Streit mit der Gema Plattenbosse rebellieren gegen YouTube-Blockade

Die Deutschland-Chefs von Sony Music und Universal Music attackieren die Gema. Die Verwertungsgesellschaft verhindert hartnäckig die Sendung zahlreicher Songs auf YouTube. Der Verdacht der Platten-Manager: Die Gema sei noch nicht im Digitalzeitalter angekommen.
YouTube-Fehlermeldung: "Insofern haben wir die Meldung präzisiert"

YouTube-Fehlermeldung: "Insofern haben wir die Meldung präzisiert"

Hamburg - YouTube-Nutzer kennen dieses Phänomen: Viele Musikvideos lassen sich in Deutschland auf der Plattform nicht abspielen: Das Videofenster bleibt schwarz, statt des erhofften Clips gibt es eine Fehlermeldung: "Leider ist dieses Video in Deutschland nicht verfügbar."

Bisher nannte YouTube-Eigner Google   an dieser Stelle nur die Namen der Musikkonzerne, bei denen der Interpret unter Vertrag war. Seit vergangener Woche wird klargestellt, warum etliche Videos nicht zu sehen sind: Zwischen YouTube und der deutschen Verwertungsgesellschaft Gema, bei denen die Künstler unter Vertrag sind, gibt es Streit ums Geld - und das seit Jahren. Eine schnelle Einigung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die Gema hat YouTube im vergangenen Jahr verklagt. Unter diesen Umständen aber will Google keine weiteren Verhandlungen führen.

Jetzt melden sich erstmals die Chefs zweier großer Musikunternehmen zu Wort - und sparen nicht mit Kritik an der Gema. "Man darf sich die Frage stellen, warum eine Einigung zwischen Verwertungsgesellschaften und YouTube in vielen Musikmärkten möglich ist, nicht aber in Deutschland, dem wichtigsten Markt Europas", sagt Frank Briegmann, der Deutschland-Chef von Universal Music, zu SPIEGEL ONLINE.

Auch der Deutschland-Chef von Sony Music, Edgar Berger, verliert die Geduld: "Alles muss durch ein Nadelöhr, den Gema-Aufsichtsrat. Einige Mitglieder scheinen noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen zu sein", sagt er auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE. Es gebe "offenbar kein Interesse daran, werbefinanzierte Musik-Streamingdienste wie Vevo, YouTube und Spotify in Deutschland zuzulassen", so Berger. Dadurch entgingen den Künstlern und den Musikkonzernen potentielle Einnahmen in Millionenhöhe.

Kampf der Interessen

Die Gema nimmt die Urheberrechte von Komponisten und Autoren wahr. Es sind nicht immer die Künstler selbst, die Musikstücke schreiben oder komponieren, und nicht immer haben Musiklabel diese Rechte. Das ist wichtig, um die Interessen bei dem Streit über die Gema-Forderungen richtig einordnen zu können: Die Gema schüttet Geld direkt an Autoren und Komponisten aus oder auch an Musikverlage, die wiederum Verträge mit einigen Urhebern geschlossen haben.

Geld nimmt die Gema für jede hergestellte CD, jeden digital verkauften Song, jede Live-Interpretation, jede Nutzung eines Titels in Werbespots, bei Downloads im Webradio oder in Streamingdiensten - wenn sie die Urheber der gespielten Titel vertritt. Das führt zum Beispiel dazu, dass Label für die Produktion von Tonträgern Gebühren an die Gema bezahlen. Inzwischen versuchen Label, sich von ihren Künstlern auch die Urheberrechte einräumen zu lassen, um auch einen Teil der Gema-Einnahmen zu erhalten.

Kurz gesagt: Wenn die Label alle Rechte an allen Stücken hätten, würden sie womöglich anders argumentieren.

Verwertungsgesellschaften in anderen Staaten einigen sich mit Google

Dennoch zeigt der Vergleich mit dem Ausland, dass andere Verwertungsgesellschaften sich schneller mit Google einigen können. Sony-Mann Berger zieht diesen Vergleich zu Nachbarländern wie etwa Frankreich und Italien: "Dort einigen sich Verwertungsgesellschaften mit solchen Internetangeboten - warum ist das nicht auch hier möglich?" Berger betont, dass faire Entlohnung der Künstler ein wichtiges Thema sei. "Ich kann es verstehen, wenn man sich mal nicht einig ist. Aber Teile des Gema-Aufsichtsrats blockieren hier eine Entwicklung, die absolut wichtig für den hiesigen Musikmarkt ist", sagt Berger. "Das kann ich nicht akzeptieren."

