Angst vor Cyberangriffen Singapurs Behörden gehen offline

Skyline von Singapur
Foto: ROSLAN RAHMAN/ AFPDie Regierung von Singapur plant, alle von Regierungsmitarbeitern genutzten Computer vom Internet abzukoppeln. So will man von der öffentlichen Hand verwaltete Daten schützen. "Sehr raffinierte" Cyberangriffe in der jüngsten Zeit hätten diese Maßnahme notwendig gemacht, sagte der Ministerpräsident Lee Hsien Loong der lokalen Presse.
Nach den vergangene Woche bekannt gewordenen Plänen sollen die etwa 100.000 Rechner in Ministerien, Behörden und anderen staatlichen Institutionen im Mai 2017 offline gehen. Nach Aussagen des Informationsministers Yaacob Ibrahim ist Singapur das erste Land, das sich zu einem solchen Schritt entschließt.
Angestellte im öffentlichen Dienst sollen künftig nur noch an separaten Terminals und über ihre eigenen Smartphones online gehen können. Die Kommunikation der Beamten untereinander soll durch ein separates Intranet gewährleistet werden. Ob und wie Regierungsmitarbeiter weiterhin auswärtige E-Mails senden und empfangen können dürfen, ist bislang unklar.
Nicht glücklich, aber ...
Dass die Maßnahme die Arbeitsabläufe im öffentlichen Dienst erschweren und verlangsamen wird, gibt die Regierung offen zu. "Sind wir darüber glücklich? Ich denke nicht, denn es wird unsere Produktivität im Alltag schmälern", so Ministerpräsident Lee. Der Schritt sei jedoch "absolut notwendig". Denn auch wenn die bisherigen Attacken nicht "zerstörerisch" gewesen seien, könne sich das in Zukunft schnell ändern.
2013 waren in Singapur Kundendaten der Standard Charter Bank von Hackern gestohlen worden. Ein anderer Angriff im selben Jahr galt Lees persönlicher Webseite, die von Angreifern unter der Flagge von Anonymous gehackt wurde.
Bislang hatte sich Singapur stets damit gepriesen, in Sachen World Wide Web weltweit führend zu sein. Die 5,4 Millionen Einwohner des Landes an der Spitze der malaysischen Halbinsel genießen eine der besten Internetverbindungen der Welt, maximale Verbindungsgeschwindigkeiten von über 135 Megabit pro Sekunde sind dort keine Seltenheit, mehr als das Zehnfache dessen, was man hierzulande vielerorts gewöhnt ist. 2014 stellte die Regierung Singapurs einen ehrgeizigen Plan vor, nachdem der tropische Inselstaat zur ersten "Smart Nation" weltweit werden soll.
Tatsächlich sind Behördengänge in Singapur heute schon historische Relikte: Fast alle Verwaltungsakte lassen sich online erledigen. Ob das auch künftig möglich sein wird, ist unklar. Angesichts der weitreichenden Vernetzung des Lebens scheint es rabiat, bei allen Regierungsrechnern die Verbindung ins Netz zu durchtrennen.
Stecker ziehen keine Lösung
Die Pläne der Regierung stießen denn auch umgehend auf Kritik. Branchendienste und Internetaktivisten warfen der Politik vor, angesichts der Bedrohung durch Hacker das Handtuch geworfen zu haben, statt die Sicherheit der staatlichen IT-Infrastruktur sicherzustellen. "Den Stecker zu ziehen und das Internet abzuschalten ist doch sicher nicht die einzige Lösung für Probleme mit der Cybersicherheit?" fragte die Webseite "ZDnet".
Der Chef der Abteilung für Cybersicherheit bei der Singapurer Telekom, Chai Chin Loon, hielt dagegen, dass es sich bei der Abkopplung vom Netz um Vorwärtsverteidigung handele. Die Bedrohung sei mittlerweile so groß, dass die Zeit für "drastische Maßnahmen" gekommen sei, sagte er Channel News Asia. "Ich habe einfach noch kein Stück Software gesehen, das keine Viren enthält."
Dass Singapur größte Angst vor Datenlecks hat, hat seinen Grund: Sein Reichtum und seine Reputation als einer der wichtigsten Finanzplätze des Planeten basiert zu großen Teilen auf einer Gesetzgebung, die - ähnlich wie in der Schweiz - das Bankgeheimnis sehr groß schreibt. Viele Asiaten horten ihren immensen Reichtum bei Singapurs diskreten Bankern. Laut der Boston Consulting Group haben 15 Prozent der Einwohner des Staates ein sofort verfügbares Vermögen von über einer Millionen US-Dollar.
Die öffentlichkeitsscheue Klientel der örtlichen Banken könnte durch ein größeres Datenleck außer Landes getrieben werden, deutete Sicherheitschef Chai an. Dem Finanzplatz Singapur könnte ein Hack wie der im Jahr 2015, bei dem persönliche Daten von 22,1 Millionen US-Amerikanern von Rechnern der US-Behörde OPM (Office for Personnel Management) kopiert wurden, empfindlich schaden. "Ich glaube nicht, dass wir so etwas überleben würden", so Chai.