Street-View-Debatte Googles Autos erfassten E-Mails und Passwörter

Aufbau eines Street-View-Autos: Passwörter, E-Mails, URLs erfasst
Foto: ddpDie tatsächlich peinliche Passage kommt erst sehr spät in dem Eintrag, den Google-Manager Alan Eustace am Freitag in mehreren Unternehmensblogs veröffentlichte. Zuerst ist da von all den Maßnahmen die Rede, die man ergriffen habe, damit so etwas nie wieder vorkommt: Eine Beauftragte für Privatsphäre und Datenschutz wird benannt, ein neues Trainingsprogramm für die eigenen Angestellten angekündigt, neue interne Kontrollprozesse. Dann, im letzten Absatz kommt Eustace auf den Punkt, der für Google noch zum Problem werden dürfte: Die Street-View-Autos, die doch eigentlich nur Häuserfronten fotografieren sollten, haben nicht nur W-Lan-Hot-Spots lokalisiert, sie haben dabei nicht nur sinnlose, zufällige Datenschnipsel versehentlich miterfasst - sondern zum Teil "ganze E-Mails und URLs sowie Passwörter".
Die Information bezieht sich nicht auf die in Deutschland miterfassten Daten. Ein Sprecher von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) erklärte jedoch, auch hierzulande sei womöglich Ähnliches passiert: "Es ist zu befürchten, dass neben E-Mail-Fragmenten auch Passwörter für Mail-Konten und Online-Banking aufgefangen wurden. Bewahrheiten sich diese Befürchtungen, wäre das ein klarer Verstoß gegen deutsches Recht", sagte Aigners Sprecher Holger Eichele.
Bislang war die offizielle Unternehmensposition: Ja, man habe da einen Fehler gemacht und Daten erfasst, die nun wirklich nichts mit Häuserfronten oder Lokalisierungsdiensten zu tun haben. Aber dabei habe es sich bloß um wertlosen Datenmüll gehandelt. Nun, schrieb Eustace, sei man "beschämt", werde diese Daten "so bald wie möglich löschen" und entschuldige sich erneut dafür, sie überhaupt erfasst zu haben.
Sobald wie möglich löschen? Warum nicht sofort? In Deutschland beispielsweise existieren die versehentlich gesammelten Daten noch. Gelöscht würden sie erst dann, "wenn wir die Aufforderung von den Behörden bekommen", erklärte Google-Sprecher Kay Oberbeck auf Nachfrage von SPIEGEL ONLINE. In anderen Ländern, etwa Österreich und Irland habe man diese Aufforderung bereits erhalten und die Daten gelöscht. In Deutschland aber sind sowohl der Hamburger Datenschutzbeauftragte als auch die Hamburger Staatsanwaltschaft noch mit ihren Ermittlungen beschäftigt. "Soweit wir wissen, sind die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen, so dass noch kein Abschlussbericht vorliegt", so Oberbeck. "Wir haben die Behörden in ihren Untersuchungen von Beginn an unterstützt."
Informationen nicht ausgewertet
Google hatte schon im Mai eingeräumt, dass die Kamerawagen, die Bilder für den Online-Straßenatlas Street View machten, auch Informationen aus unverschlüsselten W-Lan-Netzen aufgezeichnet hatten. Das sei durch einen Software-Fehler passiert und lange nicht aufgefallen. Die Informationen seien nur sehr bruchstückhaft mitgeschnitten worden, da die Empfänger in den Autos fünfmal pro Sekunde den Kanal gewechselt hätten.
Google betont, die Informationen nicht ausgewertet, sondern den Behörden übergeben zu haben. Erst bei deren Untersuchungen sei aufgefallen, dass auch ganze E-Mails, Internetadressen und Passwörter unter den Daten seien, hieß es nun. Die Fahrzeuge sollten eigentlich nur eine Art Karte der W-Lan-Hot-Spots erstellen, als Unterstützung für GPS-Orientierungsdienste. Mit Hilfe der Signalstärke bekannter W-Lan-Hot-Spots kann man recht genau die aktuelle Position zum Beispiel eines Handys bestimmen. Das hilft unter anderem, wenn es kein gutes Signal von GPS-Satelliten gibt. Das Verfahren wird auch von anderen Anbietern genutzt.
In Deutschland sind die Street-View-Aufnahmen vorerst abgeschlossen, ob und wann die Kamerawagen wieder auf deutsche Straßen kommen, ist unbekannt. Street View soll hierzulande bis Ende des Jahres für die 20 größten Städte verfügbar sein. Am Donnerstag hatte Google mitgeteilt, dass gut 244.000 Haushalte in den Städten einen Antrag gestellt hätten, ihre Häuser auf den Straßenansichten unkenntlich zu machen. Mit der versehentlichen Erfassung der W-Lan-Daten aber haben die Einsprüche nichts zu tun - viele davon dürften auf Missverständnissen beruhen.
Die Maßnahmen, die Eustace nun ankündigte, reichen weit über die Street-View-Probleme hinaus und könnten auch einen anderen Hintergrund haben. Der Datenschutz bei Google war im September auch in den USA in die Kritik geraten. Ein Google-Mitarbeiter war wegen Verstößen gegen Datenschutz-Richtlinien entlassen worden. Zuvor hatte das Blog "Gawker" berichtet, der 27-jährige Mann habe wiederholt in Google-Accounts mehrerer ihm bekannter Teenager herumgeschnüffelt.
Google bestätigte den Bericht zwar nicht. Ein Google-Manager räumte zugleich grundsätzlich ein, dass es Mitarbeiter gebe, die Zugang zu Nutzerinformationen haben: "Eine eingeschränkte Zahl von Menschen wird immer einen Zugang zu diesen Systemen haben müssen, wenn wir sie ordentlich betreiben wollen." Deshalb nehme Google jedes Eindringen in die Systeme sehr ernst. So sei die Auswertung interner Zugangsinformationen ausgeweitet worden.