Judith Horchert

Vorratsdatenspeicherung Sie versuchen es schon wieder

Der Bundestag hat die Vorratsdatenspeicherung beschlossen - mal wieder. Obwohl Gerichte ähnliche Gesetze schon zweimal gekippt haben. Sanktioniert werden so teure politische Fehlentscheidungen nicht. Außer vielleicht von Ihnen.
Vorratsdatenspeicherung: Sie versuchen es schon wieder

Vorratsdatenspeicherung: Sie versuchen es schon wieder

Foto: Gregor Fischer/ dpa

Das ist sie also wieder. Trotz aller Kritik und aller Bedenken. Trotz der Einwände von Aktivisten und Opposition, trotz Demonstrationen, trotz der Rechtssprechung. Allen Fakten zum Trotz haben die Abgeordneten des Bundestags am Freitagmorgen wieder für die Vorratsdatenspeicherung (VDS) gestimmt. Dabei ist das schon einmal schiefgegangen.

Die Politik hatte die VDS vor Jahren längst eingeführt, doch sie wurde erst vom Bundesverfassungsgericht, dann vom Europäischen Gerichtshof wieder gekippt. Weil sich diese Form der Überwachung nicht mit unseren Grundrechten vereinbaren lässt.

Bei der Vorratsdatenspeicherung in ihrer aktuellen Form soll für zehn Wochen festgehalten werden, wer wann mit wem telefoniert oder gemailt hat. Wegen eines technischen Problems kommen wohl auch SMS-Texte als Beifang   mit dazu. Vier Wochen lang werden zudem die Standortdaten aller Handys gespeichert. Also die Aufenthaltsorte nahezu aller Bürger, immer einen Monat rückwirkend.

Inhalte von Gesprächen und E-Mails sollen hingegen nicht erfasst werden - ein Punkt, der von VDS-Befürwortern immer wieder vorgebracht wird. In einem Zeitalter, in dem Menschen nur anhand von Metadaten verdächtigt, ausfindig gemacht und sogar umgebracht werden , ist das ein schwacher Trost.

Dienen sollen die Erhebungen der Verbrechens- und Terrorbekämpfung. Die Speicherung sei für die Aufklärung von Straftaten dringend notwendig, sagen Ermittler und Politiker seit Jahren. Konkrete Beispiele für nur dank der VDS geglückte Ermittlungen bleiben sie aber schuldig. Mit der Vorratsdatenspeicherung in ihrer aktuellen Form sind jedenfalls nicht einmal die Ermittler zufrieden: Für ihre Zwecke sei der Gesetzentwurf untauglich, kritisierten sie bereits im Sommer.

Statt sich zu schämen, haben die Politiker "nachgebessert"

Als die Gerichte entschieden, dass die Speicherung gegen Grundrechte verstößt, mussten die verantwortlichen Politiker keine Konsequenzen ziehen: Niemand musste zurücktreten, niemand wurde dafür bestraft, dass er etwas beschlossen hat, das das Grundgesetz untergräbt. Auch in Brüssel nicht, von wo aus jahrelang Druck auf Deutschland ausgeübt wurde, die VDS endlich durchzusetzen - bis auch auf europäischer Ebene ein Gericht dem ein Ende setzte. In Deutschland wurde nicht einmal jemand abgewählt - zumindest nicht direkt, weil er 2007 für die VDS gestimmt hat. (Oder? Wer war das überhaupt noch mal? Hier ist die Liste .)

Statt sich nach so einem vernichtenden Gerichtsurteil zumindest zu schämen, haben die Verantwortlichen lieber "nachgebessert". Das heißt, der Gesetzentwurf wurde so geändert, dass er in seiner jetzigen Form angeblich der Prüfung durch Gerichte standhalten soll.

Es kann aber nicht die Aufgabe unserer Politiker sein, Gesetze zu machen, die haarscharf an einem Verbot vorbeischrammen. Oder Maßnahmen zu beschließen, die gerade eben so mit dem Grundgesetz vereinbar, mit Ach und Krach rechtsstaatlich sind. Oder auch eben knapp nicht mehr.

Doch selbst in diesem Fall bleibt so eine politische Fehlentscheidung ohne Sanktionen für die Verantwortlichen. Dabei werden unsere Volksvertreter gewählt, um Gesetze in unserem Sinne zu schaffen.

Jedenfalls wurden sie nicht gewählt, um Gerichte und Firmen in Atem zu halten. Die VDS hat uns schon beim letzten Mal viel Zeit und Geld gekostet, nicht nur wegen der aufwendigen Gerichtsverfahren. Die Telekommunikationsanbieter mussten für die Speicherung technisch aufrüsten, das hat sie Millionen gekostet , die sie wahrscheinlich an uns Kunden weitergegeben haben. Nun fürchten sie wieder die hohen Kosten - und wir als Kunden können uns gleich mit ihnen fürchten. Am Ende ist es nämlich wie so oft: Wir zahlen für unsere eigene Überwachung.

Nun müssen Gerichte in unserem Sinn entscheiden

Ach, Sie wollen gar nicht überwacht werden und auch kein Geld dafür ausgeben? Dann behalten Sie das gut im Kopf für die nächste Wahl. Denn es mag zwar sein, dass einem Politiker, der am heutigen Freitag für die VDS gestimmt hat, selbst dann keine Sanktion droht, wenn das Gesetz als grundrechtsverletzend erneut kassiert wird. Eine Strafe muss ein Politiker aber immer fürchten: Stimmen zu verlieren. Sie als Wähler müssten es nur endlich einmal wahr machen.

Bis dahin können wir nicht viel tun als zusehen: Zusehen, wie die Regierung versucht, eine bereits abgelehnte Überwachungsmaßnahme doch noch durchzubringen. Zusehen, wie eine Mehrheit im Parlament für etwas stimmt, das die Mehrheit der Bürger nicht unbedingt will. Zusehen, wie die kleine Opposition das erfolglos kritisiert und wie dann Gerichte die Vorratsdatenspeicherung verhandeln, ein weiteres Mal. Und hoffen, dass die Richter auch diesmal wieder so weise und datenschutzfreundlich entscheiden wie jüngst beim Safe-Harbor-Ankommen: für unsere Rechte und in unserem Sinne - so wie eigentlich unsere Volksvertreter heute hätten entscheiden müssen.

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