Debatte ums NetzDG EU-Justizkommissarin zweifelt am Maas-Gesetz

Welches ist die beste Strategie gegen Hass im Netz? Was das Löschen einschlägiger Postings anbelangt, setzt EU-Kommissarin Jourová weiter auf Freiwilligkeit im Umgang mit Konzernen - anders als Deutschland.
Vera Jourová

Vera Jourová

Foto: How Hwee Young/ picture alliance / dpa

EU-Justizkommissarin Vera Jourová sieht im deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) kein Vorbild für Europa.

Darin sei sie sich mit vielen Justizministern in den EU-Mitgliedstaaten einig, sagt Jourová im Gespräch mit dem SPIEGEL. "Unser Ziel war nie, dass die Social-Media-Plattformen 100 Prozent der beanstandeten Inhalte löschen, das ist ein entscheidender Unterschied zum deutschen Gesetz", so die EU-Kommissarin. "Es bedarf einer feinen Unterscheidung zwischen dem, was noch von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, und wirklich illegalen Inhalten, auf Basis des europäischen Rechts", so die Kommissarin. (Lesen Sie hier das ganze Gespräch im neuen SPIEGEL.)

Anders als Deutschland setzt die EU-Kommission weiter auf ihr Modell einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Internetunternehmen, um Hasskommentare zu bekämpfen. "In unserem System lässt das IT-Unternehmen womöglich im Zweifel ein Posting auf der Seite. In Deutschland löscht es lieber schnell, weil es sonst drakonische Strafen riskiert", so Jourová. "Die Abschreckungswirkung des deutschen Gesetzes funktioniert, aber sie funktioniert vielleicht zu gut. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mir das für ganz Europa wünsche."

Jourová hatte 2016 mit Facebook, Twitter, YouTube und Microsoft einen Verhaltenskodex erarbeitet, inzwischen ist auch Instagram beigetreten. "Ich habe die Internetunternehmen diszipliniert", sagt die Kommissarin. "Die Unternehmen tun, was wir von ihnen erwarten. Sie löschen 70 Prozent der beanstandeten Inhalte von ihren Seiten. Und es geht heute deutlich schneller als noch vor einem Jahr."

Viele Prüfungen binnen 24 Stunden

Entsprechende Zahlen, die die Kommission mithilfe von NGOs und staatlichen Einrichtungen erhoben hat, präsentiert Jourová am Freitag in Brüssel. Danach ging nicht nur die Zahl der entfernten Inhalte nach oben: Facebook etwa entfernte 79,8 Prozent der beanstandeten Inhalte, YouTube 75 und Twitter 45,7 Prozent. Auch die Geschwindigkeit, mit der die Tech-Konzerne auf Beschwerden reagieren, habe sich deutlich beschleunigt, so Jourová.

Heute würden die beteiligten IT-Firmen über 80 Prozent der beanstandeten Postings innerhalb von 24 Stunden überprüfen, so die neue Untersuchung der Justizkommissarin. Die Erhebungen der Kommission basieren auf rund 3000 Meldungen an die Internetunternehmen. Die beanstandeten Tweets beinhalteten Hasskommentare gegen Muslime genauso wie generell fremdenfeindliche Äußerungen oder Angriffe auf Personen wegen ihrer sexuellen Orientierung. Auch antisemitische Postings wurden entfernt.

Mit der Realität auf den Plattformen lassen sich Erfolgsmeldungen dieser Art allerdings nur bedingt in Einklang bringen, denn die Zahlen beziehen sich ausschließlich auf gemeldete Inhalte - die Meldequote allerdings ist noch immer verschwindend niedrig.

Am Dienstag will Jourová mit Facebook-Managerin Sheryl Sandberg über weitere Verbesserungen reden. Ein Problempunkt ist beispielsweise weiterhin, dass etwa ein Drittel der Internetnutzer kein Feedback darüber erhält, was aus ihren Beschwerden geworden ist.

Jourová äußert bei aller Skepsis dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz gegenüber allerdings auch Verständnis für das deutsche Vorgehen. "Bundesjustizminister Heiko Maas hat uns erschreckende Zahlen gezeigt, wie sehr der Hass im Netz in Deutschland zunimmt", so die EU-Kommissarin. "Er hat auch betont, dass ein großer Teil der deutschen Gesellschaft von der Regierung erwartet, dass sie etwas dagegen unternimmt."

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