innovation wird gebührenpflichtig." Angebote kleiner Unternehmen, die sich die digitale Überholspur nicht leisten können, würden für die Anwender weniger attraktiv, die Firmen dadurch vom Markt verdrängt. Zudem würden Verbraucher "einem neuen Tarifdschungel gegenüberstehen" - eine Entwicklung, die tatsächlich erwartbar scheint, da die Inhalteanbieter ihnen entstehende Kosten erfahrungsgemäß auf ihre Kunden abwälzen.
Update, 24. April 2014: Der FCC-Vorsitzende Tom Wheeler hat am Donnerstagabend deutscher Zeit mit einem Blogpost auf die Berichte rund um den FCC-Vorschlag reagiert. In seiner medienkritischen Stellungnahme schreibt Wheeler unter anderem, dass er die Behauptung, die FCC-Pläne hätten für Kunden steigende Preise zur Folge, für unbegründet hält.