Pistole aus dem 3D-Drucker Cody Wilsons Geisterwaffen

Ab Mittwoch will der US-Amerikaner Cody Wilson Baupläne für Waffen aus dem 3D-Drucker ins Netz stellen. Er sieht sich als Vorkämpfer für Bürgerrechte, doch der Widerstand gegen sein Vorhaben wächst.

Zehn Tote bei einem Massaker an einer Highschool in Santa Fe im Mai. 17 Tote an einer Schule in Parkland im April. 59 Tote bei einem Musikfestival in Las Vegas im Oktober 2017. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus einer Liste von Vorfällen in den USA, bei denen Angreifer wahllos das Feuer eröffnet haben.

Aus europäischer Sicht sind die Waffengesetze in den USA - wo das Recht, eine Waffe zu tragen, in der Verfassung festgeschrieben ist - absurd lax. In diesen Tagen jedoch wird in den USA wieder einmal öffentlich über das Waffenrecht diskutiert: Eine Organisation in Texas hat nämlich angekündigt, ab Mittwoch Pläne ins Netz zu stellen, mit denen sich Schusswaffen oder zumindest wesentliche Teile davon per 3D-Drucker herstellen lassen.

"Das Zeitalter der herunterladbaren Waffe beginnt offiziell", heißt es auf der Internetseite von "Defense Distributed". "Entwicklung von privater Verteidigungstechnologie im öffentlichen Interesse", lautet das Motto der umstrittenen Organisation.

Video (2013): Sturmgewehr aus dem 3D-Drucker

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Die Pläne standen schon mal online

Hinter "Defense Distributed" steht ein Texaner namens Cody Wilson. Er hatte bereits 2013 Pläne für eine Waffe aus dem 3D-Drucker veröffentlicht: Der "Liberator" ("Befreier") ist eine einschüssige Pistole fast ganz aus Plastik, die von Metalldetektoren kaum erkannt und mangels Seriennummer nicht zurückverfolgt werden kann (mehr dazu in dieser Visual Story des SPIEGEL).

Allerdings zwang die damalige Regierung von Präsident Barack Obama den Waffennarr schon nach wenigen Tagen, die Pläne wieder aus dem Netz zu nehmen. Mit Unterstützung der Waffenlobby-Organisation Second Amendment Foundation klagte Wilson dagegen, zunächst ohne Erfolg. So wurde es erst einmal wieder ruhig um die Waffen zum Selberdrucken.

Ende Juni dann schloss die Regierung von Donald Trump, zu dessen Unterstützern die Nationale Schusswaffenvereinigung NRA gehört, überraschend einen außergerichtlichen Vergleich. Wilson darf diesem Vergleich zufolge nicht nur Pläne für Waffen aus dem 3D-Drucker online stellen, den Klägern wurden außerdem noch fast 40.000 Dollar Prozesskostenerstattung zugesprochen.

"Vernichtender Schlag für die Waffenverbotslobby"

Die Second Amendment Foundation feierte den Vergleich als "einen vernichtenden Schlag für die Waffenverbotslobby". Und Wilson selbst sagte dem Portal "Vice", die Regierung müsse aus bestimmten Bereichen herausgedrängt werden. "Das sind strategische Formen virtueller Anarchie."

Die Organisation Everyday Gun Safety, die sich für schärfere Waffengesetze in USA engagiert, warnt derweil, die Erlaubnis für Wilson ermögliche es Terroristen, verurteilten Straftätern und anderen Verbrechern, die Pläne herunterzuladen und ihre eigenen, nicht zurückverfolgbaren Schusswaffen zu drucken.

Auch einige Sicherheitskräfte haben schwere Bedenken. So sagt etwa Richard Myers, Direktor der Polizistenvereinigung Major Cities Chiefs Association: "3D-gedruckte Handfeuerwaffen sind darauf ausgelegt, traditionelle Waffenerkennungssysteme zu umgehen." Es gebe also Grund zur Sorge, dass diese "Geisterwaffen" sich verbreiten und die öffentliche Sicherheit in vielen Ländern gefährden.

Tatsächlich ist es wichtig, zu bedenken, dass die Wilson-Debatte nicht nur die USA betrifft: Die Waffenpläne würden zwar von einer US-Organisation ins Netz gestellt, besuchbar wäre die Website aber natürlich auch von anderswo: Was ganz öffentlich im World Wide Web steht, ist auch für die ganze Welt zugänglich. Bislang ist nur bekannt, dass "Defense Distributed" offenbar Nutzern aus dem US-Bundesstaat Pennsylvania den Zugriff auf die Website mit den Bauplänen verwehren  beziehungsweise zumindest technisch erschweren will.

Mehrere Bundesstaaten klagen

Widerstand gegen Cody Wilsons Onlineangebot hat sich aber nicht nur in Pennsylvania formiert: Der Generalstaatsanwalt des Bundesstaats Washington, Bob Ferguson, teilte am Montag mit, er verklage die Trump-Regierung wegen des Vergleichs vor einem Bundesgericht in Seattle. Sieben Bundesstaaten und der Hauptstadtdistrikt Washington hätten sich angeschlossen. Ferguson forderte das Gericht auf, noch vor Mittwoch eine einstweilige Verfügung zu erlassen, um die Veröffentlichung der Pläne zu stoppen.

Außerdem schickten die Generalstaatsanwälte von 20 Bundesstaaten und des Hauptstadtdistrikts einen Brandbrief an Justizminister Jeff Sessions und Außenminister Mike Pompeo. In dem Schreiben heißt es, die Veröffentlichung der Waffenpläne könnte "eine beispiellose Auswirkung auf die öffentliche Sicherheit haben".

Cody Wilson macht trotzdem keine Anzeichen, klein beizugeben. "DAS ist der Kampf", schrieb er auf Twitter.

Drucken lohnt bislang nicht unbedingt

Unabhängig vom 3D-Druck ist es in den USA legal, sich selbst eine Schusswaffe zu bauen. Eine spezielle Lizenz benötigt man nur, wenn man selbstgebaute Waffen auch verkaufen will.

Wilson verkauft über eine separate Firma Bausätze, Software und eine spezielle CNC-Werkzeugmaschine für Waffen, die nicht aus dem 3D-Drucker kommen. Im Angebot ist auch ein Bausatz für ein halbautomatisches Sturmgewehr, das dem AR-15 nachempfunden ist. Damit mordeten unter anderem die Attentäter in Parkland und Las Vegas.

Schusswaffen aus Metall sind zuverlässiger und haltbarer als der "Liberator" aus Plastik. Doch beim "Liberator" dürfte es kaum bleiben: Schon jetzt können registrierte Nutzer auf der von Wilson betriebenen Seite eigene Pläne für Waffen aus dem 3D-Drucker hochladen.

Wilsons Initiative könnte so tatsächlich den Beginn einer neuen Ära markieren: Waffennarren wie -gegner aus aller Welt werden am Mittwoch jedenfalls verfolgen, was auf der Website von "Defense Distributed" veröffentlicht wird.

Video: Do it yourself mit 3D-Druckern

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Can Merey, dpa/Reuters/mbö

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