Nach den Anschlägen Liebe Leserin, lieber Leser,

Foto: SPIEGEL ONLINE

310 Menschen sind bei den Terroranschlägen am Osterwochenende in Sri Lanka getötet worden. Um Chaos zu verhindern, hat die Regierung am Sonntag nicht nur eine Ausgangssperre verhängt, sondern auch landesweit soziale Netzwerke blockiert. So will sie die Verbreitung von Hass und Falschnachrichten eindämmen - und erhielt dafür viel Lob im Netz.

Es gibt aber keinen Grund, die Blockade gegen den Hass zu feiern. Die Netzsperre in Sri Lanka ist wie viele netzpolitische Entscheidungen (siehe auch Urheberrechtsreform und Terrorfilter) eine zunächst einfach klingende Lösung - die aber keine ist.

Facebook, WhatsApp, Instagram, YouTube, Viber, Snapchat und Facebook Messenger wurden in Sri Lanka laut der Netzsperren-Monitoring-Plattform Netblocks  blockiert. Manche Benutzer können offenbar WhatsApp weiter nutzen. Der Regierung zufolge soll der Social-Media-Entzug bis zum Abschluss der Ermittlungen  aufrechterhalten werden. Auch der VPN-Dienst TunnelBear ist gesperrt, wie zahlreiche Twitter-Nutzer aus Sri Lanka derzeit berichten, die mit dem VPN die Blockade umgehen wollten.

Handynutzer in Colombo, Sri Lanka

Handynutzer in Colombo, Sri Lanka

Foto: Ute Grabowsky/ photothek/ imago images

Bereits im März 2018 hatte das Land nach antimuslimischen Ausschreitungen  rund eine Woche lang den Zugang zu sozialen Netzwerken verhindert. Sri Lanka hat eine lange Historie von religiös, ethnisch und politisch geprägter Gewalt und Vergeltungsschlägen; Gerüchte und Hasspropaganda in sozialen Netzwerken verschärfen die Lage sicherlich.

Anderseits liefern Netzwerke und Messenger gerade bei Anschlägen wichtige Hinweise und dienen der Orientierung - auch bei der Suche nach vermissten Familienmitgliedern. Massenmedien können keine ähnlich hyperlokalen Informationen bereitstellen, und sie sind nicht zwingend neutraler: In Sri Lanka werden die traditionellen Medien stark kontrolliert, zudem sind die Medienbesitzer laut Reporter ohne Grenzen  eng mit der Politik verflochten.

Mit vermeintlich "guten" Netzsperren im Kampf gegen Gewalt wird dieses Werkzeug salonfähig gemacht. Politische Blockaden treiben die Fragmentierung des Internets voran - mit China und bald Russland als Extremformen einer völlig abgekoppelten Digitallandschaft. An die Stelle des Traums vom globalen Netz für alle tritt der vom "souveränen Internet" - mit ungesund viel Machtkonzentration bei Nationalstaaten. Toleranz für (wenn auch temporäre) Netzsperren wie in Sri Lanka befördern diesen Trend.

Dass die Blockade so viel Zustimmung erhält, entspringt dem Gefühl der Ohnmacht, das sich nach globalen Hasskampagnen und live ins Netz übertragenen Anschlägen wie in Christchurch verbreitet hat. Es gibt aber keine einfache Lösung gegen Gewalt. Statt Netzwerke abzuschalten, müssen sie zu einer stärkeren Moderation des Hasses gezwungen werden. Und das bedeutet eben viel Aufwand, Arbeit und Frust, für Konzerne, Regierungen und die Zivilgesellschaft.

Seltsame Digitalwelt: Digitaler Detox dank 2FA

Zwei-Faktor-Authentifizierung (2FA) ist eine sinnvolle Sache: Wer seine Onlinekonten vor externen Angreifern schützen möchte, kann eine zweite Sicherheitsstufe einstellen - sodass ein Code aufs Mobiltelefon geschickt wird, den man zusätzlich zum Passwort eingeben muss. Nur wenn das Handy ausfällt (wie bei mir), ist auch der Zugang zu Twitter und Co. gesperrt. Die Optionen in so einem Fall: sich mit den Kundendiensten der Plattformen herumärgern oder sich auf den digitalen Detox einlassen. Ich habe mich diesmal für die weniger investigative Lösung entschieden und zwei Tage Twitter-frei in der Sonne verbracht. Fast wie in den Neunzigern.


App der Woche: "Whispers of a Machine"
getestet von Tobias Kirchner

Foto: Raw Fury

"Whispers of a Machine" ist ein stimmungsvolles Abenteuerspiel, das in einer Scifi-Welt spielt. Atmosphärisch erinnert das Spiel an den Filmklassiker "Blade Runner". Im Mittelpunkt der spannenden Geschichte steht die Agentin Vera, die eine Mordserie aufklären muss. Schnell findet sie heraus, dass hinter dem Routineauftrag mehr steckt. Im Verlauf des Spiels gilt es, Rätsel zu lösen. Gleichzeitig kann der Spieler mit seinen Entscheidungen maßgeblich den Verlauf der Geschichte und das Schicksal der Protagonistin bestimmen. Hinzu kommen ein toller Soundtrack und großartig vertonte Dialoge.

Für 5,49 Euro von Raw Fury: iOS , Android .


Fremdlink: Drei Tipps aus anderen Medien

  • "We built an unbelievable (but legal) facial recognition machine " (Englisch, vier Leseminuten): Überwachung im öffentlichen Raum: Das Privacy Project der "New York Times" hat eine Datenbank mit öffentlichen Fotos und Überwachungskamera-Aufnahmen aus New York aufgebaut - und in dem Material per Gesichtserkennung Personen identifiziert.
  • " You're thinking about smart cities in completely the wrong way " (Englisch, drei Leseminuten): In einem Gastbeitrag in der britischen "Wired" argumentiert Barcelonas Chief Technology and Digital Innovation Officer Francesca Bria für Städte als Schlüsselakteure gegen Tech-Kapitalismus. Statt auf zentrale, auf Tech-Giganten gestützte Strategien zu setzen, könnten Städte mit alternativen Ansätzen experimentieren: "Die Idee, dass alle Lösungen von oben kommen müssen, muss im Hinblick auf die immense Innovation von unten überdacht werden", so Bria.
  • "Brennender Tesla"  (Video, 23 Sekunden)
    Aufnahmen einer Überwachungskamera aus Shanghai zeigen, wie ein parkendes weißes Tesla Model S ausbrennt: Rauchwolken steigen unter dem geparkten Auto auf, dann schießen Flammen hoch. Tesla untersucht derzeit, wie es zu dem Brand kommen konnte.

Ich wünsche Ihnen eine schöne Woche

Sonja Peteranderl

Anmerkung 23.04.2019: SPIEGEL ONLINE haben Hinweise erreicht, dass manche Nutzer in Sri Lanka WhatsApp trotz der Blockade weiter nutzen können.

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