Spähsoftware Berlin schafft umstrittenen Staatstrojaner an

Die Polizei in Berlin soll die Computer Verdächtiger ausspähen können - für 280.000 Euro wird deshalb ein Trojaner der Firma Syborg angeschafft, wie Innensenator Frank Henkel erklärte. Kritiker warnen vor einem programmierten Verfassungsbruch.
Berliner Piraten (Archivbild): Staatstrojaner gegen die Verfassung?

Berliner Piraten (Archivbild): Staatstrojaner gegen die Verfassung?

Foto: Andreas Rentz/ Getty Images

Hamburg/Berlin - Auch Berliner Ermittler sollen künftig die Computer von Verdächtigen unbemerkt ausforschen können. Dazu schafft das Land derzeit eine Überwachungssoftware, einen sogenannten Trojaner, von der Firma Syborg an. 280.000 Euro soll die Anschaffung der Überwachungssoftware kosten. Das sagte Innensenator Frank Henkel (CDU) am Donnerstag in einer Sitzung des Abgeordnetenhauses. Die Piratenpartei hatte eine große Anfrage (PDF-Datei)  zu dem Thema gestellt, deren Beantwortung sich zunächst verzögerte.

Nun ist der Auftrag für den Berlintrojaner erteilt. Christopher Lauer von der Piratenpartei sagte auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE: "Die Software darf nicht zum Einsatz kommen. Wenn Herr Henkel wider besseren Wissens diese Software nutzen lässt, dann ist der nächste Skandal vorprogrammiert." Lauer und sein Kollege Alexander Morlang wiesen darauf hin, dass eine rechtlich saubere Nutzung eines Trojaners nicht machbar sei. "Das Bundesverfassungsgericht hat Schranken für den Einsatz von Quellen-Telekommunikationsüberwachung und Online-Durchsuchung gesetzt, die sich technisch nicht umsetzen lassen", sagte Lauer.

Henkel hatte hingegen betont, der Einsatz einer solchen Software könne rechtmäßig erfolgen und sei für die Ermittlungsarbeit notwendig. Nicht nur die Piratenpartei kritisierte den Einsatz eines Trojaners. Auch Klaus Lederer, Sprecher der Linkspartei für Recht und Verbraucherschutz im Abgeordnetenhaus, nannte den Berlintrojaner unvereinbar mit der Verfassung.

Nötig oder übeflüssig?

Ermittler möchten die sogenannte Quellen-TKÜ deshalb im Repertoire haben, weil beispielsweise Internettelefonie über Dienste wie Skype verschlüsselt stattfindet. Um sie abhören zu können, müsse vor der Verschlüsselung, eben an der Quelle der Kommunikation zugegriffen werden. Allerdings bieten Anbieter wie Skype Strafverfolgern ohnehin Abhörschnittstellen an. Software, die eine Überwachung auf dem Rechner selbst erlaubt, lässt meist auch andere Manipulationen am befallenen Rechner zu.

Im vergangenen Jahr hatte eine Veröffentlichung des Chaos Computer Clubs für Aufsehen gesorgt. Die Hacker hatten einen Staatstrojaner der Firma Digitask auseinandergenommen und sowohl technische Mängel als auch rechtliche Probleme festgestellt. Danach wurde bekannt, dass die umstrittene Software in mehreren Bundesländern zum Einsatz kam - mindestens in Bayern war dies in einem Fall rechtswidrig.

Die Affäre, die keinem Politiker oder Polizeichef sein Amt kostete, führte zum Stopp von Trojaner-Einsätzen. Nun soll das Bundeskriminalamt ein Trojaner-Kompetenzzentrum aufbauen, um den rechtssicheren Einsatz von Spähsoftware zu gewährleisten. Langfristig soll der Bund die Trojaner selbst entwickeln. Kritiker weisen jedoch darauf hin, dass Trojaner kaum so programmiert werden könnten, dass sie nicht illegale Operationen erlaubten.

Die saarländische Firma Syborg hatte im Oktober zur Staatstrojaner-Affäre mitgeteilt, man gebe "generell keine Auskunft über Kunden, potentielle Kunden oder Lösungen". Im Dezember äußerte sich der Firmenchef dann doch: Bei eine Recherche waren Journalisten des MDR in Libyen auf Unterlagen der Firma gestoßen. Dabei handelte es sich offenbar um ein Angebot. Syborg-Chef Robert Lander sagte dem SPIEGEL, es habe "bis dato keinerlei Geschäfte mit beziehungsweise in Libyen getätigt".

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