
Drohnen: Einsatz in den USA
US-Gesetz zu Drohnen Angst vor den fliegenden Augen
Nur das tiefe Surren seiner Flügel verrät, dass der kleine Vogel kein echter Kolibri sein kann. Ansonsten bewegt er sich genauso wie sein Vorbild aus der Natur. Mal vorwärts, mal rückwärts, mal seitwärts. Er wiegt sogar so viel wie ein echter Kolibri, hat eine Flügelspannweite von 16 Zentimetern.
Doch er ist eine Drohne, ein unbemannter Flugroboter namens "Nano Hummingbird", hergestellt von der US-Firma AeroVironment und ausgestattet mit einem Spionagesystem samt Videokamera. Ein Bildschirm auf der Fernsteuerung zeigt dem Piloten, was die Drohne sieht.
Flugdrohnen kennt man bisher vor allem aus dem Anti-Terror-Kampf, mit ihnen machen die Amerikaner Jagd auf al-Qaida. Präsident Barack Obama hat den Drohneneinsatz seit seinem Amtsantritt massiv ausgeweitet. Doch bald dürften Flugroboter wie der Nano-Kolibri auch innerhalb der USA immer häufiger abheben, wenn auch nicht, um zu töten. Sie sollen der Beobachtung von Verdächtigen, Gebäuden, Ackerland oder Extremwetterlagen dienen.
Fliegende Grenzwächter
Dies ermöglicht ein Gesetz, das Obama bereits im Frühjahr unterschrieben hat, das aber erst jetzt bei Bürgerrechtlern für Empörung sorgt. Demnach soll der amerikanische Himmel bis spätestens 2015 für Zehntausende Drohnen geöffnet werden. Dann sollen erstmals auch Privatleute und Firmen Drohnen über US-Territorium einsetzen dürfen. Bislang konnten das nur offizielle Stellen wie Polizei oder Militär. So unterhält etwa das Verteidigungsministerium 64 Drohnenstützpunkte im Inland, wie die Datenschutzorganisation "Public Intelligence" herausgefunden hat . Und das Heimatschutzminsterium lässt bereits die amerikanisch-mexikanische Grenze mit neun unbewaffneten Drohnen überwachen.
Noch fliegen nur gut 300 Drohnen mit offizieller Genehmigung über den USA. Bis 2020 jedoch rechnet die Luftfahrtbehörde FAA wegen des neuen Gesetzes mit 30.000 Flugrobotern. Kleine Spione wie der Nano-Kolibri könnten dann in den USA Alltag werden. In ihrer günstigsten Variante sind sie zudem für jedermann erschwinglich. Kostenpunkt: 300 Dollar. So ist die Drohne als günstige Plattform für alle möglichen Anwendungen denkbar: Für schräge Kamerafahrten bei Hollywood-Filmen, für Reporter - aber auch für Privatpersonen, die ihre Nachbarn bespitzeln möchten. Gerade Selbstbau-Drohnen sind mittlerweile durchaus auch ein Hobby mit wachsender Fangemeinde.
In Deutschland: Drohnen im Polizeieinsatz sind schon Alltag
Kritik kommt keineswegs nur von links. Der republikanische US-Senator Rand Paul, Sohn des Ex-Präsidentschaftsbewerbers Ron Paul, sorgt sich öffentlich um die Privatsphäre der Amerikaner. "Ich möchte nicht, dass eine Drohne über meinem Haus herumschwirrt und Fotos davon macht, ob ich auch meinen Müll trenne", schrieb Paul in einem CNN-Kommentar. Vor kurzem hat der Senat sogar einen überparteilichen Ausschuss zu dem Thema gegründet.
Wo liegen die Grenzen?, fragen sich die Kritiker. In den USA braucht bisher jeder Roboter, der höher als etwa 130 Meter fliegt, ein Zertifikat der Luftfahrtbehörde FAA. Bislang konnten nur offizielle Stellen so eine Fluggenehmigung beantragen. Künftig soll es praktisch jeder dürfen.
