Politiker auf Snapchat Auf einen Chat mit dem Präsidenten

Snapchat ist schnell, unmittelbar und gerade bei jungen Menschen beliebt. Auch Politiker wollen etwas von der digital erzeugten Nähe abhaben und mischen sich unter die Nutzer.
Über den Wolken: Snap von einem Orangensaft aus der Präsidentenmaschine Barack Obamas

Über den Wolken: Snap von einem Orangensaft aus der Präsidentenmaschine Barack Obamas

Wie gut passen Politik und Emojis zusammen? Die meisten Leute würden wahrscheinlich antworten: gar nicht. Zu steif und seriös kommen Politiker und politische Institutionen daher, als dass sie die niedlichen kleinen Piktogramme aus den Smartphonemessengern benutzen würden. Das ist in den meisten Fällen wahr. Das heißt aber nicht, dass sich Politiker es entgehen lassen würden, auch auf neuen digitalen Wegen um die Gunst ihrer jungen Wähler zu werben.

Eine App, die sich für derlei Versuche offenbar besonders gut anbietet aus Politikersicht: das gehypte Snapchat, Hort der Jungen und der Coolness, bekannt für bunte Emojis und abenteuerliche Filter. Bei Snapchat erbrechen die Nutzer bunte Regenbogen und montieren sich lustige Hundeöhrchen oder Einhörner auf den Kopf.

Mittlerweile mischen auch Politiker ihre Posts unter solche Snaps - so werden die Beiträge bei Snapchat genannt. Auf Snapchat dabei sind unter anderem die bayerische CSU, die Hamburgische Bürgerschaft und das Europaparlament . Auch das US-Parlament  nutzt die App, täglich veröffentlicht man neue Snapchat-Storys. Das sind mehrteilige Geschichten aus Fotos und Videos.

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Anleitung in Bildern: So funktioniert Snapchat

Die Politik nutzt Snapchat dabei in einer ähnlichen Weise wie schon andere soziale Netzwerke zuvor: um sich lässig und weniger zugeknöpft zu präsentieren und Freunden des Accounts auch mal einen Blick hinter die Kulissen zu geben. Man will die jungen, potenziellen Wähler da abholen, wo sie sind.

Pseudoprivater Chat mit Politikern

Im Gegensatz zu Twitter- oder den auf Hochglanz polierten Instagram-Konten wirken die Snapchat-Geschichten aber noch mal authentischer. Gerade das Unperfekte der Videos macht sie so anziehend. Man fühlt sich dabei. Obama und sein Gefolge sind wie Freunde, die ihre Urlaubsgeschichten posten. Nur geht es eben nicht nach Mallorca an den Strand, sondern zu einer Konferenz.

Snap vom Europäischen Parlament

Snap vom Europäischen Parlament

Die Geschichten werden bei Snapchat nicht in einer klassischen Timeline, sondern eher wie Nachrichten in einem Messenger dargestellt. Wer sie öffnet, kann sich die Story anschauen. Dadurch entsteht ein pseudoprivater Chat. So stellt Snapchat eine größere Nähe her als andere Netzwerke.

Das zeigt sich zum Beispiel beim Snapchat-Account des Weißen Hauses. Man wird dort in verwackelten Videoschnipseln über Details aus dem Alltag des amerikanischen Präsidenten informiert: Mal wird der Orangensaft in der Präsidentenmaschine gezeigt, dann die Flügel der Air Force 1 über den Wolken, Obama beim Aussteigen aus dem Flugzeug, beim Händeschütteln. Auf den Bildern tummeln sich außerdem verirrte Emojis: eine US-Flagge, offene Hände, Smileys.

Snap vom Europäischen Parlament

Snap vom Europäischen Parlament

Das Europaparlament  verfolgt bei Snapchat - anders als die Amerikaner - eher einen Bildungsauftrag. Europapolitik ist für viele Bürger immer noch schwer greifbar, weiß man offenbar auch dort. Deshalb gibt es viele Infografiken und kurze Videos, gemischt mit Texten und Emojis. Sie erklären, wie das Parlament gewählt wird, wie viele Mitglieder es hat oder welche Entscheidungen hier getroffen werden.

Wer nicht regelmäßig Inhalte liefert, verschwindet

Über 6000 Nutzer haben den Account immerhin schon abonniert. Das Parlament sendet nicht nur Inhalte, sondern hat mit Snapchat einen weiteren Kanal, auf dem Bürger es kontaktieren. Jeden Tag erreichen das Parlament auch Nachrichten, Videos und Fragen von Nutzern. Nach eigenen Angaben beantworten es fast alle.

Für die Politik dürfte eine Eigenschaft von Snapchat eine besondere Herausforderung sein: Alles geht verdammt schnell. Geschichten sind schnell produziert, konsumiert und auch wieder verschwunden. Nach 24 Stunden haben sich die Inhalte überlebt, sie werden nicht gespeichert. Es gibt keine Chronik der Aktivitäten, auf der man sich als Anbieter von Inhalten ausruhen könnte. Um präsent zu sein, muss man regelmäßig liefern. Dass sich ein Politiker also nur halbherzig auf Snapchat einlässt, lässt das Netzwerk erst gar nicht zu.

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