Urheberrecht Europäischer Gerichtshof entscheidet fürs freie Verlinken

Direkte Links sind erlaubt, Einbetten unter Umständen auch: Der Europäische Gerichtshof konkretisiert in einem ersten Urteil eine alte EG-Richtlinie fürs Facebook-Zeitalter. Tenor: Staaten sollten die Rechte von Urhebern nicht durch extreme Auslegungen allzu sehr ausweiten.
Lachende Katze: Öffentliche Katzenvideos (unter anderem) darf jeder verlinken

Lachende Katze: Öffentliche Katzenvideos (unter anderem) darf jeder verlinken

Foto: Corbis

Luxemburg - Wer im Netz ein Suchportal mit Links zu Artikeln betreibt, braucht dafür keine Erlaubnis der Urheber der Texte. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschieden . Der Fall dürfte eine Orientierung für weitere Entscheidungen über das Einbetten von Videos und Fotos im Netz sein. Denn bei dem nun entschiedenen Fall ging es um eine grundsätzliche Frage: Was bedeutet öffentliches Zugänglichmachen online?

In dem Fall hatte ein schwedischer Journalist gegen einen Artikelsammeldienst geklagt. Der Dienst bietet Kunden gegen Zahlung Medienbeobachtung an. Die Abonnenten erhalten Links zu online erschienenen Zeitungsartikeln zu bestimmten Themen oder Schlagworten, die sie abonniert haben. Der Journalist wollte Geld von dem Dienstleister, sein Argument: Die Linksammlungen seien eine neue Art der Veröffentlichung seiner urheberrechtlich geschützten Werke. Dafür müsse der Mediendienstleiter zahlen.

Das oberste schwedische Gericht Svea hovrätt hat diesen Fall dem EuGH mit mehreren Fragen weitergeleitet. Grund dafür ist eine vage formulierte EG-Richtlinie  aus dem Jahr 2001. Darin heißt es, dass Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die "öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke (…)" zu erlauben oder zu verbieten. Aus dieser Formulierung könnte man ein Recht für den Journalisten herauslesen, dem Artikelsammeldienst die Verlinkung zu untersagen oder zu genehmigen.

Wer Öffentliches verlinkt, muss nicht fragen

Die Richter am EuGH sehen das nicht so. Sie konkretisieren die Richtlinie so:

Wenn ein Portal - wie der Artikelsammeldienst - Texte verlinkt, ist das eine öffentliche Zugänglichmachung der Werke. Dennoch urteilt der EuGH, dass der Portalbetreiber keine Erlaubnis zum Verlinken braucht. Denn in dem konkreten Fall seien die Artikel auf der verlinkten Website frei zugänglich.

Aus dieser Besonderheit schlussfolgern die Richter: Das verlinkte Angebot richtet sich an ein großes, allgemeines Publikum, diese vom Betreiber angesprochene Zielgruppe schließe auch die Nutzer des verlinkenden Portals ein. Deshalb müsse der Verlinkende keine Erlaubnis einholen - er schaffe kein neues Publikum. Der EuGH formuliert diese Differenzierung in seiner Mitteilung  so: "[...] sind die Nutzer der Seite von Retriever Sverige nämlich als Teil der Öffentlichkeit anzusehen, die die Journalisten hatten erfassen wollen, als sie die Veröffentlichung der Artikel auf der Seite der Göteborgs-Posten erlaubten".

Der EuGH äußert sich am Rande auch vage zum Einbetten von Inhalten. In dem schwedischen Fall war es offenbar so, dass man beim Klick auf einen Artikellink den Eindruck haben konnte, weiter auf der Seite des Portalbetreibers zu sein, obwohl der angezeigte Text direkt aus dem Archiv des verlinkten Mediums kam. So eine Art von Einbetten ist laut EuGH nicht genehmigungspflichtig, wenn dasselbe Publikum erreicht wird.

Grenzen des Rechts auf freies Verlinken

Die EuGH-Entscheidung formuliert auch Schranken für dieses Recht aufs Verlinken und Einbetten. Das Gericht schreibt, es hätte anders entschieden, wären die verlinkten Artikel in dem Fall in irgendeiner Form mit einer Zugangsbeschränkung versehen gewesen. Das Gericht argumentiert wieder mit der Größe der angesprochenen Publikums: Wenn ein Urheber Maßnahmen ergreift, um die Wiedergabe nur auf eine bestimmte Zielgruppe (zum Beispiel Abonnenten) zu beschränken, darf ein Verlinkender diese "beschränkenden Maßnahmen" nicht ohne Erlaubnis umgehen.

Der Tenor des Urteils lässt sich als Plädoyer für ein freies Netz lesen, in dem öffentlich zugängliche Inhalte grundsätzlich verlinkt und eingebettet werden dürfen. Der Gerichtshof stellt in seiner Mitteilung fest: Mitgliedstaaten haben nicht das Recht, den Schutz der Rechteinhaber durch Erweiterung des Begriffs der "öffentlichen Wiedergabe" zu verschärfen. Dadurch entstünden "rechtliche Unterschiede und somit Rechtsunsicherheit".

Wasserfilter-Urteil wird Einbettung klären

Dem EuGH liegt ein vergleichbarer Fall zur Entscheidung vor. In dem Fall geht es nicht um Links auf Artikel, sondern um ein eingebettetes YouTube-Video. Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren wegen eines Werbefilms für Wasserfilter dem EuGH vorgelegt (Az I ZR 46/12). Die Bundesrichter wollen vom EuGH eine Auslegung der EG-Richtlinie, um die es auch beim jetzigen Urteil ging. Die Frage: Ist das Einbinden eines Videos so etwas wie ein einfaches Verlinken?

Der deutsche Fall hat die Besonderheit, dass der Urheber das Werk nicht selbst bei YouTube hochgeladen hat. Mit der Publikumsdefinition des EuGH allein kommt man in diesem Fall also nicht weiter. Das Wasserfilter-Urteil dürfte für Internetnutzer noch größere Bedeutung als die Entscheidung über das Artikelportal haben. Denn wer weiß schon, ob die bei Facebook eingebetteten lustigen Katzenvideos wirklich vom Urheber veröffentlicht wurden?

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