Start noch im Dezember WikiLeaks-Aussteiger baut eigene Seite auf

Jahrelang arbeitete Daniel Domscheit-Berg eng mit Wikileaks-Gründer Julian Assange zusammen, dann kam es zum Zerwürfnis. Dass er eine eigene Seite plant, war bereits bekannt, nun soll es überraschend schnell gehen: Noch im Dezember will der 32-Jährige die neue Internetplattform starten.
Seine Web-Seite werde transparenter sein als WikiLeaks, kündigte Domscheit-Berg in der Zeitschrift "Focus" an. Zudem sollen die Absender selbst bestimmen, wer ihre Dokumente veröffentlicht. Die Plattform wolle nur die technische Infrastruktur zur Verfügung stellen, über die geheime Dokumente sicher verschickt werden können.
Auch in der "tageszeitung" hatte Domscheit-Berg diese Woche den baldigen Projektstart angekündigt, gemeinsam mit anderen WikiLeaks-Aussteigern. Das Ziel des bisher namenlosen Netzwerks: "Möglichst viele Menschen sollen möglichst viele Dokumente entgegennehmen können." Die Macht solle dabei "möglichst weit verteilt" werden, sagte er der Zeitung. Man habe die Erfahrung gemacht, dass Macht zu leicht korrumpieren könne.
Nachdem eine Gruppe um den Australier Julian Assange WikiLeaks Ende 2006 gegründet hatte, war Daniel-Domscheit-Berg ein Jahr später dazugestoßen. Der Berliner Informatiker gab dafür seinen bisherigen Beruf auf und wurde, als einer von wenigen Vollzeitmitarbeitern, zum Sprecher der Enthüllungsplattform, deren Ziele er stets besonnen und sachlich erklärte - unter dem Namen Daniel Schmitt, zum Schutz vor Angriffen. Das Pseudonym gab er erst mit seinem WikiLeaks-Ausstieg im September auf.
Zerwürfnis mit Folgen
Es wurde eine Trennung mit Donnergrollen, neben Daniel Domscheit-Berg gingen auch andere Mitarbeiter im Streit. Nach einer längeren Phase, in der Domscheit-Berg alias Schmitt das Gesicht von WikiLeaks war, häuften sich offenbar die Auseinandersetzungen. Ende September veröffentlichte Wired.com ein Chat-Protokoll, das der Web-Seite von einem "WikiLeaks-Insider" zugespielt worden sei. Darin debattierten die beiden zusehends hitziger und zorniger über interne Vorwürfe anderer Aktivisten gegen Assange; es geht vor allem um dessen autoritäres Gehabe und seinen ruppigen Umgang mit Miitstreitern.
Diese Aussagen schrieb Assange Domscheit-Berg zu und verlangte Wired.com zufolge eine Stellungnahme. Am Ende gipfelte der Chat demnach in folgender Passage:
Domscheit-Berg: Du bist von niemanden der König oder Gott. Und du füllst momentan nicht einmal deine Rolle als Anführer aus. Ein Anführer kommuniziert und pflegt das Vertrauen in ihn. Du tust das genaue Gegenteil. Du benimmst dich wie eine Art Imperator oder Sklavenhändler.
Assange: Du bist für einen Monat suspendiert, gültig ab sofort.
Domscheit-Berg: (…) Weswegen? Und wer sagt das überhaupt? Du? Noch so eine Ad-hoc-Entscheidung?
Assange: Wenn du das anfechten willst, wirst du Dienstag angehört.
Es blieb nicht bei einer Vier-Wochen-Pause, Domscheit-Berg zog sich ganz zurück, erklärte die Gründe in einem SPIEGEL-Interview und ging zugleich erstmals unter seinem echten Namen an die Öffentlichkeit. Die Entwicklung, mit dem WikiLeaks-Wachstum professioneller und transparenter zu werden, bezeichnete er als "intern blockiert". Zudem habe Assange den Vorschlag, sich wegen der Vergewaltigungsvorwürfe in Schweden zeitweise aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen, als "Angriff auf seine Rolle" gewertet.
Trotz der heftigen internen Auseinandersetzungen mit Assange behielt Domscheit-Berg seine Loyalität zum Projekt WikiLeaks und setzt weiter auf die Idee von dezentralen Enthüllungsplattformen. "Daran werde ich jetzt arbeiten", kündigte er schon im SPIEGEL-Interview nach seinem Ausstieg an, "am Ende muss es tausend WikiLeaks geben".
Eines dieser Projekte plant er jetzt zügig selbst an den Start zu bringen. Zudem will Domscheit-Berg über seine Erfahrungen "in der Schaltzentrale" in einem Buch berichten, das bei Amazon bereits angekündigt ist und voraussichtlich am 27. Januar 2011 erscheint: "Inside WikiLeaks. Meine Zeit bei der gefährlichsten Website der Welt." Ein "Enthüllungsreport voller unbekannter Fakten" über die Enthüllungssseite soll es werden.