Neue Snowden-Dokumente Chinesischer Tech-Konzern Huawei verurteilt NSA-Spionage

Huawei-Forschungszentrum in Wuhan: Angriffe aus dem Internet als "Status quo des digitalen Zeitalters"
Foto: APNach Enthüllungen des SPIEGEL über Cyber-Spionage der NSA gegen Chinas Staatsführung und Hightech-Konzerne reagieren die Betroffenen. "Wenn die Berichte zutreffen, verurteilt Huawei die Aktivitäten, in deren Rahmen man in unsere Firmennetzwerke eingedrungen ist und unsere Kommunikation abgehört hat", heißt es in einer Stellungnahme des Konzerns, die SPIEGEL ONLINE vorliegt. Zugleich wiegelt das Unternehmen ab und sagt, Firmennetzwerke würden ständig von unterschiedlichen Quellen bedroht und angegriffen. Das sei "der Status quo des digitalen Zeitalters".
Gegenüber der "New York Times " gab sich Huawei-Manager William Plummer erstaunt über die Enthüllungen. Die Firma habe keine Ahnung gehabt, dass sie ein NSA-Ziel sei. Nach seiner Meinung sei die Ironie der Geschichte, "dass sie mit uns genau das getan haben, wovon sie immer behauptet haben, dass es die Chinesen tun." Er spielte damit auf Vorwürfe an, wonach Huawei auf Geheiß der Führung in Peking Hintertüren für den chinesischen Geheimdienst in seine Produkte einbaue.
Auch Mei Xinyu vom Handelsministerium in Peking fühlt sich von den Berichten bestätigt: "Als ich (im vergangenen Jahr - d. Red.) von den Enthüllungen Edward Snowdens hörte, bestätigte das unsere Vermutungen, aber das Ausmaß der Enthüllungen erstaunte mich doch. Und ich verstand, warum die Amerikaner über Huawei und ZTE so besorgt sind. Sie sind ja selbst Datendiebe, und sie machen sich Sorgen, dass sie selbst ausgeraubt werden."
Zugriff auf interne E-Mails
Die NSA hat nach SPIEGEL-Informationen jahrelang chinesische Politiker wie den ehemaligen Staatspräsidenten Hu Jintao, das chinesische Handelsministerium, das Außenministerium, Banken sowie Telekommunikationsunternehmen ausgespäht (hier geht es zur NSA-Geschichte im aktuellen SPIEGEL). Aus Unterlagen des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden geht hervor, dass Huawei besonders intensiv ausgeforscht wurde.
Demnach gelang es einer Spezialeinheit 2009 das Computernetzwerk von Huawei an rund 100 Stellen zu infiltrieren. Dabei wurden den Unterlagen zufolge unter anderem eine Liste mit mehr als 1400 Kunden sowie interne Dokumente für das Training von Ingenieuren an den Huawei-Produkten kopiert. Zudem verschafften sich die NSA-Mitarbeiter nicht nur Zugang zu den E-Mail-Konten der Belegschaft, sondern auch zum geheimen Quellcode einzelner Huawei-Produkte.
"Es werden noch schmutzigere Dinge herauskommen"
Der chinesische Blogger Zhao Jing, im Westen bekannt unter seinem Pseudonym Michael Anti sagt hingegen, ihn hätten die Berichte über die NSA mehr deprimiert als überrascht. "Die neue Enthüllung bestätigt erneut, dass die USA ihre moralische Autorität eingebüßt haben. Was die NSA tut, blamiert alle von uns, die sich für ein freies Internet einsetzen und dafür viel riskieren, vor allem in China."
Noch vor Jahresfrist, so Anti, hätten er und andere chinesische Internetaktivisten die USA verteidigt, da deren Nachrichtendienste immerhin Teil eines Verfassungssystems seien und Rechenschaft ablegen müssten. Dies auch von der chinesischen Regierung zu verlangen, werde aber mit jeder Enthüllung über die Überwachungspraxis der NSA schwieriger. "Dass die NSA Huawei angegriffen hat, überrascht mich nicht. Im Gegenteil: Ich bin sicher, dass noch schmutzigere Dinge herauskommen werden."
Auf der ganzen Welt herrsche "tiefer Winter" für die Freiheit im Internet, so Michael Anti. In China allerdings ist es noch kälter als anderswo: Seit Monaten werden liberale Blogger eingeschüchtert und festgenommen; Anfang März begannen die Behörden, auch Accounts auf der populären und bislang von den Zensoren weitgehend verschonten Plattform WeChat zu sperren.
Enttäuscht von Amerika
Ausgerechnet am Samstag hielt Michelle Obama, die sich gerade in China aufhält, eine Rede im Stanford Center der Universität Peking und sprach sich für ein freies Internet aus: "Es ist so wichtig, dass Informationen und Ideen frei über das Internet und die Medien ausgetauscht werden können", rief sie chinesischen und amerikanischen Studenten zu. Der "offene Zugang zu Information" sei ein universelles, ja "ein Geburtsrecht jedes Menschen".
Für den Blogger Michael Anti klingen derartige Appelle aus Amerika mit jeder Enthüllung über die NSA hohler. "Als Hillary Clinton 2010 Amerikas Internet-Freedom-Initiative anstieß, haben Aktivisten wie ich tatsächlich daran geglaubt!", sagt er. "Inzwischen haben wir alle aufgehört, Amerika in dieser Debatte zu verteidigen."
"China hackt aus eigenem Antrieb"
Chinesische Regierungsstellen nutzen Berichte über die Spionageaktivitäten amerikanischer Geheimdienste als Beleg dafür, dass Peking ein Opfer im Cyber-Krieg sei und seine eigenen Maßnahmen nur dem Schutz vor einem technisch weit überlegenen Gegner dienten.
Michael Anti lässt nur einen Teil dieses Arguments gelten: Auf einzelnen Feldern, vor allem im Nachweis der Aktivität der jeweils anderen Seite, gleiche der Wettbewerb zwischen China und Amerika "dem eines Kindergartens gegen ein College".
In Wahrheit aber gehe es Peking gar nicht um einen Wettbewerb mit Amerika: "China hackt aus einem ganz eigenen Antrieb. Und vor allem hackt es seine eigenen Bürger."