Urheberrecht im Internet Lieber frei als gerecht

Abstimmung bei der Piratenpartei: Lässt sich das Internet ein bisschen regulieren?
Foto: dapdDen Piraten wird immer wieder vorgeworfen, sie wollten das Urheberrecht abschaffen. Das stimmt nicht, sagen sie nun . Tatsächlich wollen sie es nur reformieren und an die neue Zeit des Digitalen anpassen. Die Piraten machen also allerlei Vorschläge, über die man trefflich streiten kann. Doch die Forderung nach einer Legalisierung des Filesharings für nichtkommerzielle Zwecke, die immerhin im Grundsatzprogramm der Piratenpartei steht, kommt in diesem Zusammenhang nur am Rande vor.
Dabei ist das die Gretchenfrage des Urheberrechts. In allen seinen Details ist das Gesetz fast ausschließlich darauf ausgerichtet, dem Urheber das Recht einzuräumen, über Art und Umstand der Verbreitung und Veröffentlichung seiner Werke zu bestimmen. Wie das mit Filesharing zusammenpassen kann, weiß die Piratenpartei nicht. Hier kommt die schlechte Nachricht: Es passt überhaupt nicht zusammen.
Denn das Internet besteht in seinem innersten Kern fast ausschließlich aus Kopieroperationen. Ob wir eine E-Mail "senden", eine Website "laden" oder einen Pinnwandeintrag "posten": Hinter allem, was man im Internet tut, steckt ein Kopiervorgang. Filesharing ist in Wirklichkeit keine spezielle Anwendung im Internet, das Internet ist Filesharing. Eine Unterscheidung zwischen der "Abschaffung des Urheberrechts" und der Forderung nach "legalem Filesharing", kommt sogar der Wortklauberei schon recht nahe. Der Versuch, das Internet mit dem Urheberrecht zu versöhnen ist wie Segelfliegen im Vakuum: unmöglich.
Die volle Kontrolle
Und das wissen die Verwerter besser noch als die Piraten. Weswegen sie Gesetze unterstützen, mit denen das Internet kontrolliert werden soll: Acta, Sopa und Pipa in den USA, Hadopi in Frankreich und die vielen "Urheberrechtskörbe" hierzulande sind schließlich kein Unfall. Sie sind der Versuch der Verwerter, aus dieser Nummer doch noch heil herauszukommen, koste es, was es wolle. Wer ein Geschäftsmodell hat, das auf die Kontrolle von Datenströmen aufsetzt, muss es entweder gegen das Internet durchsetzen, oder er hat kein Geschäftsmodell.
Was die Verwerter brauchen und mit aller Lobbymacht versuchen durchzusetzen, ist die Transformation des Internets in einen Raum, in dem sich veröffentlichte Daten wieder zurückholen lassen, in dem immer klar ist, wohin welche Daten fließen, wer gerade mit welchen Daten hantiert und in dem sich beliebig und effektiv Leute von Informationen ausschließen lassen. Kurz: Sie brauchen ein Internet, in dem die Informationsströme kontrollierbar sind.
Einige derjenigen, die sich lediglich für eine "Reform" des Urheberrechts aussprechen, glauben nicht, dass es so schlimm kommen wird. Die Verwerter und Urheber werden schon noch genug verdienen, auch wenn ihr Recht nicht hundertprozentig durchgesetzt wird. Ein "bisschen Internetkontrolle", um dieses Ziel zu erreichen, sei schon okay, es dürfe nur nicht so weit gehen. Es wird dann häufig mit der Analogie zum Straßenverkehr argumentiert. Auch die Straßenverkehrsordnung wird schließlich nicht immer eingehalten und überall durchgesetzt, weswegen aber natürlich nicht auf Verkehrsregeln verzichtet wird.
Ein bisschen Feuerlöschen bei einem Großbrand
Mal abgesehen davon, dass Vergleiche des Internets mit dem Straßenverkehr immer schief gehen, müsste man diesen Vergleich völlig anders rechnen. Wenn ich ein Musikalbum auf BitTorrent oder einen Filehoster stelle, dann ist das Delikt damit ja noch lange nicht zu Ende. Denn dieser einfache Akt eines Einzelnen hat Konsequenzen, die sich nicht mehr eingrenzen lassen. Von dem Augenblick an, wo die Dateien im Angebot sind, ist die Fahrt frei für Hunderte, Tausende, ja Millionen ähnlicher Rechtsverstöße. Die ganze Welt kann nun dieses Album laden, und viele werden es tun.
Um die schiefe Analogie grade zu rücken, müsste man das Beispiel also modifizieren: Ein Album zum Download anzubieten ist nicht vergleichbar mit dem Überfahren einer Ampel, sondern mit der kompletten Demontage der Ampel. Filesharing entspricht nicht einem einmaligen, regional verbleibenden Verstoß gegen ein Gesetz, sondern dem totalen Kontrollverlust über dessen Einhaltung. Ein "bisschen Internetkontrolle" hilft hier so viel wie "ein bisschen Feuerlöschen" bei einem Großbrand.
Die Piratenpartei traut sich nicht
Im Gegensatz zu den Reformern, die glauben, diese Tatsache mit dem heutigen Urheberrecht durch ein paar Anpassungen doch noch versöhnen zu können, haben die Rechteverwerter längst ein realistischeres Bild der Situation. Das Kopieren von geschützten Inhalten nimmt weiter zu, die Speicher und Bandbreiten hören nicht auf zu wachsen, und die Kompetenz, sich illegale Inhalte zu beschaffen, verbreitet sich in allen Gesellschaftsschichten. Die Verwerter wissen, dass all der technische und juristische Aufwand, den sie heute bereits betreiben, um ihre Interessen durchzusetzen, nur der Anfang gewesen sein kann.
Manche glauben, dass ich gegen das Urheberrecht argumentiere, weil ich es den Künstlern nicht gönne. Nein, ich gönne den Künstlern alles Geld dieser Welt. Aber vor die Frage gestellt: Urheberrecht oder freies Internet, zögere ich nicht lang.
Wenn die Piratenpartei sich nicht traut, fordere ich es eben: Schafft das Urheberrecht ab!
Dieser Gastbeitrag ist Teil einer Reihe zur Debatte über die Zukunft des Urheberrechts in Zeiten der Digitalisierung. Weitere Beiträge finden Sie hier.