Netzsperren-Gesetz Köhler torpediert Koalitionsplan

Bundespräsident Köhler: Zugangserschwerungsgesetz unterzeichnet
Foto: Pool/ Getty ImagesBerlin - "Es bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, die ihn an einer Ausfertigung gehindert hätten", teilte das Bundespräsidialamt mit. Also hat Horst Köhler das umstrittene Gesetz zur Sperrung kinderpornografischer Inhalte im Web unterzeichnet. Der Bundespräsident gehe jetzt davon aus, "dass die Bundesregierung entsprechend ihrer Stellungnahme vom 4. Februar 2010 nunmehr 'auf der Grundlage des Zugangserschwerungsgesetzes' Kinderpornografie im Internet effektiv und nachhaltig bekämpft."
In dieser Stellungnahme jedoch hatte die schwarz-gelbe Koalition beim Thema Internetsperren einen Kurswechsel vorgenommen. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) beschrieb die neue Linie mit den Worten: "Löschen statt sperren, das ist der Grundsatz der neuen Bundesregierung."
De facto aber bringt die Unterzeichnung des Gesetzes die Regierung in eine merkwürdige Situation: Die Koalitionsparteien wollen das Gesetz nicht in seiner vorliegenden Form anwenden - nun ist es aber rechtskräftig. An und für sich müsste nun all das geschehen, was FDP und Unionsparteien eben eigentlich nicht mehr wollen: Das BKA müsste Internetprovidern Listen zur Verfügung stellen, auf denen die Adressen von Web-Seiten mit kinderpornografischen Materialien stehen. Die Provider müssten ihrerseits auf technischem Wege dafür sorgen, dass diese Seiten künftig nicht mehr an ihre Kunden ausgeliefert werden.
Genau diese Art von Seitensperrung gilt als technisch unzureichend, leicht zu umgehen und außerdem verfassungsrechtlich fragwürdig. Letzteres gilt als einer der Gründe dafür, dass Bundespräsident Köhler das Gesetz zunächst nicht unterzeichnet hatte. Jetzt hat er es getan - aber das Gesetz an sich ist dennoch unverändert, es existiert lediglich eine Absichtserklärung von Union und FDP. Ein entsprechendes Aufhebungsgesetz, das Juristen als Lösungsweg empfohlen hatten, existiert nicht.
Nun also will die Koalition das Prinzip "löschen statt sperren" anwenden. Wie genau dies aber auf der Grundlage eines Gesetzes geschehen soll, das etwas anderes vorsieht, ist derzeit eine ungeklärte Frage. Eine Nichtanwendung des Gesetzes, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht, so der Berliner Staatsrechtslehrer Ulrich Battis, sei "hochproblematisch". Sei das Gesetz erst einmal ausgefertigt, könnte die Bundesregierung es allenfalls für unanwendbar erklären, "wenn sie es für verfassungswidrig hält".
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erklärte am Mittwoch, die schwarz-gelbe Regierung habe sich auf das "endgültige Aus für " verständigt. "Jetzt wird schnell eine neue Regelung auf den Weg gebracht, die dem Grundsatz löschen statt sperren entspricht", kündigte sie an - ohne allerdings zu präzisieren, was mit "neuer Regelung" genau gemeint ist.