In Deutschland ist ein neues Gesetz zum Thema seit Juni in Kraft. Eine Drohne, die weniger als fünf Kilogramm wiegt, darf bis zu 100 Meter hoch aufsteigen - allerdings nur mit befristeter Erlaubnis und mit - zumindest theoretisch - strengen Auflagen: Katastrophengebiete, Unglücksorte, Menschenansammlungen, Gefängnisse, Industrieanlagen, Kraftwerke, Militärbasen dürfen beispielsweise nicht überflogen werden. Und: Unbeaufsichtigt darf eine Drohne nicht fliegen, der Pilot muss sie immer sehen können. All das zu kontrollieren, ist jedoch schwierig.
Auch der Staat hat hierzulande die Vorteile der Fluggeräte schon für sich erkannt: Polizeibehörden in diversen Bundesländern setzen Drohnen längst ein, sehr zum Unmut von Datenschützern und Bürgerrechtlern .
Naturkatastrophen aus sicherer Entfernung dokumentieren
"Es ist wie mit anderen Errungenschaften auch, die zunächst überwiegend vom Militär genutzt wurden", sagt Ryan Calo von der Washington State University: "Es gab das Computerzeitalter, dann das Internetzeitalter. Jetzt kommt das Robotikzeitalter." Seit vielen Jahren schon forscht der Rechts- und Roboterexperte Calo zu Drohnen.
Die Hersteller sind erfreut über den neuen zivilen Absatzmarkt. "Drohnen helfen, die öffentliche Sicherheit zu verbessern", sagt Melanie Hinton, Sprecherin der Association for Unmanned Vehicle Systems International. Die Gruppe ist die größte Drohnen-Lobby in den USA und hat die umstrittene Gesetzesnovelle maßgeblich mit auf den Weg gebracht. Hinton schwärmt: Die Roboter könnten etwa bei gefährlichen Such- und Rettungsaktionen assistieren oder Folgen einer Naturkatastrophe aus sicherer Ferne dokumentieren.
Was aber geschieht mit all den Daten, die die Drohnen auf solchen Ausflügen sammeln? "Die Luftfahrtbehörde hat sich bei den Genehmigungen ausschließlich um Fragen der Flugsicherheit gesorgt", sagt Experte Calo. Genau darin sehen US-Bürgerrechtsgruppen ein Einfalltor für totale Überwachung.
"Durch den sehr schwachen Schutz der Privatsphäre in den USA besteht durchaus große Gefahr, dass die Polizei Drohnen routinemäßig zur Massenbeobachtung einsetzt", sagt Jay Stanley von der American Civil Liberties Union. "Stellen Sie sich eine Demonstration vor, bei der eine Polizeidrohne jeden Teilnehmer beobachtet. Das wäre ein Einschnitt in die freie Meinungsäußerung und damit in die Verfassung", fügt Jennifer Lynch von der Electronic Frontier Foundation (EFF) hinzu.
Elektroschockpistolen und Gummigeschosse?
Unter dem neuen Gesetz muss die Luftfahrtbehörde FAA nahezu bedingungslos den Einsatz von Polizei- oder Rettungsdrohne genehmigen. Einzige Bedingung: Die Drohne muss leichter als zwei Kilo sein. Bislang waren solche Genehmigungen eher die Ausnahme.
Nach Angaben der EFF testen derzeit acht Polizeistationen den Drohneneinsatz bei Observationen oder im Kampf gegen Verkehrssünder. Einige Sheriffs hätten nach der Gesetzesänderung gar angekündigt, im Einzelfall auch Drohnen einzusetzen, die mit Elektroschockpistolen oder Gummigeschossen ausgestattet sind, berichtet die US-Zeitung "The Daily". Das lässt an den neuen Thriller von Bestsellerautor Daniel Suarez denken: In "Kill Decision" wird die US-Bevölkerung aus der Luft terrorisiert - mit schwer bewaffneten, autonomen Drohnen.
Der größte zivile Nutzer von Drohnen in den USA sind bisher Universitäten. Laut EFF sind die Flieger an 17 amerikanischen Unis im Einsatz - bislang jedoch ausschließlich im Dienst der Wissenschaft. "Wir haben kleine, selbstgebaute Flugkörper, um in und um Gewitter und Tornados zu fliegen", erklärt Bronsen Hillard von der University of Colorado in Boulder. "Wir verwenden keine Drohnen oder Ähnliches, um auf dem Campus für Sicherheit zu sorgen."
Rechtsexperte Calo warnt dennoch: "Es gibt jede Menge Anreize, Drohnen zur Überwachung einzusetzen, und sehr wenig, was rechtlich dagegen spricht."