Mord in Freiburg Erfundenes Zitat auf Facebook - Künast stellt Strafanzeige

Der Mord in Freiburg wurde im Netz genutzt, um Renate Künast mit einem falschen Zitat zu verunglimpfen. Die Grünen-Politikerin hat nach SPIEGEL-Informationen Anzeige erstattet, Facebook hat sich bei ihr entschuldigt.
Renate Künast

Renate Künast

Foto: Martin Schutt/ picture alliance / dpa

Das Foto tauchte erstmals am vorigen Wochenende auf. Auf Facebook machte ein Bild von Renate Künast die Runde, das ein angebliches Zitat der Grünen-Politikerin in holpriger Rechtschreibung enthielt und auf den mutmaßlichen Täter der Mordtat von Freiburg anspielte: "Der traumatisierte Junge Flüchtling hat zwar getötet, man muss ihm aber jetzt trotzdem helfen." Als angebliche Quelle für das Zitat verzeichnete das "Sharepic" die "Süddeutsche Zeitung" ("SZ").

Eine studentische Mitarbeiterin entdeckte das Motiv zuerst auf der Facebook-Seite "Widerstand deutscher Patrioten". Auch auf der Seite eines Mitgründers des Vereins "Pegida Schweiz" war es zu finden. Künast selbst wusste sofort, womit sie es zu tun hatte - denn sie hatte sich nie so geäußert. Weder gegenüber der "SZ" noch sonst irgendwo. (Lesen Sie hier die ganze Geschichte im neuen SPIEGEL.)

Sie war Opfer von sogenannten Fake News geworden - also absichtlich irreführenden Falschnachrichten, wie sie zuletzt im US-Wahlkampf massenhaft eingesetzt wurden, häufig mit Propaganda und Lügen zulasten von Hillary Clinton.

Die ehemalige Verbraucherschutzministerin versuchte, die Sache auf ihrem eigenen Facebook-Profil klarzustellen. "Dieses Zitat ist frei erfunden", schrieb sie dort, "so werden also Fake News produziert." Künast ließ es dabei nicht bewenden, sie geht auch juristisch gegen die Urheber und Verbreiter vor. Nach SPIEGEL-Informationen erstattete sie Anzeige und Strafantrag gegen die Macher von "Widerstand deutscher Patrioten" sowie gegen unbekannt "wegen übler Nachrede und allen weiteren infrage kommenden Delikten".

Künasts schwieriger Kontakt mit Facebook

Parallel versuchte ihr Büro, Facebook auf die offenkundige Falschnachricht aufmerksam zu machen. Das erwies sich als schwieriges und langwieriges Unterfangen - obwohl die Politikerin nicht nur mailte und die vorgesehenen Meldewege im Netzwerk nutzte, sondern anders als Normalnutzer auch die Telefonnummer der Deutschland-Lobbyistin von Facebook besitzt.

Auch der Chefredakteur von Süddeutsche.de, Stefan Plöchinger, schaltete sich zwischenzeitlich ein, sprach von "demokratiezersetzendem Dreck" und kritisierte den "Multimilliardenkonzern" Facebook für dessen Umgang mit der Sache.

Tatsächlich geschah in den ersten beiden Tagen nach Auskunft von Künast: nichts. Sie wurde an einer Stelle im Meldeverfahren von einem Mitarbeiter der Facebook Privacy Operations sogar aufgefordert, eine Kopie ihres Personalausweises zu mailen, was sie verweigerte. Allein auf der Seite des Schweizers wurde die Fake News zwischenzeitlich mehr als 5000-mal geteilt.

Erst nach "gut drei Tagen" sei der Post auf der "Widerstand"-Seite nicht mehr zugänglich gewesen - und das trotz ihrer privilegierten Position als "bekannte Politikerin", ärgert sich Künast. "Mein Fall zeigt, dass die 'schnelle' Löschung von Hass- oder Falschnachrichten wie von Facebook angekündigt nicht funktioniert", so die Politikerin. "Facebook ignoriert weiterhin unser geltendes Recht."

Dass man erneut keine gute Figur gemacht hat, scheint der Konzern inzwischen selbst zu sehen. Am Donnerstag erhielt die Politikerin eine Entschuldigungsmail der deutschen Facebook-Lobbyistin.

CDU-Wahlkampfhelfer sollen Fake News aufspüren

Künast sieht in den Falschmeldungen nach den Erfahrungen im US-Wahlkampf auch eine Gefahr für den Bundestagswahlkampf im kommenden Jahr. "Fake News müssen von den Betreibern der sozialen Netzwerke umgehend nach Meldung gelöscht werden." Sie untergrüben nicht nur "gezielt öffentlich das Vertrauen in die adressierte Person", sondern seien "eindeutig eine Gefahr für die Demokratie".

Die Gefahr sehen inzwischen auch andere Parteien, wie der SPIEGEL in seiner aktuellen Ausgabe ausführlich berichtet. So will die CDU ihre Wahlkampfbeobachter im Konrad-Adenauer-Haus mit dem Aufspüren falscher Nachrichten im Internet beauftragen.

Bislang kümmerten sich die sogenannten Rapid-Response-Teams im Wesentlichen um die Wahlkampfaussagen anderer Parteien. "Das Phänomen Fake News könnte auch im Bundestagswahlkampf eine große Rolle spielen", sagt Generalsekretär Peter Tauber.

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