Es sei völlig klar, dass Künstler angemessen entlohnt werden müssten, sagt Universal-Music-Chef Briegmann. "Aber dass sich Gema und YouTube offenbar seit Jahren nicht einigen können, ist langsam unverständlich." Sowohl für die Künstler als auch für die Nutzer sei die Situation bedauerlich. "Wir kennen die Details der Verhandlungen zwar nicht, aber was an Preislisten von der Gema veröffentlicht wurde, ist schlicht unrealistisch."

Auf der Gema-Website heißt es in den "Lizenzierungsgrundlagen"  für "Anbieter von Musikvideo-on-demand-Portalen" tatsächlich, die "Mindestvergütung je entgeltlich oder unentgeltlich" genutzten Werks aus dem Gema-Repertoire mit einer Spieldauer bis zu fünf Minuten betrage 0,1278 Euro. Durch Online-Werbung lässt sich ein Streaming-Angebot vor diesem Hintergrund kaum finanzieren. Für 1000 Abrufe würden knapp 130 Euro fällig, mit Werbung lassen sich nach Branchenschätzungen 20 bis 25 Euro erzielen - ein Verlustgeschäft. Vor zwei Jahren hatte eine Gema-Sprecherin erklärt, man habe 1 Cent pro Abruf geboten, dafür aber zusätzliche Nutzungsdaten gefordert.

Keine Details, keine Einigung

Briegmanns Vorschlag: Die Gema solle dem digitalen Markt eine Chance geben. "Dann muss man sehen, wie sich das entwickelt, und die Vergütung der Künstler gegebenenfalls nach oben korrigieren." In zahlreichen Gesprächen habe man versucht, die Gema zum Einlenken zu bewegen, so der Chef von Universal Music. Offenbar ohne Erfolg, weshalb er seinen Unmut nun öffentlich macht.

Zu den Details der Verhandlungen zwischen YouTube und Gema wollen sich die beiden hingegen nicht äußern: Die Gespräche sind geheim, es gibt allenfalls Vermutungen über die Streitpunkte.

Eine Blockadehaltung weist Gema-Sprecher Peter Hempel entschieden zurück. Es gebe in Deutschland einfach ein starkes Urheberrecht - mit dem Dienst Qriocity habe man trotzdem eine Einigung erzielt. "Die Verhandlungen waren sehr konstruktiv und schnell." Auch mit dem Streamingdienst Simfy habe die Gema einen interimistischen Lizenzvertrag geschlossen, man sei nun wieder in Verhandlungen. Mit YouTube hingegen gebe es bisher keine Einigung auf ein Nutzungsmodell. Hempel bedauert, dass er zu dem Streit kaum etwas sagen kann - beide Seiten haben sich vertraglich dazu verpflichtet, Stillschweigen über die Vertragsverhandlungen zu wahren.

Nach eigenen Angaben hat YouTube weltweit 20 Vereinbarungen mit Verwertungsgesellschaften für 33 Länder getroffen. So könnten Nutzer auf der Plattform Musik genießen und Rechteinhaber dafür bezahlt werden. Auch in Deutschland wolle das Unternehmen Erlöse mit Musik auf seiner Plattform erzielen und diese mit den Mitgliedern der Gema und anderen Rechteinhabern teilen, sagt Google-Sprecher Kay Oberbeck.

Sony-Chef nennt Deutschland "digitales Entwicklungsland"

Er verweist auf die kürzlich getroffenen Lizenzvereinbarungen in Italien, Spanien und Polen - und bedauert die jetzt in den USA zugestellte Klage der Gema. Darin wirft die Organisation der Video-Plattform Urheberrechtsverletzungen vor, konkret geht es in der Klage um zwölf Titel, die offenbar auf YouTube abrufbar waren. Darunter auch "Lieder, die die Liebe schreibt", geschrieben von Frank Dostal, aufgeführt von Nana Mouskouri. Pikantes Detail: Frank Dostal ist stellvertretender Vorsitzender des Gema-Aufsichtsrats.

Google-Sprecher Oberbeck betont, dass YouTube nach einem entsprechenden Hinweis Videos, die Urheberrechte verletzten, umgehend aus dem Angebot entfernt. Außerdem biete man einen Service namens "Content-ID" an. Rechteinhaber können diese Datenbank mit digitalen Fingerabdrücken ihrer Musik füttern, das System erkennt dann, in welchen Videos diese Musik genutzt wird. Die Rechteinhaber könnten dann entscheiden, was mit den Videos passieren soll.

Einige Label, so Oberbeck, würden die Nutzung einfach zulassen, um ihre Künstler bekannter zu machen. Eine Vorabkontrolle vor der Veröffentlichung eines Videos lehnt er ab. Dies sei nicht praktikabel. Aktuell werden jede Minute 48 Stunden neues Videomaterial auf YouTube hochgeladen.

Für Sony-Music-Chef Berger ist klar: "Deutschland ist im digitalen Musikmarkt ein Entwicklungsland - und ein wesentlicher Grund dafür ist die Haltung der Gema."

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